MB Atego Hybrid vs. Diesel

MB Atego Hybrid vs. DieselFür große SprüngeDer Mercedes Atego Hybrid bewies gegen ein baugleiches Diesel-Pendant, dass er viel Sprit sparen kann und dazu komfortabler fährt. Jetzt muss der Preis sinken, damit allmählich ein „Business Case“ entsteht.Große Sprünge in Sachen Verbrauch, die wird es nur mit neuen Technologien wie Hybrid geben. Darüber sind sich viele Fachleute, bei allem Glauben an die weitere Optimierung des Dieselmotors, einig. Und einen solchen „großen Sprung“ hat der Mercedes Atego Hybrid hingelegt im exklusiven VerkehrsRundschau-Vergleich gegen einen identisch konfigurierten Zwölf-Tonnen-Bruder mit Junge-Koffer, Sörensen-Bordwand und 218-PS-Vierzylinder-Motor. Überraschenderweise sparte der Hybrid auf unserer anspruchsvollen Überland-Verteiler-Runde sogar noch mehr als bei der anschließenden reinen Stadtfahrt: Durch die Hallertauer Hügel speiste die clevere Hybrid-Technik so geschickt immer wieder Roll- und Bremsenergie zurück in die Lithium-Ionen-Akkus (1,9 kW/h) am Rahmen, dass bei der Bilanz an der Zapfsäule starke 16,7 l/100 km statt klassengemäßen 19,6 l/100 km beim Diesel zu Buche standen.Die kleine Extraportion Kraft – 44 kW, 420 Nm der Elektromaschine – hilft etwa, kleinere Kuppen entspannt zu bewältigen, wo der „Kollege Diesel“ am Runterschalten ist und dabei nicht nur Zeit verliert und den Verbrauch treibt, sondern auch das Fahrer-Ohr mit dem typischen Rumoren des raubeinigen Pumpe-Düse-Aggregats traktiert. Der gleiche Motor im Hybrid bleibt etwa auch beim Einsatz der „Motorbremse“ deutlich dezenter. Denn der Elektromotor mutiert bergab zum Generator und verzögert die Fuhre automatisch oder per Lenkstockhebel noch steigerbar. Clou beim Atego Hybrid, der auch beim Sparen hilft: Er verfügt bereits über eine „Eco-Roll“-ähnliche Funktion (hier HEV-Roll genannt), bei der im Schubbetrieb die Kupplung öffnet und man sanft dahinrollt. In Hebelstufe zwei klinkt sich dann noch die Motorbremse dazu, sodass man insgesamt deutlich seltener die Betriebsstopper beansprucht als der Fahrer im konventionellen Diesel-Modell. In dem sorgt die einstufige Motorbremse nur für mäßige Verzögerung. Zudem hat der Hybrid-Fahrer das gute Gefühl, dass kein bisschen von der wertvollen Roll- und Bremsenergie verloren geht – was ihm das gut gemachte Energieflussdiagramm auf dem Extra-Bildschirm permanent plastisch vor Augen führt. Die Rekuperation funktioniert natürlich nur, bis die Akkus sich vollgesaugt haben, danach fällt die Generatorfunktion beim Hybrid weg – und es bleiben nur Motor- und Betriebsbremse. Einen weiteren Vorteil des Hybrid bekommt der Fahrer an der Ampel zu hören – oder eben nicht: Die Daimler-Leute kombinieren die Elektro-Technik mit einem Start-Stopp-System, das den Motor im Stand abschaltet. Auch hier wird tüchtig Sprit gespart. Allerdings wohl mehr durch das Start-Stopp-System, das in Verbindung mit dem Telligent-Schaltautomat im konventionellen Atego gar nicht verfügbar ist. Knapp 100 Mal auf der Stop-and-go-gespickten 70-km-Stadtrundfahrt durch die Münchener City war das rasch reagierende MSS im Einsatz. Am Ende war der Hybrid mit 22 l/100 km zu 24,1 l/100 km gut zwei Liter sparsamer als der Diesel – Adblue wie immer anteilig inklusive. Zur Ersparnis trug die Möglichkeit des elektrischen Anfahrens wohl weniger bei als bei der Überlandfahrt. Auf den kurzen City-Rollstücken bekommt man die Akkus gar nicht genug gefüttert, dass elektrisches Fahren in relevantem Umfang möglich wäre. Das funktioniert im Übrigen bei entsprechendem Ladestand prima, sprich bestens dosierbar, und es entfaltet selbstredend einen gewissen Reiz. Erst ab dem dritten Gang klinkt sich der, anders als beim Renault-Volvo-Hybrid, stets mitlaufende Dieselmotor ein. Dem rein elektrischen, dieselfreien Betrieb traut Daimler übrigens noch nicht ganz (siehe Interview unten).Dass der Hybrid-Atego relativ zum Diesel kräftig spart, hat er am Ende unserer exklusiven Vergleichsfahrt also eindrucksvoll bewiesen: 16,7 l/ 100 km sind für einen ausgeladenen 11,99-Tonner ein Top-Wert. Aber andererseits erscheint es auch nicht unmöglich, diesen Wert mit einem modernen Antriebsstrang, gekoppelt etwa an ein Start-Stopp-System, Eco-Roll oder auch einen GPS-Tempomaten zu erreichen, ohne die horrenden Mehrkosten und den Nutzlastverlust des Hybriden von über 300 Kilo in Kauf nehmen zu müssen – ein Faktor, den man bei Praxistester Meyer Logistik in Köln übrigens stärker kritisiert als bei der Spedition Klotz in Freiburg (siehe Kasten Seite 45).Eine gute Basis für Sparen auf die konventionelle Art wäre etwa der komplett neu entwickelte 5,1-Liter-Motor, der mit technischen Leckereien wie Common-Rail-Einspritzung, Doppelturbo sowie verstellbarer Nockenwelle aufwartet und der von Daimler zur IAA präsentiert wird. Arbeit bekommt der OM 934, abgesehen vom Unimog, aber erst zum gesetzlichen Euro-6-Termin 2014, zu dem eine größere Atego-Modellpflege ansteht. Dann könnte es sein, dass sowohl der konventionelle Diesel-Atego als auch der Hybrid-Bruder nochmal einen großen Sprung machen – bei Verbrauch und Komfort ... ❙❚■ Johannes ReichelHot in the City: In der Stadt, aber auch Überland, sparte der Atego Hybrid massiv Sprit gegenüber dem DieselLiegt bei den Fahrern vorn: Das elektrische Rangieren im Atego Hybrid klappt bestens dosierbarWie gehabt: gediegenes Atego-Interieur, komfortable Sitze, aber harsche FederungEs gefällt der tief ansetzende Einstieg, auch wenn es über zwei Stufen geht. Energieflussdisplay mit plastischer Darstellung. Not-Aus-Knopf am Rahmen. Akkus mit Extra-KühlkreislaufMB Atego Hybrid vs. DieselMehr als nur ein „grünes Feigenblatt“ für die FirmaDass die Nutzung eines modernen Hybridfahrzeugs wie des Atego BlueTec Hybrid nicht nur als Vorzeige-Projekt, also als eine Art „grünes Feigenblatt“ dient, zeigt dessen täglicher Einsatz in der Freiburger Spedition Klotz. Hier tut eines von erst zwei Fahrzeugen im gesamten badischen Raum im harten Stückgut- und Lieferverkehrsalltag seit etwa einem Jahr seinen Dienst und hat in dieser Zeit an die 60.000 Kilometer „abgespult“.Konzipiert ist der 12-Tonner Atego-Hybrid hauptsächlich für den städtischen oder regionalen Verteilerverkehr, daher kann er hier, im Ballungsraum, vorwiegend auf Kurzstrecken mit viel Stop & Go unterwegs, seine Trümpfe voll ausspielen. Unternehmen wie die Spedition Klotz, die einen Hybrid-LKW für diese Zwecke und Transportaufgaben einsetzen, erzielen damit nicht nur einen beträchtlichen Imagegewinn durch die Demonstration von Umweltbewusstsein und Innovationsfreude, sondern realisieren neben einer effektiven CO2-Reduktion auch bedeutende betriebswirtschaftliche Vorteile – allein durch die in der Praxis erzielte und nachweisbare Kraftstoffersparnis. Diese beziffert Firmeninhaber Bernd Klotz, der das 1970 gegründete Familienunternehmen mit heute 50 Fahrzeugen in zweiter Generation führt, für dieses Fahrzeug auf etwa 12 Prozent gegenüber einem vergleichbaren, konventionell angetriebenen LKW. „Das rechnet sich dann schon“, so Bernd Klotz. Für den rührigen Unternehmer war der Einsatz des Mercedes-Benz-Hybrid-LKW nicht nur eine werbewirksame Imagemaßnahme, sondern entsprang ehrlichem Umweltbewusstsein. Bernd Klotz dazu: „ Es ging und geht mir bei der Beschaffung dieses Hybrid-Lastwagens nicht um die Zurschaustellung unseres Umweltbewusstseins. Wir wissen doch alle, dass die fossilen Brennstoffvorräte irgendwann in naher oder auch fernerer Zukunft zu Ende sind – daher müssen wir doch auch alle etwas tun. Ich bekomme sicher keinen Auftrag mehr deswegen, aber bei sonst gleicher (Kosten-)Basis habe ich natürlich bei Kunden, die auf die Umwelt achten und auf Ressourcenschonung Wert legen, durch den Einsatz des Hybridfahrzeugs eine positivere Resonanz“, räumt er ein. „Und die auffällige Gestaltung des Koffers trägt natürlich auch dazu bei, dass die Leute da schon mal genauer hinschauen – das nehmen wir natürlich gerne mit.“Die mit der Entscheidung für einen Hybrid-LKW verbundene Mehrinvestition sieht Klotz deshalb schon auch als ein Symbol, ein demonstratives Zeichen. „Wir hätten das Fahrzeug gerne auch gleich gekauft, aber das gibt es ja leider nur im Leasing-Verfahren – was auch wieder verständlich ist angesichts der hohen Kosten, die bei einem eventuell notwendig werdenden Ersatz des Lithium-Batteriepacks derzeit noch fällig werden“, berichtet Klotz. „Wenn sich die Technik so rasant weiterentwickelt, ändert sich das vielleicht bald“, ist der Transporteur überzeugt. Immerhin gab es einen Zuschuss des Bundesministeriums für Forschung und Technologie im Rahmen der Förderung alternativer Antriebsarten. Da das Gesamtgewicht des im Atego eingebauten Hybridsystems (Elektromotor, Batteriepack im Fahrzeug-Leiterrahmen samt Nebenaggregaten) insgesamt nur 350 kg beträgt, wird die tatsächlich zur Verfügung stehende Nutzlast nur wenig eingeschränkt – ein „gewichtiger“ Faktor im gewichtssensiblen Transportgeschäft. Und die bewiesene Zuverlässigkeit im oft harten Regional- und Stadtverkehr (Klotz: „ Wir hatten in der ganzen Zeit nicht einen einzigen Ausfall oder außerplanmäßigen Werkstattaufenthalt …“) gibt es quasi als Bonus obendrauf. Jürgen Hildebrandt Bernd Klotz, Inhaber der Spedition Klotz in Freiburg/Breisgau, sieht den Einsatz des Atego Hybrid-Lkw nicht nur als imagebildende Maßnahme, sondern auch als betriebswirtschaftlich sinnvolle InvestitionPraxistest MB Atego 1222 Hybrid: Spedition KlotzVierzylinder-Reihen-Dieselmotor, PD-Einspritzung, Turbo WGT, 3 Ventile/Zylinder, LLK, EEV mit SCR (Tank 25 l), Hubraum: 4801 cm³, Bosch-Generator NCB1; Leistung Diesel: 218 PS (160 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 810 Nm b. 1400-1600/min., Leistung E-Motor: 44 kW, Drehmom. E-Motor: 420 Nm; Batterien: 345 V, Lithium-Ionen, 1,9 kW/h, luftgekühltautomatisiertes Sechsgang-Schaltgetriebe Telligent, Antrieb auf HA, Übersetzung: i=4,3Verbrauch Testrunde (236 km): 16,7 l/100 km (Hybrid), 19,6 l/100 km (Diesel) Verbrauch Stadt (69,2 km): 22 l/100 km (Hybrid), 24,1 l/100 km (Diesel) inkl. Adblue-Verbrauch (ca. 1 l/100 km, entspr. 0,6 l Diesel)MB Atego Hybrid vs. Diesel„Wir arbeiten schon an der nächsten Generation Hybrid“Hybrid-Expertin Sabine Wiecha, bei MB Trucks Managerin für Lifecycle-Management, über die Fahrstrategie beim Hybrid-LKW, den Kompromiss aus Rollen und Rekuperieren und weitere Pläne.Welche ist die beste Hybrid-Fahrstrategie, etwa vor Ampeln?Sabine Wiecha: Die energieeffizienteste Fahrweise beim Heranfahren an die Ampel besteht darin, den Schub zielgerichtet auszunutzen, dadurch ohne Einsatz von (Batterie- oder Dieselmotor-)Energie zur Ampel zu rollen und somit quasi „nebenbei“ noch die Batterie über die Rekuperation nachzuladen. Anschließend sollte MSS möglichst lange genutzt werden.Warum hat der Atego Hybrid keine „Boostfunktion“ zur Leistungssteigerung?Wir haben ihn gezielt auf Effizienzsteigerung des Antriebs ausgelegt, nicht auf stärkere Gesamtleistung oder erhöhtes Maximalmoment. Durch Vermeidung der Boostfunktion ermöglichen wir maximales Einsparpotenzial im Hybrid- bzw. kombinierten Betrieb.Welchen Zweck verfolgt die integrierte Aufladefunktion im Leerlauf?Energetisch ist es deutlich effizienter, die Batterie nur durch den regulären Fahrbetrieb zu laden. Wir nutzen die angesprochene Funktion primär für unsere eigenen Produktions- und Serviceprozesse, wissen jedoch auch, dass einige Fahrer die Ladefunktion gezielt vor Rangiervorgängen einsetzen, um das als angenehm empfundene elektrische Rangieren zu nutzen. Warum gibt es keinen rein elektrischen Betrieb, anders als bei Volvo und Renault?Für das Fahren mit ausgeschaltetem Dieselmotor sind elektrifizierte Nebenantriebe (Lenkhelfpumpe, Druckluftkompressor, Nebenaggregate für den Aufbau etc.) erforderlich, die bisher im LKW nicht im Einsatz waren und somit noch nicht den Status der Serienreife erreicht haben. Dies hat Konsequenzen für die Zuverlässigkeit und die Kosten der Komponenten. Unser Fokus lag auf uneingeschränkter Serientauglichkeit des Atego Hybrid zu den derzeit niedrigst möglichen Kosten.Wie schwer war es, einen Kompromiss zwischen Rollen und Rekuperieren zu finden?Eine der größten Herausforderungen in der Weiterentwicklung unserer Prototypen zur Serienreife bestand in der Abstimmung der sogenannten Betriebsstrategie – also im Zusammenspiel aus Nutzung und Rekuperation der elektrischen Energie und des konventionellen Antriebsstrangs. Bei Auslegung des „HEV“-Roll hat uns auch die Erfahrung mit der „Eco-Roll“-Funktion im Fernverkehr geholfen.Und die nächsten Schritte?Um eine signifikante Marktdurchdringung mit Hybridantrieben zu erreichen, ist es erforderlich, die Mehrkosten zu reduzieren, sodass es auch wirtschaftlich attraktiv wird, einen Hybrid-LKW einzusetzen. Wir arbeiten an der nächsten Generation von Hybrid-Antrieben. Dabei untersuchen wir weitere Einsatzfelder, wie etwa unsere Hybrid-Studie für den Fernverkehr zeigte. Je nach Einsatzfeld wird es verschiedene Hybridsystemkonfigurationen geben, die sich unter anderem in der Batteriekapazität unterscheiden jrInterviewSabine Wiecha, MB TrucksMB Atego Hybrid vs. DieselFür Ökonomie und ÖkologieWas zu beweisen war: Der Atego Hybrid löst sein Verbrauchsversprechen in unserem Vergleich ein: Bis zu 15 Prozent weniger Spritkonsum sind durchaus drin, dank zusätzlicher Elektrounterstützung. Was tatsächlich ein Quantensprung in Sachen Effizienz ist. Der ist allerdings einstweilen mit über 20.000 Euro Aufpreis (wenn man ihn denn kaufen könnte) respektive hohen Leasingraten sowie niedrigerer Nutzlast teuer erkauft. Doch irgendwo muss man beginnen, wenn Technik aus der Zukunft Gegenwart werden soll. Denn klar ist: Ohne Technologien wie Hybrid sind größere Verbrauchseinsparungen nicht zu erreichen. Und die wird es brauchen, nicht nur, weil der Sprit immer teurer wird. Vor allem auch, weil die geplagte Umwelt ein Mehr an CO2 nicht mehr erträgt.Kontakt: johannes.reichel@springer.comJohannes Reichel RedakteurKommentar

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