Raus aus der Verlustzone

Fret SNCF befindet sich immer noch in der Verlustzone: Dieses Jahr sind es 86 Millionen Euro, aber immerhin 300 Millionen Euro weniger als noch vor fünf Jahren. Das Ziel: In drei Jahren will die Bahn rentabel sein - es wäre das erste Mal seit 1998. Eine ganz schöne Leistung, meint Jean-Marc Longequeue, stellvertretender Direktor von Fret SNCF. Doch Beobachter sagen, das Unternehmen müsse sich grundsätzlich reformieren. "Unsere Produktivität steigt jährlich um sieben Prozent. Wir senken unsere Kosten, optimieren unsere Produktion, nutzen unsere Züge besser aus und haben neue Dienstleistungen im Programm - wie ein neuartiges Buchungssystem für den Einzelwagenverkehr", sagt Longequeue. Dabei reservieren Kunden im Voraus und Fret SNCF erhält mehr Planungssicherheit. Im Gegenzug zahlt das Unternehmen bei Verspätung eine Strafe. Das System hat Fret SNCF auch mit einem Partnerunternehmen in der Schweiz eingeführt und nutzt es für den grenzüberschreitenden Verkehr mit anderen europäischen Ländern. Fret SNCF streicht defizitäre Angebote Dass Fret SNCF in den vergangenen Jahren finanziell aufgeräumt hat, bestreitet kaum einer in Frankreich. Doch kritisieren einige die Art und Weise. "Fret SNCF hat viele unrentable Teilbereiche einfach eingestellt, statt sie rentabel zu machen", sagt Yves Crozet, Ökonom am Labor für Transportwirtschaft der Universität Lyon. So betrieb das Unternehmen 2006 rund 400.000 Einzelwagen. Heute sind es nur noch 150.000. Kunden defizitärer Strecken mussten entweder erheblich mehr zahlen oder aber auf den Service verzichten. Dabei liege das eigentliche Problem von Fret SNCF in seiner geringen Produktivität. Laut einer Studie des Bahnmagazins La Vie du Rail ist diese 30 Prozent niedriger als im Privatsektor. "Die SNCF ist ein Unternehmen, deren Beschäftigungsregeln auf dem Stand von 1977 sind", sagt Crozet. "Lokführer fahren so nur drei Stunden pro Tag - im Privatsektor sind es fünf Stunden." Das Zugpersonal der Fret SNCF arbeitet 160 Tage im Jahr und nicht durchschnittlich 210 wie die europäische Konkurrenz. Die Produktionskosten seien deshalb ungleich höher. Auch wenn der Service von Fret SNCF laut seinen Kunden heute, neun Jahre nach der Liberalisierung des Marktes, genauso gut ist wie der seiner rund ein Dutzend privater Wettbewerber, die etwa 30 Prozent Marktanteil haben. Gewerkschaften blockieren Die jüngste Bahnreform soll da endlich branchenübergreifende Regeln schaffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen die bis Mitte nächstes Jahr ausarbeiten. Doch viele Experten fürchten, die Konkurrenz werde sich wohl eher der SNCF anpassen müssen als andersherum. "Denn jeder weiß, dass die Gewerkschaften sofort den gesamten Bahnverkehr lahmlegen, wenn sich jemand an ihre Arbeitsbedingungen heranmacht", sagt Alain Bonnafous, ehemaliger Vizepräsident des nationalen Transportrates, einem Beratungsorgan der Regierung. Dass es in Frankreich Anfang der 2000er keine Trendwende im Bahnfrachtverkehr gab (siehe Kasten unten), liegt für Arnaud Eymery, Direktor der arbeitnehmerfreundlichen Beratungsfirma Degest, eher am Schienennetz. "Die Gleise sind meist 75 Jahre alt und in sehr schlechtem Zustand", sagt er. "Instand gesetzt werden sie nun vor allem nachts - dann, wenn Güterzüge unterwegs sind. Das führt oft zu Verspätungen." Auch hätten Personenzüge in Frankreich praktisch immer Priorität. In Ballungsgebieten gebe es daher häufig lange Wartezeiten. Im Durchschnitt fahren Frankreichs Güterzüge 20 Kilometer pro Stunde. Viel Bahnstrecken unrentabel Zudem sind für Fret SNCF die vielen kleinen Bahnstrecken im Netz - die zum Beispiel Fabriken versorgen - kostspielig in Betrieb und Instandhaltung. Deshalb hat man seit 1945 10.000 der damals 40.000 Kilometer Schienennetz stillgelegt. Experten betrachten weitere 6000 Kilometer kleiner Bahnlinien als unrentabel. Dass man diese Strecken trotzdem nicht einfach schließt, hofft Jacques Chauvineau, Präsident des Vereins Objectif OFP, der sich dafür einsetzt, dass mehr lokale Transportunternehmen diese Bahnlinien übernehmen. Daran habe auch Europa ein Interesse, schließlich sei Frankreich ein wichtiges Transitland für den Kontinent. Die Fret SNCF sieht vor allem in großen Entfernungen ihre Zukunft - unter anderem über sogenannte Schienenautobahnen. Mit einer horizontalen Umschlagtechnik - die sogenannte Modalohr-Technik - werden dabei Sattelauflieger auf Waggons gehoben. Eine dieser Autobahnen ist bereits ein voller Erfolg - sie führt vom luxemburgischen Bettembourg ins südfranzösische Le Boulou. Weitere sind geplant - unter anderem zwischen dem nordfranzösischen Calais und Le Boulou und zwischen Frankreich und Großbritannien. "Wir glauben fest an die Zukunft der Schienenautobahn", sagt SNCF-Chef Guillaume Pepy im Interview mit der VerkehrsRundschau (siehe VR 28/2015, Seite 34). "Unsere Vision ist es, dieses System zu einem paneuropäischen zu machen." Deutschland spielt für Fret SNCF eine wichtige Rolle - als Transitland und mit 300 Millionen Euro Umsatz im Schienengüterverkehr als größter Markt außerhalb Franreichs. Das dort ansässige Tochterunternehmen Captrain ist profitabel, erwirtschaftete 2014 einen Umsatz von 264 Millionen Euro und hat Filialen in Italien, Belgien, den Niederlanden, Polen und Dänemark. In Frankreich droht dem Gütertransporteur bis Ende des Jahres noch Ungemach von den Wettbewerbshütern für die Schiene, der Araf. Die testete vor kurzem Fret SNCF auf getrennte Buchhaltung - sprich darauf, ob das Unternehmen Quersubventionen aus anderen Teilen der SNCF erhält. Eine solche Praxis wäre illegal in einem liberalisierten Markt. Fret SNCF bestand den Test zunächst nicht. "Aus den Konten war nicht ersichtlich, ob es nicht doch finanzielle Flüsse zwischen den verschiedenen Teilen der Gruppe gibt", sagt eine Araf-Sprecherin der VR und fügt hinzu: "Es ist unglaubwürdig, dass ein Unternehmen seit 17 Jahren rote Zahlen schreibt und dabei überlebt - auf dem freien Markt wäre das undenkbar." Doch die Güterbahn bestreitet den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs. "Unsere Konten sind eindeutig - wir erhalten keine Quersubventionen von der SNCF", sagt Longequeue. Fret SNCF hat bis Ende 2015 Zeit, die Araf davon zu überzeugen. Mehr zum Thema im Dossier Schienengüterverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Die großen Güterbahnen In unserer Serie stellen wir die großen (Staats-)Güterbahnen in Europa vor- Teil 1: DB Schenker Rail (VR 27)- Teil 2: Rail Cargo Group (VR 28)- Teil 3: PKP Cargo (VR 29)- Teil 4: SBB Cargo (VR 31)- Teil 5: Trenitalia Cargo (VR 32/33)- Teil 6: Fret SNCF (VR 34/35) Frankreichs Bahnfrachtmarkt Europas Nachzügler Frankreich ist im Schienengüterverkehr Europas Nachzügler. Auf dem gesamten Kontinent sank der Anteil der Schiene am Gütertransport seit den 60er-Jahren. Doch dieser Trend hat sich seit den frühen 2000ern in vielen Ländern Europas umgekehrt. So erhöhte sich in Deutschland die Verkehrsleistung zwischen 2000 und 2008 um 52 Prozent. Nicht so in Frankreich. Gerade noch etwas über 30 Millionen Tonnenkilometer transportieren Fret SNCF und Konkurrenten heutzutage in Frankreich im Vergleich zu 55 Millionen Tonnenkilometer 2001 - auch wenn sich der Sektor in den letzten drei Jahren zu stabilisieren scheint. An diesem Trend hat auch die Politik der Regierung wenig geändert. Paris entschied in seiner Grenelle-Umweltgesetzgebung aus dem Jahr 2008, dass der Modalanteil der Schiene bis 2022 von 14 auf 25 Prozent steigen soll. Doch der Beitrag der Schiene zum Gütertransport liegt auch heute noch bei 14 Prozent. ll