Brüssel. Dalia Grybauskaite war müde, aber sie strahlte. Die selbstbewusste EU-Haushaltskommissarin setzte zur Rettung des krisengeschüttelten Satellitennavigationssystems Galileo ihre Pläne durch. Damit werden EU-Agrargelder von 1,6 Milliarden Euro zum Bau europäischer Spitzentechnik umgeleitet. „Wir sind sehr zufrieden“, bilanzierte die strenge Kommissarin aus Litauen zu nächtlicher Stunde nach über zwölfstündigen Marathonverhandlungen. Die Bundesregierung bedauert die Entscheidung der EU-Finanzminister über die Bezahlung des Satellitennavigationssystems. „Das Ergebnis ist relativ schlecht“, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums am Sonntag in Berlin. „Das Wesen von Mehrheiten ist aber, dass man sie akzeptiert.“ Der EU-Kompromiss sieht vor, die für Galileo fehlenden 2,4 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt aufzubringen. Das Notopfer für Galileo ist so ganz nach dem Geschmack der eisernen Grybauskaite, die meist schon vor 7.00 Uhr morgens an ihrem Schreibtisch sitzt. Sie würde am liebsten die milliardenschweren Agrarzahlungen, die immer noch mehr als 40 Prozent des EU-Haushalts ausmachen, radikal zusammenstreichen und lieber für neue Jobs und Zukunftsprojekte umwidmen. Laut aussprechen darf sie ihre radikalen Vorstellungen in Brüssel aber nicht. Denn viele Länder - vor allem Frankreich - fürchten um ihre angestammten Pfründe. Grybauskaite sprach nach dem Galileo-Kompromiss in der Nacht zum Samstag von einer „Signalwirkung für die Mitgliedstaaten“. Vor der Unterzeichnung der neuen EU-Reformverträge am 13. Dezember in Lissabon werde deutlich, dass sich die Union auf übernationale Zusammenarbeit einigen könne. Portugals Budget-Staatssekretär Emanuel Augustos Santos, der die Ministerrunde leitete, freute sich: „Es ist der erste Schritt, damit Europa sein eigenes Satellitensystem entwicklen kann.“ Die EU wollte musste einspringen, da die Finanzierung über ein Firmenkonsortium im Frühjahr endgültig gescheitert war. Deutschland spielte in dem monatelangen Galileo-Gezerre nicht die Gentleman-Rolle, meinen Beobachter. Deutsche Statthalter in Brüssel gaben unumwunden zu, dass es Berlin auf die „Rückflüsse“ für die deutsche Industrie ankam. Diese sind nun mit einem neuen Auftragssystem der EU-Kommission gewährleistet. In der Finanzierungsfrage blieb die Bundesregierung allerdings bis zuletzt im Kreis der EU-Partner isoliert. Deutschland stimmte als einziges Land gegen den Finanzkompromiss, weil es als größter Einzahler in den EU-Haushalt Mehrbelastungen für das heimische Budget von bis zu 500 Millionen Euro fürchtet. Spanien enthielt sich - eine Sperrminorität in der Ministerrunde kam also nicht zusammen. Deutschland sah sich zunächst von anderen großen Einzahlern wie Niederlande oder Schweden unterstützt - aber diese stimmten letztlich für den Vorschlag von Grybauskaite. „Der Nettozahler-Club ist auch nicht mehr das, was er mal war“, bilanzierte ein erfahrener EU- Diplomat lapidar. Der Kompromiss gelang überraschend schnell. Viele in Brüssel hatten zunächst damit gerechnet, dass die Staats- und Regierungschefs am 14. Dezember bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel den Galileo-Streit lösen müssten. Sie werden nun ausreichend Zeit haben, die Lage in der abtrünnigen serbischen Krisenprovinz Kosovo ausführlich zu besprechen. (dpa/sb)
Satelliten statt Saatgut
EU findet Kompromiss für Galileo: Milliarden-Einsparungen im Agrar-Haushalt sollen Finanzierung des Satellitennavigationssystems absichern