Hoco fährt jetzt selbst

An Schlagzeilen über Fachkräftemangel und Frachtraumknappheit herrschte in den vergangenen Monaten kein Mangel. Weil viele Logistikunternehmen auf dem Arbeitsmarkt nicht ausreichend Fahrer finden, können sie nicht ausreichend Transportkapazitäten anbieten und müssen Verladeranfragen ablehnen. Solche Lücken rufen vermehrt Hersteller, Handwerker und Händler mit eigenen Fuhrparks auf den Plan, die den Einstieg in gewerbliche Güterkraftverkehre ernsthaft erwägen. Auch Hoco, ein holzverarbeitendes Unternehmen im niederbayerischen Eggenfelden, hat sich dazu entschieden, die Transporte wieder mit eigenen Fahrern und eigenen Lkw abzuwickeln. "Für uns ist der zuverlässige und pünktliche Warentransport die letzte Meile in puncto Kundenzufriedenheit", formuliert es Geschäftsführer Harald Meyer. "Deshalb haben wir den eigenen Fuhrpark als entscheidenden Wettbewerbsvorteil identifiziert und letztlich zum eigenständigen Profit Center Hoco Transport International ausgebaut." Heute hat das mittelständische Unternehmen elf Lkw-Züge. Zwei weitere sollen demnächst hinzukommen. Auf deutschlandweiten Touren liefern diese Fenster, Türen, Parkettböden und andere Hoco-Produkte an Handelskunden aus und übernehmen auf der Rückfahrt Produkte von Lieferanten oder Ladungen von Drittkunden. Grundsätzlich versteht sich Hoco nicht als Konkurrent der Speditionen, im Gegenteil. "Wir fangen mit unseren Fahrzeugen Transportspitzen ab", versichert Meyer. Mit "sehr kooperativen Speditionen" will das mittelständische Unternehmen Partnerschaften abschließen, die eine dauerhafte Auslastung von Rückfahrten der eigenen Lkw sicherstellen. Rechnung für Hoco geht auf Die ersten Gespräche über solche Lösungen wurden bereits geführt. So fand unlängst ein Workshop in den Geschäftsräumen von Acito Logistics in Weil am Rhein statt. Seit September fährt laut Geschäftsführer Ralf Albrecht jede Woche ein Hoco-Lkw auf dem Betriebshof des südbadischen Unternehmens vor. "Wir können noch nicht abschätzen, wie sich die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen entwickelt", äußert sich der Logistikunternehmer zurückhaltend über die weitere Entwicklung. Grundsätzlich ist er der Überzeugung, dass das traditionelle Spannungsverhältnis zwischen Dienstleistern auf der einen und Verladern auf der anderen Seite weiterhin existiert. Trotzdem kann die Rechnung von Hoco aufgehen. Wenn die rund ein Dutzend Fahrer des Herstellers auf Wochentouren unterwegs sind, fahren sie bis zu 25 Entladestellen an. Für die weitere Verteilung der Holzprodukte, die Hoco herstellt, werden regionale Logistikunternehmen eingesetzt. Auch Acito knüpfte so Geschäftsbeziehungen zu diesem niederbayerischen Unternehmen. Der Logistikdienstleister übernimmt die Verteilerverkehre in die benachbarte Schweiz und nach Italien. "Wir sind auf Speditionen als Partner angewiesen", betont Meyer. Mit diesen will das Unternehmen auch Rückfrachten organisieren. Wenn keine Lieferanten anzufahren sind, sollen die Hoco-Fahrer die Gebietsspeditionen aufsuchen. Von einem "Geben und Nehmen" spricht Meyer. Auf lange Sicht plant der Hersteller ein Transportnetzwerk für Holzbauelemente mit rund einem halben Dutzend Logistikpartnern. Ansonsten sind Rückfrachten aus allen Branchen willkommen. Derzeit übernehmen die Lkw-Züge von Hoco Sendungen unter anderem der Automotive- und Baubranche. Das Unternehmen spricht von Auslastungen bis zu 80 Prozent. Das Ziel, die eigenen Lkw-Verkehre zum Profitcenter zu entwickeln, hat sich als realistisch erwiesen. "Unsere Distributionslogistik trägt bereits jetzt zum Unternehmenswachstum bei", versichert Logistikchefin Eva Heller. Mit Telematik der neuesten Generation können die Rückfahrten über Lieferanten und Gebietsspeditionen kostengünstig organsiert werden. Die Telematik wurde während eines umfangreichen Modernisierungsprozesses eingekauft, den die hauseigene Logistik von Hoco 2017 durchlaufen hat. Meyer engagierte dafür die Münchener Unternehmensberatung Exxent Consulting, die sich auf Prozessoptimierungen für mittelständische Industrie- und Logistikunternehmen spezialisiert hat. "Der Hoco-Fuhrpark muss sich in puncto Leistung und Kosten jedem speditionellen Wettbewerber stellen", gab John Albert Eke, Geschäftsführer der Unternehmensberatung, als Ziel aus. "Wir sind dabei Schritt für Schritt vorgegangen." Hoco erhielt De-Minimis-Fördermittel Die Federführung hatte ein Projektteam, dem außer Eke Betriebsleiter Thomas Baumann und die heutige Logistikchefin Eva Heller, vormals war sie Versandleiterin, angehörten. Eine Status-quo-Analyse förderte schnell zutage, dass Fuhrpark, Lagerequipment und Logistikprozesse veraltet waren und gegenüber internationalen Speditionen und Logistikdienstleistern nicht bestehen konnten. Das Projektteam arbeitete ein Konzept mit konkreten Einzelmaßnahmen und einem klaren Zeitplan aus. Innerhalb von zwölf Monaten sollte das künftige Profitcenter seine Arbeit aufnehmen. Während dieser Zeit wurde in fünf neue Mercedes-Benz-Lkw mit Euro-6-Motoren investiert. Zwei weitere werden noch folgen. "Wir wollten mit einer Nachhaltigkeitsstrategie Green Logistics realisieren", betont Heller. Weil die Fahrzeuge den Förderkriterien des De-Minimis-Programms entsprachen, stellte Hoco beim Bundesamt für Güterverkehr BAG einen Antrag auf Beihilfen. Dabei half der Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmer LBT, dem die niederbayerische Firma angehört. "Als Anbieter von gewerblichen Güterkraftverkehren erfüllt Hoco die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft", sagt LBT-Geschäftsführer Sebastian Lechner. Allenfalls eine Handvoll Verlader gehört dem Verband an, die weitaus meisten kommen laut Lechner aus der Baubranche. Herzstück ist der Transportleitstand Außerdem investierte Hoco in neue Hebebühnen, Mitnahmestapler sowie Ladungsträger und gestaltete die Lagerflächen auf dem betriebseigenen Gelände um. Für jedes PLZ-Gebiet in Deutschland gibt es eigene Stellplätze. Das Herzstück des Erneuerungsprozesses war jedoch ein hochmoderner Transportleitstand, der zum 1. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Zusätzlich kaufte Hoco das Transportmanagementsystem (TMS) Komalog, Smartphones für alle Fahrer, Telematik-Module von Fleetboard und die Mobile-Tracking-App von EuroLog ein. "Wir setzen jetzt alle Aufträge digital um", betont Heller. Von der Tourenplanung über die Empfangsbestätigung des Kunden auf dem Fahrer- Smartphone des Fahrers bis zur Auftragsabrechnung in der Finanzbuchhaltung erfolgt jeder Vorgang papierlos. Weiter investierte Hoco in das eigene Personal. Die 30 Fahrer und Lagermitarbeiter wurden für die neuen Lkw und Technologie umfangreich geschult. "Wir mussten zeitgleich einen Rückstand aufholen und neue Qualifikationen umsetzen", bringt Heller die Herausforderung auf den Punkt. "Vor allem für die Fahrer war die Umstellung auf digitale Arbeitsplätze in den Kabinen der neuen Lkw groß." Gleichzeitig durften sie eine neue Kollegin begrüßen. Seit Kurzem sitzt bei Hoco die erste Frau "auf dem Bock". Ein langjähriger Fahrer hatte gefragt, ob auch seine Frau für Hoco fahren könne. Die hatte zwar einen Lkw-Führerschein, arbeitete aber bislang in einem anderen Firmenbereich. Nach kurzer Probezeit steuert sie nun ihren eigenen Lkw. "Unsere Kollegin hat sich in der klassischen Männerdomäne durchgesetzt und kommt trotz anfänglicher Skepsis sehr gut bei unseren Kunden an", freut sich Heller. Auch LBT-Chef Lechner findet diese Personalie bemerkenswert. Wenn Mitarbeiter ihre Familienangehörigen für schwierige Jobs empfehlen, stimmt nach Meinung des Verbandsgeschäftsführers offenbar das Betriebsklima. "Jedes Jahr fallen derzeit weit über 20.000 Stellen für Berufskraftfahrer in Deutschland weg", sagt Lechner. "Hoco zeigt, dass es Wege gibt, sich dem Fachkräftemangel entgegenzustellen und das Berufsbild wieder attraktiv zu machen." Auch die bislang freien Stellen für die Lkw, die den Fuhrpark ergänzen werden, sind bereits vergeben. Hoco engagierte zwei jüngere Berufskraftfahrer aus der Region. "Der gute Ruf, den das Unternehmen für seine sozialen Arbeitsbedingungen genießt, zahlt sich aus", freut sich Heller. Mehr zum Thema im Dossier Werkverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Anstelle von Outsourcing gezieltes Insourcing der LkwHinter dem Namen Hoco verbergen sich zwei Unternehmen - Hoco Fenster und Haustüren sowie Hoco Leisten und Parkett: Beide Schwesterunternehmen machen mit insgesamt 500 Mitarbeitern rund 35 Millionen Euro Umsatz. Vor 2017 arbeiteten beide mit unterschiedlichen Logistikkonzepten. Hoco Fenster und Haustüren organisierte Anlieferungen und Distribution mit Werkverkehren, Hoco Leisten und Parkett setzte dafür Dienstleister ein."Ein einheitliches Konzept war also naheliegend, zumal sich beide Unternehmen das Betriebsgelände teilen", sagt John Eke, Geschäftsführer von Exxent Consulting. Zudem war vor der Logistik auch der Einkauf beider Unternehmen bereits zusammengelegt worden. Auch das sprach für einheitliche Transport- und Lagerlösungen und damit für die neue Unternehmenseinheit Hoco Transport International HTI, die für beide Hersteller fährt.Mit dem Konzept, das die Exxent-Berater mit dem Hoco-Management entwickelt haben, konnten laut Eke insgesamt Einsparungen in Höhe von einer Million Euro realisiert werden. Voraussetzung waren ein Ausbau der Flotte von bislang elf Zügen um weitere zwei, eine durchgehende Digitalisierung und Modernisierung der gesamten Betriebslogistik und ein Konzept für Rückfrachten: Die Lkw-Züge sollten mit einer Auslastung von möglichst 80 Prozent die Rückfahrt antreten. In einem wettbewerbsintensiven Markt mit vergleichsweise schmalen Margen sah das Hoco-Management die Chance, mit der neuen Unternehmenseinheit zusätzliche Umsätze und Gewinne einzufahren.Ein Outsourcing der Logistik von Hoco Fenster und Haustüren, das die Exxent-Berater ebenfalls durchgerechnet hatten, wurde verworfen. Gegen eine solche Maßnahmen sprach das besondere Ladeequipment, das für Fenster und Türen erforderlich ist und das nur wenige Speditionen anbieten. Ein weiterer Grund waren die langjährige Betriebszugehörigkeit vieler Hoco-Fahrer und ihr Know-how im Umgang mit den Produkten ihres Arbeitgebers. "Mit der neuen Unternehmenseinheit kann unser Kunde auch Kosten an anderer Stelle sparen, etwa für Anlieferverkehre ", sagt Eke. bot