Große Worte,

Würdige Kulisse für einen Weltkongress: Die Bühne der IRU-Veranstaltung mit Michail Gorbatschow, ehemaliger Präsident der Sowjetunion Große Worte, ungewisse TatenWas kann ein Weltkongress für den Transport bewirken? Beobachtungen und Hintergründe zum 31. IRU-Weltkongress in Istanbul, der zwar hochkarätig besetzt war, aber wenig handfeste Ergebnisse lieferte.Ohne Frage, die Kulisse im Istanbuler Congress Center war eines Weltkongresses würdig. Die im tiefen Blau hinterlegte Bühne wurde überzogen von einer Hängebrücke. Die spannte nicht nur den Bogen zwischen beiden Rednerpulten, sondern war zudem Symbol für das Wahrzeichen Istanbuls, die Brücke über den Bosporus.Aber nicht nur die Kulisse war so, wie man sich einen Weltkongress vorstellte. Auch die Redner waren von hohem politischem Rang: in vorderster Reihe Michail Gorbatschow, der ehemalige Präsident der Sowjetunion (s. Interview VR 22, Seite 18), und Abdullah Gül, Präsident der Türkei. In der IRU dominieren die OsteuropäerAllerdings, zum Thema Transport sagten beide nur wenig Brauchbares. Ein generelles Manko des Kongresses der International Road Transport Union (IRU): Da globale Themen im Vordergrund standen, wurde entsprechend global diskutiert. Die Substanz blieb dabei allzu oft auf der Strecke, weshalb bei manchen Foren die Kongresshalle nicht mal zur Hälfte gefüllt war. Aus westeuropäischer Sicht war dieses Manko besonders eklatant. Das mag damit zusammenhängen, dass die westeuropäischen Verbände in den Führungsgremien der IRU kaum eine Rolle spielen. Ein möglicher Grund: Eine wichtige Einnahmequelle der IRU sind die Carnet TIR, für die die IRU bürgt. Die meisten Carnets werden von den ost- und südosteuropäischen Verbänden und ihren Unternehmen eingesetzt – an der Spitze die Türkei. Getreu dem Motto "wer bezahlt, bestimmt wo es langgeht" legt die IRU den Schwerpunkt ihrer Themen auf Probleme in (Süd-)Osteuropa.Das Manko eines WeltkongressesWährend also viele Themen oberflächlich behandelt wurden, bildete die Debatte zur Seidenstraße eine Ausnahme. Eine Aufwertung erfuhr das Thema durch eine Erklärung, an deren Erarbeitung auf dem IRU-Kongress sich die Vertreter von 24 Staaten beteiligt haben (s. Kasten rechts). Darin verpflichten sich die Länder, Lücken im Straßennetz der Seidenstraße zu schließen und die Grenzübertritte zu erleichtern. Aber auch in dieser Resolution wird das Manko eines solchen Weltkongresses deutlich: Die Einigung erfolgt auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. So wird in dem Papier nicht festgehalten, welches Land wo wie viel Geld bis wann investiert. Hinter der Seidenstraße verbirgt sich keine einzelne Route, vielmehr gibt es eine Reihe von Varianten. Innerhalb des Projektes NELTI (New Euroasian Land Transport Initiative), das die IRU vorantreibt, werden zum Beispiel drei Routen genannt. Von diesen Hauptmagistralen fließen dann noch zahlreiche Seitenarme ab.Bei der Seidenstraße geht es nicht darum, dass LKW-Karawanen als Konkurrenz zum Meeresweg in Erscheinung treten. Trotzdem ist dieser Vergleich reizvoll, weshalb die IRU dazu auch Zahlen aus einer zwei Jahre alten Studie liefert. Darin werden die Kosten und die Zeit für den Transport eines Containers auf der Route China–Westeu-ropa per Schiff, Bahn und LKW verglichen. Bei den Frachtraten pro Box ist erwartungsgemäß die Ozean-Variante nicht zu schlagen: 3000 Dollar stehen 11.000 per LKW und 7500 per Bahn gegenüber. In Sachen Schnelligkeit hängt jedoch der LKW (19 Tage) das Schiff (28 Tage) und die Bahn (36 Tage) ab. Allerdings sind diese Zahlen mit großer Vorsicht zu genießen, da Preise und Laufzeit von vielen Faktoren beeinflusst werden. Deshalb sind die Angaben auch nur als grobe Richtschnur zu verstehen.Bei der Wiederbelebung der Seidenstraße sind also durchgehende Transporte per LKW von nachrangiger Bedeutung. "Wo Straßen gebaut werden, siedeln sich Menschen an, kommt es zu wirtschaftlicher Aktivität und damit zu Wohlstand", sagt Barry Cable, zuständiger Leiter Transport bei der United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (UNESCAP) in Bangkok. Er verweist darauf, dass entlang der geplanten asiatischen Autobahnen zwölf Staaten keinen Seezugang haben und nicht direkt von dem Boom in der Containerschifffahrt profitieren können.Daher unterstützt die IRU die Belebung der Seidenstraße mit zahlreichen Bemühungen. "Viele Seehäfen sind schon heute überlastet. Die Seidenstraße ist daher eine Alternative, um den Menschen Wohlstand und Frieden zu bringen", sagt Martin Marmy, Generalsekretär der IRU. Große Worte, denen Taten folgen sollen. Spätestens 2009, wenn die IRU in Kasachstan eine Konferenz zur Seidenstraße veranstaltet. Deren Titel lautet: "Die Wiedereröffnung der Seidenstraße: Von der Vision zur Realität". ❙❚■ Michael Cordes

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