Maßarbeit

MaßarbeitgefordertSeit dem Start der neuen Lenk- und Ruhezeiten müssen viele Möbelspediteure ihre Fahrten neu planen. Denn wenn die Packer auf den Möbelwagen warten müssen, wird es für den Kunden und das Fuhrunternehmen richtig teuer. Seit 11. April diesen Jahres ist für die über 30 Fahrer der Friedrich Kurz GmbH, Wetzlar, vieles anders. Spätestens nach zehn Stunden muss die Fahrt entsprechend der neuen Lenk- und Ruhezeitenverordnung unterbrochen werden; kleinere Grenzüberschreitungen, wie sie früher häufig an der Tagesordnung waren, sind seither nicht mehr möglich. „Der digitale Tacho lässt keinen Spielraum mehr“, sagt Geschäftsführer Markus Biniarz. Pech für die Kunden, welche die mittelständische Möbelspedition gerne zu Auslandszielen in Frankreich, Großbri-tannien oder der Schweiz schicken: So kann es vorkommen, dass Sie bisweilen zwischen vier bis fünf Stunden auf den LKW warten müssen. Was besonders dann ärgerlich ist, wenn Monteure oder anderes Personal extra für Aufbauarbeiten engagiert worden sind. „Wir versuchen, die Ankunftszeiten entsprechend den neuen gesetzlichen Vorgaben möglichst genau zu terminieren“, erläutert Biniarz. „Das klappt jedoch dann nicht, wenn der Fahrer durch Staus und andere unvorhergesehene Ereignisse auf-gehalten wird.“ Einziger Ausweg sind Ersatzfahrer, was jedoch mit den aktuel-len Preisen nicht möglich ist. Biniarz will deswegen mit seinen Auftraggebern über eine Erhöhung sprechen. „Ein Aufschlag zwischen fünf und zehn Prozent muss möglich sein“, hat er manchen Kunden schon mitgeteilt. Die reagierten nicht abweisend, schoben das Problem aber auf die lange Bank. Vorerst sollen die alten Preise mit großzügigeren Terminvorgaben aufrechterhalten werden. Gleiche Transportanzahl in kürzerer ZeitWie der Friedrich Kurz GmbH geht es vielen Möbelspeditionen. Digitaltacho und EU-Verordnung 561/2006 stellen eingefahrene Betriebsabläufe auf den Prüfstand. Weil in Zukunft nur noch neun Stunden Lenkzeit täglich möglich sind (die zweimal in der Woche auf zehn Stunden verlängert werden können), die maximalen Lenkzeiten in der Woche 56 Stunden betragen dürfen und jeder Verstoß für Kontrolleure sofort offensichtlich ist, müssen die Spediteure für die gleichen Transportmengen mehr Zeit einkalkulieren. Vorher hatte bereits das September 2006 in Kraft getretene Arbeitszeitgesetz die vorhandenen Spielräume stark eingeengt. Seitdem darf der Fahrer maximal 208 Stunden im Monat arbeiten. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt nach den neuen Regeln 48 Stunden und kann auf höchstens sechzig Stunden verlängert werden. Von den neuen Lenk- und Ruhezeiten ist jedoch nicht jede Möbelspedition betroffen. So laufen Unternehmen, die ausschließlich im Nahverkehr unterwegs sind, kaum Gefahr, dass ihre Fahrer die vorgeschriebenen Zeiten überschreiten. Auch für viele Umzugsspeditionen sind die Veränderungen kein Thema, zumal wenn sie für Privatkunden unterwegs sind. Weil in der Regel auch Packer und Träger von den Dienstleistern gestellt werden und im Fahrzeug mitfahren, kann das Entladen und Aufstellen der Möbel erst mit Zeitverzug beginnen. Allenfalls werden die Transporte teurer, wenn zusätzliche Übernachtungen in Rechnung gestellt werden müssen. Anders ist die Situation bei gewerblichen Umzügen und Neumöbeltransporten. Häufig bestehen diese Kunden auf fixen Terminen und haben für Aufbauarbeiten eigenes Personal engagiert. Im Gegensatz zu vielen Stückgut- und Teilladungsspezialisten sind Möbelspeditionen nur in geringem Maße in Netzwerken und Kooperationen organisiert – Begegnungs- und Stafettenverkehre sind deshalb keine Lösung. „Die Möbelspeditionen müssen mehr Fahrpersonal einsetzen, wenn künftig die gleichen Mengen in gleichen Zeiten transportiert werden sollen“, sagt Reinhard Müller, Geschäftsführer des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ) in Hattersheim. Klei- neren Betrieben steht mangels Personal nicht einmal diese Option zur Verfügung. Sie müssen in Tourenplanungssysteme investieren, wenn der Kunde auf punktgenaue Liefertermine besteht. „Wir konnten mit präzise kalkulierten Einsatzplänen die Verspätungen auf ein bis zwei Stunden begrenzen“, sagt Marco Koch, Disponent von Haberland Umzüge in Göttingen. Die fünf Fahrer der niedersächsischen Spedition sind in ganz Europa unterwegs. Mehrkosten von sechs ProzentZusätzliche Mitarbeiter verteuern die Dienstleistungen – der AMÖ spricht von wenigstens sechs Prozent Mehrkosten. Im Verteilerverkehr könnten die Ausgaben sogar um 30 Prozent steigen, wobei Lohnsteigerungen infolge des grassierenden Fahrermangels noch gar nicht berücksichtigt sind. Allerdings ist bisher kaum ein Unternehmen bekannt, das nennenswerte Preisanhebungen durchgesetzt hat. Das hat auch konjunkturelle Gründe. Nach einem florierenden Weihnachtsgeschäft verkauften Hersteller und Händler im Winter und Frühjahr wenig Möbel. Zudem finden die meisten Umzüge erst im Spätsommer und im Herbst statt. Viele Auftraggeber haben sich deshalb über die neue Situation noch gar nicht den Kopf zerbrochen, wie der Verband der Möbelindustrie (VMI) freimütig zugibt. Im Auftrag des Verbands suchen zwei Beratungsfirmen nach Lösungen für die Verlader. „Vor allem an der Rampe gibt es Verbesserungsbedarf“, mutmaßt Andreas Ruf, Qualitätsbeauftragter des VMI – wie andere Branchen fallen auch die Möbelhersteller mit ungeplanten Standzeiten auf. „Außerdem müssen die Touren planbar gemacht werden“, macht Ruf einen zweiten Schwachpunkt aus. Hier müssen die Hersteller mit den Händlern zusammenarbeiten, was bisher eher die Ausnahme und nicht die Regel war. ❙❚■ Stefan Bottler, freier Journalist Spagat: Die Lieferanten müssen die neuen Ruhezeiten einhalten und dabei dennoch pünktlich sein Umzugsspeditionen im Nahverkehr haben weniger Probleme die neuen Zeiten einzuhalten Für Manfred Weibrecht sind mit Inkrafttreten der neuen Lenk- und Ruhezeiten Spediteure wie Verlader in der Pflicht. „Die Spediteure müssen Fahrerpools bilden und Begegnungsverkehre organisieren“, sagt der Leiter des Servicezentrums von VS Möbel in Tauberbischofsheim. „Und die Verlader müssen die Standzeiten optimieren und Ladezeiten kalkulieren.“ Vor allem letztere können sich hinziehen: Bis zu einem Tag dauert die Beladung eines Containers mit Schul- oder Büromöbeln, weiß Weibrecht. „Wir können die Fahrer nicht zwei bis drei Stunden warten lassen.“ Auch die eigene – mit Preisen ausgezeichnete – Supply Chain stellt Weibrecht nochmals auf den Prüfstand. Mit den Spediteuren werden Gespräche über mögliche Verbesserungen geführt. Ein Thema sind auch Preiserhöhungen. „Drei bis fünf Prozent müssen reichen“, meint der VS-Möbel-Manager.

Maßarbeit

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