Künftig sauber in die Stadt

Der Diesel gerät weiter unter Druck. Nun könnte die "blaue Plakette" für ein faktisches Fahrverbot in Innenstädten sorgen - zumindest in lokal eng begrenzten Gebieten (siehe Kasten Seite 26). Noch ist aber nichts beschlossen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ist sogar strikt dagegen. Doch die blaue Plakette, auf die sich die Umweltministerkonferenz im April verständigt hat, wird offenbar wahrscheinlicher. So soll München Medienberichten zufolge schon jetzt Ausnahmeregelungen vorbereiten. Und eine Sprecherin der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat demnach mitgeteilt, dass sich das bayerische Kabinett noch vor der Sommerpause mit den daraus resultierenden Folgen beschäftigen wolle. Außerdem drängen Umweltorganisationen wie der Verkehrsclub (VCD) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf die Umsetzung der blauen Plakette - notfalls per Klage. So sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch gegenüber der FAZ: "Wir gehen fest davon aus, dass wir in absehbarer Zeit Fahrverbote in deutschen Großstädten erleben." Realistisch sei da das Jahr 2017. BVT: Leidtragende sind Kleinstbetriebe Kein Wunder, dass Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) sowie Speditionen alarmiert sind. Sie liefern täglich Päckchen, Pakete, Paletten und sogar Teilpartien in Innenstädte aus. Eine blaue Plakette, wie die Umweltminister von Bund und Ländern planen, würde sie empfindlich treffen - vor allem ihre vielen Tausend Zustell- und Nahverkehrsbetriebe, die im Auftrag der Unternehmen tätig sind. "Leidtragende der blauen Plakette sind da die Kleinsten der Kleinbetriebe", sorgt sich Dagmar Wäscher, Vorsitzende des Bundesverbandes der Transportunternehmen (BVT). "Problematisch wird es vor allem für Nahverkehrsbetriebe im Stückgutgeschäft. Sie setzen bisher wenig Euro-6-Fahrzeuge ein." KEP-Zusteller würden aufgrund ihrer hohen Fahrleistung meist Miet- oder Leasingmodelle nutzen, wo die Fahrzeuge nach drei Jahren ausgewechselt werden. "Die dürften sukzessive den Anforderungen der blauen Plakette entsprechen", glaubt Wäscher. "Wenn die Neuerungen kommen, müssen unsere Unterfrachtführer und unser Unternehmen natürlich entsprechende Investitionen leisten, etwa in Euro-6-Fahrzeuge", sagt Helmut Treffer, Geschäftsführer von Andreas Schmid Transport in Buchdorf. Sorgen macht ihm nur der potenziell höhere Dieselverbrauch solcher Motoren. "Das schlägt sich in Mehrkosten nieder. Und die müssen uns Kunden honorieren." Sorge, künftig zum Beispiel nicht mehr in Augsburg Sendungen zustellen zu können, hat Treffer nicht: "Unser Unternehmen bündelt im Nahverkehr heute schon, auch außerhalb der Kooperation IDS Logistik, mit anderen Unternehmen in der Zustellung Sendungen. "Wir haben so intelligente Lösungen gefunden, dass wir kein Problem in der Innenstadtbelieferung haben werden - selbst wenn die blaue Plakette kommt," ist der Geschäftsführer überzeugt. Bedingt massentaugliche Lösungen Professor Christoph Tripp von der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, Fakultät Betriebswirtschaft, ist da skeptischer. Er sieht gerade bei vielen Stückgutspeditionen noch Nachbesserungspotenzial, was konzeptionelle Lösungen in der Innenstadtlogistik angeht. Lediglich im Bereich alternative Antriebe würden die Firmen einiges tun. "In punkto urbaner Logistik sind KEP-Dienste sicher weiter als Speditionen", stellt er fest und verweist auf Lösungen von Paketdiensten wie UPS, DPD und Hermes. Beispielhaft ist laut Tripp auch das Mikro-Depot- und Lastenräder-Projekt, das GLS und DPD unter Leitung der Nürnberger Hochschule (Professor Ralf Bogdanski) in der Nürnberger Innenstadt und in einem Wohngebiet in Kürze testen wollen. "Alles das sind Leuchtturmprojekte", lobt der Logistikprofessor. Doch für das Massengeschäft seien solche Lösungen nicht ausreichend, sieht er Handlungsbedarf bei den Unternehmen. Ob beim Thema blaue Plakette künftig tatsächlich alles so heiß gegessen wird, wie es derzeit gekocht wird, bezweifelt man zum Beispiel beim Deutschen Städtetag: "Wir rechnen nicht damit, dass die blaue Plakette, wie sie jetzt von der Umweltministerkonferenz gefordert wird, noch in dieser Legislaturperiode kommt", sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Auch blaue Umweltzonen zunächst mit deutlich kleinerem Zuschnitt zu schaffen, dort aber Dieselfahrzeuge letztlich auszusperren, wie dies unlängst Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, vorgeschlagen hat, kann offenbar kurzfristig nicht gelingen. Denn dann dürfte man künftig ganz Berlin nur noch ohne Diesel und am besten mit Elektroautos befahren, heißt es beim Deutschen Städtetag. Auch bei kleinen Zonen oder der Sperrung von Einzelstraßen reiche es verkehrsplanerisch nicht aus, nur Durchfahrverbote im Sinne einer blauen Plakette zu definieren, sondern es müssten auch alternative Routen ermöglicht oder schadstoffarme Transportalternativen geschaffen werden. Sinnvoll sei im Übrigen laut dem Deutschen Städtetag sowieso ein Vorgehen nach dem Prinzip des Forderns und Förderns. Sprich: Wer künftig in bestimmte, heute schon zugangsbeschränkte Innenstadtbereiche fährt und entsprechende schadstoffreduzierte Fahrzeuge einsetzt, etwa Elektromobile, soll gefördert werden. Ein Vorschlag - ganz im Sinne der Betriebe. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Grüne Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Die blaue Plakette Im April 2016 hat sich die Umweltministerkonferenz auf die Einführung einer "Blauen Plakette" für Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß verständigt. Ziel ist es, hohe Belastungen mit Stickoxiden (NOx) in den Innenstädten zu reduzieren Möglicherweise dürfen künftig nurmehr Euro-6-Dieselmodelle und Elektrofahrzeuge in die Städte. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lehnt diese Pläne bisher ab. Umweltorganisationen wollen die Umsetzung aber auch per Klage durchsetzen. Ob und wann die blaue Plakette kommt und mit welchen Übergangsfristen für die Unternehmen, steht also bislang noch nicht fest. eh

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