Keine Dumpinglöhne

Faire Löhne – immer wieder ein Thema auch vor GerichtKeine Dumpinglöhne in DeutschlandLohndumping kann für den Arbeitgeber schwere Konsequenzen haben. Kürzlich hat das Bundes-arbeitsgericht den Grenzwert für Lohnwucher festgesetzt.Die Politik diskutiert über Mindestlöhne, immer mehr Beschäftigte sind von den Regelungen betroffen. Zuletzt wurden vom Arbeitsminister per Ministerialverordnung Mindestlöhne für Großwäschereien, Bergbauspezialarbeiten und die Abfallwirtschaft eingeführt. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille, wenn es um die Frage von Lohn-untergrenzen geht. Die Gerichte haben dem Lohndumping inzwischen ebenfalls einen Riegel vorgeschoben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat erst kürzlich den Grenzwert für Lohnwucher auf 2/3 des in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariﬂohns festgesetzt (Urteil vom 22.4.2009, Az.: 5 AZR 436/08). Und nicht zuletzt kann Lohnwucher sogar strafbar sein.Auch im Transportgewerbe wird wegen der immer geringeren Gewinnspannen gelegentlich die Untergrenze ausgereizt. Das Problem: Neben der Strafbarkeit von Lohnwucher wird in der Regel eine saftige Nachzahlung an den Arbeitnehmer fällig. Liegen die gezahlten Löhne unter der 2/3-Grenze, ist die Lohnvereinbarung nichtig und eine „angemessene Vergütung“ wird fällig. Für die „Angemessenheit“ hilft ein Blick in die örtlichen Tarifverträge, der Arbeitnehmer kann die Differenz zwischen der angemessenen Vergütung und dem gezahlten Lohn verlangen.Sind die Parteien eines Arbeitsvertrags tarifgebunden, wird die Lohnuntergrenze in diesen Betrieben durch die geltenden Tarifverträge festgelegt. Doch das waren nur etwa 57 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 41 Prozent in Ostdeutschland im Jahr 2006. Für den Rest gilt die 2/3-Grenze. In Nordrhein-Westfalen wird nach den Informationen des dortigen Tarifregisters beispielsweise für Tätigkeiten in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft beziehungsweise dem privaten Güterverkehrsgewerbe, die ohne Vorkenntnisse nach Anweisung oder Einweisung ausgeführt werden können, derzeit 9,51 Euro gezahlt, vom 1. Mai 2010 an sind es 9,75 Euro, für Kraftfahrer liegen die Werte derzeit je nach Führerscheinklasse zwischen 9,74 bis 10,62 Euro. Interessant ist auch der Blick über die Ländergrenzen: Nach einer Information der Hans-Böckler-Stiftung haben 20 von 27 EU-Ländern einen gesetzlichen Mindestlohn. In Westeuropa liegt die für alle Arbeitnehmer verbindliche Lohnuntergrenze meist über 8,40 Euro pro Stunde.Lohnwucher-Fälle vor GerichtAuf einem ganz anderen Blatt steht die Ausnutzung von Praktikanten: Auszubeuten und nicht auszubilden kann Lohnwucher sein. Sittenwidrig war laut BAG (Az.: 5 AZR 303/03) die Vergütung eines Lehrers an einer Privatschule, die ein Viertel unter dem Entgelt von Lehrern an staatlichen Schulen lag. Sittenwidrig ist nach jüngerer Rechtsprechung auch ein Stundenlohn von 5,20 Euro im Einzelhandel (LAG Hamm, Az.: 6 Sa 1284/08 und 1372/08) oder die Vergütung in Höhe von 1000 Euro brutto monatlich für KFZ-Mechatroniker (Arbeitsgericht Wuppertal, Az.: 7 Ca 1177/08). Die Entscheidung des BAG: Die Klägerin, eine Portugiesin, war seit 1992 in einem Hamburger Gartenbaubetrieb als ungelernte Hilfskraft zu einem Stundenlohn von zuletzt 3,25 Euro netto beschäftigt und arbeitete bis zu 352 Stunden monatlich. Sie hatte zusätzlich eine Wohnung auf dem Betriebsgelände und mehrere hundert Quadratmeter Gartenfläche zur Nutzung erhalten und musste keine Stromkosten zahlen. Mit ihrer Klage verlangte sie eine Nachzahlung von knapp 37.000 Euro für die Zeit von 1999 bis 2002 wegen Lohnwuchers und verwies auf die tarifliche Vergütung von 7,84 Euro brutto. Die Parteien waren nicht tarifgebunden. Das BAG stellte klar, dass auch unter Einbeziehung der Sachbezüge die gezahlte Stundenvergütung im Klagezeitraum weniger als 2/3 der tariflichen Stundenvergütung betrug und damit ein Lohnwucher vorliege. Die Gesamtumstände, insbesondere die gesetzwidrig hohen und zudem unregelmäßigen Arbeitszeiten, verdeutlichten die Ausbeutung der Klägerin. Die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs sei dabei unerheblich. Die BAG-Richter verwiesen die Klage an das Landesarbeitsgericht zurück. Dort ist jetzt aufzuklären, welcher Lohn in den Gartenbaubetrieben der Region üblich ist und ob die Beklagte vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen Kenntnis hatte. BAG schafft klare RegelungMit der Entscheidung setzt das BAG mitten in der Diskussion um Mindestarbeitslöhne eine Untergrenze für Lohndumping fest. Die Auswirkungen in der Praxis dürften enorm sein, denn damit gilt eine Grenze für jede Art der Entlohnung. Sie ist zwar variabel und abhängig von den regionalen Durchschnittseinkommen, doch die Grenze steht mit guten Argumenten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte schon vor einigen Jahren in einem Lohnwucher-Strafverfahren zu § 302a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB alte Fassung ein auffälliges Missverhältnis bei einem Lohn in Höhe von zwei Dritteln des in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelten Entgelts angenommen. (BGH, 22. April 1997, Az.: 1 StR 701/96).Lohnwucher kann unter den Voraussetzungen des § 291 StGB sogar strafbar sein. Zu der Voraussetzung „auffälliges Missverhältnis von Entgelt und erbrachter Arbeitsleistung“ muss dann Vorsatz hinzukommen. Im Arbeitsverhältnis wird – so die BAG-Richter – regelmäßig davon ausgegangen werden können, dass die einschlägigen Tariﬂöhne den Arbeitgebern bekannt sind; denn sie sind für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits für sie ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen. Als Grenze gilt auch im Strafrecht: Wenn die Vergütung mehr als ein Drittel unterhalb der verkehrsüblichen Vergütung liegt, besteht das Missverhältnis. Damit ist jetzt eine Grenze durch mehrere Gerichte manifestiert. Mit dem Grenzwert von 2/3 hat das BAG nun eine klare Regelung geschaffen, die eine praktische Handhabe in allen Fällen des Lohndumpings bietet, auch für das Transportgewerbe. ❙❚■ Tobias Sommer ist Rechtsanwalt in Berlin und berät zu den Themen Arbeits-, Marken-, Wettbewerbs- und Vertragsrecht.Kernaussagen aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur 2/3-Grenze bei Lohndumping: Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariﬂohns erreicht.Eine Üblichkeit der Tarifvergütung kann angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Maßgeblich ist der Vergleich mit der tariflichen Stunden- und Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.Die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers ist unerheblich.TippPraxistipp: Marktbeobachtung Eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht zu beanstandende Vergütung kann durch die Entwicklung des Tariflohns wucherisch werden. Aus diesem Grund sollte der Markt beobachtet werden, die betrieblichen Verhältnisse sollten regel-mäßig geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. som

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