Gummi geben

Die neuen Dunlops sollen vor allem in Sachen Laufleistung punktenGummi gebenNach der Reifenmesse in Essen präsentierten etliche Hersteller neue Nutzfahrzeugreifen. Man muss sich allerdings im Klaren sein, ob man Sprit sparen oder sehr viel Laufleistung möchte. Als John Boyd Dunlop 1888 sah, wie schwer sein Sohn auf dem Dreirad vorankam, umwickelte er kurzerhand Räder mit Gummistreifen. Die klebte er zusammen und blies sie mit dem Oberteil einer Babyflasche als Ventil auf: Damit war der Luftreifen geboren. Exakt 120 Jahre später präsentiert die Goodyear-Tochter die neueste Lenkachs- und Antriebsreifengeneration SP 344 und SP 444. Die ersetzen gleich mehrere Vorgänger im Regional- und Fernverkehr und sollen vor allem über die Laufleistung punkten, die Dunlop gegenüber den Vorgängern SP 341 und SP 442 um rund zwanzig Prozent erhöht haben will. Hohe Laufleistung bedeutet gleichzeitig eine eher robuste Mischung und keine Rekorde in Sachen Verbrauch. Hier überlässt man das Feld dem momentan Maßstäbe setzenden und rund fünf Prozent teureren Goodyear Marathon LHD und LHS, die gegen Michelin antreten, während man Dunlop gegen Bridgestone ins Feld schickt. Auch Dunlop schneidet jetzt dreidimensionale Waffellamellen in seine Profile, was Stabilität und gute Nasseigenschaften vereinen soll. Außerdem verbesserte man die Karkasse und den Gürtel. In puncto Nachschneiden vertritt man eine Position zwischen Conti und Michelin, die lautet: Drei Leben einer Karkasse sind grundsätzlich möglich, aber nur wenn Nachschnitt und Runderneuerung perfekt ausgeführt werden. "Vor allem beim Nachschneiden kann man die Karkasse ganz schnell zerstören", weiß Goodyear-Süd-Verkaufsleiter Stephan Domes. Hier zählt auch ein starker Unterbau, den Dunlop jetzt verstärkt hat. Eher dünnhäutig, dafür aber auch leichter baut da Conti. Deshalb können es sich die Hannoveraner leisten, ihre Neuentwicklungen tendenziell eher mit mehr Material "anzufetten". So geschehen auch beim neuen Trailerreifen HTR 2. Nach den neuen Baustellenreifen der Einser-Serie zünden die Hannoveraner am Fernverkehrstrailer jetzt schon Stufe Zwei, den man als Vorläufer einer völlig neuen LKW-Reifen-Generation versteht. Bei dessen Entwicklung lag der Fokus auf möglichst niedrigen Fahrgesamtkosten, die sich aus hoher Laufleistung, Kraftstoffersparnis und Runderneuerungsfähigkeit ergeben."Die wenigsten wissen, dass gerade die Trailerreifen für rund 55 Prozent des Rollwiderstands beim Sattelzug verantwortlich sind. Genau hier haben wir bei der Entwicklung angesetzt", erklärt Bernd Korte, Direktor der Conti-Produktentwicklung LKW. Ergebnis soll ein um fünf Prozent verringerter Rollwiderstandswert sein, woraus die Hannoveraner den klassenbesten Verbrauchswert versprechen. Auch beim HTR gaben die Hannoveraner wieder Gummi: Eine neue Laufflächen-Kontur mit mehr Material sollen mit 17 Millimetern plus an Profiltiefe für gleichmäßigen Abrieb und eine längere Laufleistung sorgen.Auch in das Innenleben des Reifens flossen Verbesserungen. "Air-Keep" heißt die neue Technologie, die den Reifendruck um bis zu 50 Prozent länger auf optimalem Niveau halten soll, was sich auch positiv auf die spätere Runderneuerungsfähigkeit auswirkt: "Je mehr Luft durch die Reifenwände diffundiert, desto spröder wird das Material", weiß Reifenprofi Bernd Korte. Ebenfalls negativ wirkt sich Kontakt mit spitzen Steinen und scharfen Bordsteinkanten aus, denen gerade Trailerreifen häufig ausgeliefert sind. Dass solche Kontakte nicht zu plötzlichem Luftverlust führen oder die Reifenstruktur beschädigen, dafür soll eine verstärkte Stahlgürtelkonstruktion mit steiferen Triangellagern sorgen. Vorerst gibt es den HTR2 allerdings nur in der Größe 385/65 R 22,5. Andere Formate sollen jedoch in Kürze folgen, sodass Continental für die Reifenzukunft gut gerüstet zu sein scheint.Kontrolle ist gut, Überwachung besser"Im Schnitt läuft jeder LKW-Reifen mit einem Minderdruck von zwölf Prozent", erklärt Conti-Mann Jörg Lehmann die Ergebnisse seiner Studien. Das führe zu zusätzlichen Dieselkosten von rund 700 Euro im Jahr pro LKW. Abhilfe kann ab 2010 das intelligente Reifenüberwachungssystem von Continental schaffen. Ein kleines Modul in jedem Reifen sendet permanent Reifendruck und Temperatur auf ein Display im Fahrerhaus. Sobald die Werte für einen Reifen nicht mehr im Soll sind, wird der Fahrer gewarnt. Das System soll einfach nachrüstbar und mit allen Reifenfabrikaten kompatibel sein. Auch Michelin hat beim XTE 2+ Karkasse und Laufeigenschaften verbessert. Zum interessanten Thema mausert sich aber aktuell die "Trailer-Susi-Dimension" 445/45R22.5, die laut Michelin 96 bis 100 Kubik Ladevolumen ermöglichen soll und bei den Trailerherstellern auf verstärktes Interesse stößt. Dem setzt Goodyear den Marathon LHT 455/40R22.5 entgegen, der gegenüber dem fülligen Franzosen rein rechnerisch 36,5 Millimeter zusätzliche Höhe bringt.Das alles ist vorerst kein Thema für Aeolus bei Kögel oder Athos bei Schmitz: Der bis vor Kurzem überhitzte Markt half den günstigen Einfachmischungen und -profilen der Chinesen bei Europas Trailerherstellern auf die Sprünge wie einst John Boyd Dunlop seinem Sohn. Ob sie langfristig in Fahrt kommen, wird der Markt entscheiden. ❙❚■ Jan Burgdorf, Gregor Soller

Gummi geben

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