Niedersächsischer Landtag streitet über Tiefwasserhafen

16.01.2008 15:08 Uhr

Opposition attackiert Ministerpräsident Wulff: Wirtschaftsminister Hirche mitverantwortlich für Manipulationen bei Auftragsvergabe

Hannover. Eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen ist Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) Zielscheibe der Opposition im Dauerstreit um den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven geworden. Nach dem Ende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Jade-Weser-Port kam der Landtag heute in Hannover zu einer Sondersitzung zusammen. SPD und Grüne warfen dem Regierungschef vor, er sei beim wichtigsten Investitionsprojekt des Landes abgetaucht und seiner Verantwortung ausgewichen. „Eine weiße Weste haben Sie nicht mehr“, kritisierte der Grüne-Spitzenkandidat Stefan Wenzel. Die Opposition verlangte von Wulff, seinen Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) und dessen Staatssekretär zu entlassen: Sie seien mitverantwortlich für Manipulationen bei der Vergabe des 480-Millionen-Euro-Bauauftrages für den Container-Hafen. Die Regierungsfraktionen sprachen dagegen von bloßen Unterstellungen und Wahlkampfgetöse. Nun drohen außerdem noch Mehrkosten beim Hafenbau. Die Papenburger Bunte-Gruppe fordert einen Nachschlag von mindestens 65 Millionen Euro wegen höherer Material- und Personalkosten. Die Debatte im Landtag entwickelte sich zu einer hitzigen Wahlkampf-Auseinandersetzung. Die Abgeordneten, die zum letzen Mal vor dem Urnengang am 27. Januar zusammenkamen, zogen nach dreimonatiger Arbeit des Untersuchungsausschusses Bilanz. Wulff selber reagierte im Parlament nicht auf die Vorwürfe der Opposition. Wirtschaftsminister Hirche (FDP) wies die Anschuldigung, die Landesregierung habe sich an Rechtsbrüchen bei der Auftragsvergabe beteiligt, als falsch zurück. Er sagte an die Adresse der Opposition: „CDU und FDP werden den Jade-Weser-Port zur Erfolgsgeschichte machen, das werden sie nicht verhindern, machen sie lieber mit.“ Der FDP-Abgeordnete Jörg Bode betonte: „Walter Hirche ist der alte und wird der neue Wirtschaftsminister sein.“ Immer wieder hatte es Spekulationen gegeben, ob die FDP mit Hirche in ein neues CDU/FDP-Kabinett nach der Wahl gehen wird. Grünen-Fraktionschef Wenzel kritisierte, Ministerpräsident Wulff „bringt nicht den Mumm auf, zu sagen: Wir haben einen Fehler gemacht“. Er solle seinen Wirtschaftsminister „in die Wüste schicken, weil er schlicht und einfach versagt hat“. Hirche verhalte sich nach dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“ Der SPD-Spitzenkandidat und Herausforderer von Wulff, Wolfgang Jüttner, bezeichnete den Ministerpräsidenten als „wirtschaftspolitischen Totalversager“. Aus Sicht der Opposition war zwar Bremen Drahtzieher, um dem Baukonzern Hochtief den Auftrag zukommen zulassen. Niedersachsen habe die Einflussnahme aber geduldet, wenn nicht gar gefördert, meinten SPD und Grüne. Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) hatte vor der Landtags-Sondersitzung Vorwürfe zurückgewiesen, es habe von bremischer Seite Manipulationen gegeben. Nach einem Rechtsstreit erhielt das Papenburger Unternehmen Bunte den 480-Millionen-Euro-Auftrag. Wann die Bauarbeiten losgehen, ist weiter unklar, weil noch Klagen von Naturschützern gegen den Planfeststellungsbeschluss im Raum stehen. Nach Angaben des Sprechers des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg kann bisher auch nicht gesagt werden, wann die Entscheidung darüber getroffen wird. Aus Sicht der Opposition kann der vorgesehene Betrieb des Tiefwasserhafens im Jahr 2010 kaum noch eingehalten werden. Die Jade-Weser-Port-Gesellschaft will nun über einen von Bunte geforderten Nachschlag von 65 Millionen Euro verhandeln. Bunte verlange mehr Geld von der Realisierungsgesellschaft, weil die Verzögerung des Baubeginns zu höheren Personal- und Materialkosten geführt habe, erklärte der Geschäftsführer von Bunte, Manfred Wendt, am Mittwoch und bestätigte damit Medienberichte. Wenn der erste Rammschlag noch länger auf sich warten lasse, könne die Summe noch steigen. Für Anfang Februar sei ein Treffen mit der Realisierungsgesellschaft geplant. „Wir werden uns diesen Forderungen stellen, das wird verhandelt», erklärte der Geschäftsführer der Jade-Weser-Port-Gesellschaft, Helmut Werner. Bunte müsse die Mehrkosten jedoch präzisieren, denn sie seien derzeit nicht nachprüfbar. „Unsere Angaben sind sehr konkret“, betonte dagegen Wendt. (dpa)

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