Privatisierung unter Vorbehalt

SPD-Parteichef Kurt Beck (r.) und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee auf Kompromisssuche Privatisierung unter VorbehaltDer Börsengang der Deutschen Bahn bleibt ungewiss: Der SPD-Parteitag befürwortet das Volksaktienmodell und bereitet Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee eine empfindliche Niederlage.Der SPD-Bundesparteitag hat nach kontroverser Debatte über die Bahnreform das Volksaktienmodell gebilligt, die endgültige Entscheidung aber verschoben. Der Koalitionspartner CDU/CSU sieht die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn in weite Ferne gerückt.Der in Hamburg mit mehr als 95 Prozent der Stimmen wiedergewählte Parteichef Kurt Beck musste während der hitzigen Aussprache persönlich eingreifen, um ein Debakel abzuwenden. „Wir brauchen einen klaren Handlungsauftrag“, wandte er sich an die über 500 Delegierten. Als diese ihm lautstark widersprachen, fuhr Beck aus der Haut. „Lasst mich ausreden.“ Er schlug vor, die Parteigremien mit der Überprüfung einer möglichen Vereinbarung mit der Union zu beauftragen. Der Vorstand werde dann „im Licht der Debatte auf diesem Parteitag“ befinden und gegebenenfalls einem künftigen Parteitag die endgültige Entscheidung übertragen. Erst mit dieser Zusicherung gaben sich die Privatisierungsgegner zufrieden.Becks Intervention vorausgegangen war eine emotionsreiche Debatte, in der die Befürworter der Privatisierung in der Minderheit waren. „Die Bahn gehört auf die Schiene und nicht an die Börse“, mahnte der Ex-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi und traf damit die Stimmung der meisten Delegierten. Eine pauschale Ablehnung der Reformpläne drohte und damit ein Debakel für die Parteiführung. Tiefensee überzeugt nichtZuvor hatte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in einer allgemein als blass empfundenen Rede für das Volksaktienmodell geworben. Er versprach, die Zügel beim größten europäischen Verkehrsunternehmen in der Hand zu behalten. „Heuschrecken“ könnten sich der Bahn nicht bemächtigen. Doch es war nicht der Tag des Wolfgang Tiefensee, der zuvor eine persönliche Schlappe hatte hinnehmen müssen. Erst im zweiten Wahlgang gelang ihm der Sprung in den Parteivorstand. „Die Bahn hat sicher eine Rolle gespielt“, meinte er später. Mit der Volksaktie will die SPD verhindern, dass Großinvestoren aus reinem Gewinnstreben die Stilllegung weniger rentabler Strecken erwirken und die Struktur des Unternehmens mit seinen 230.000 Mitarbeitern zerschlagen. Nach diesem Konzept sollen zunächst mindestens 25,1 Prozent stimmrechtsloser Vorzugsaktien ausgegeben werden. In den Unionsparteien sind die Zweifel an einer Teilprivatisierung der Bahn noch in dieser Wahlperiode erheblich gewachsen. Das Volksaktienmodell sei ungeeignet, befanden die Verkehrspolitiker Dirk Fischer (CDU) und Hans-Peter Friedrich (CSU). Tiefensee müsse jetzt „umgehend darlegen, wie er die bereits getroffenen Koalitionsvereinbarungen zur Bahnprivatisierung erfüllen will“. Skeptisch äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der FDP-Politiker Horst Friedrich sagte, mit der Volksaktie sei der Börsengang zur Farce geworden. Nach Ansicht von Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ist die Teilprivatisierung „de facto gescheitert“. ❙❚■ Jörg Kürschner, Korrespondent in Berlin„Es geht darum, Kapital für den Ausbau des Schienennetzes zu gewinnen. Wenn das nicht mehr geht, dann ist die Bahnreform gefährdet.“Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin, am 28. Oktober 2007 in BerlinZitat

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