Genau hingucken

Über mehrere Jahre wurde innerhalb der EU über das Mobilitätspaket und damit auch über die neuen Lenk- und Ruhezeiten debattiert. Die Westeuropäer hatten sich das Ziel gesetzt, den wochen- und monatelangen Aufenthalt osteuropäischer Fahrer in Westeuropa unter zum Teil widrigen Bedingungen einen Riegel vorzuschieben. Die Osteuropäer hingegen befürchteten, dass dieses Argument nur vorgeschoben sei und die Westeuropäer mit strengeren Regeln den wirtschaftlichen Vorteil der osteuropäischen Frächter eindämmen wollen. Arbeitgeber steht in der Pflicht So erklärt sich, dass die neuen Regelungen bei den Lenk- und Ruhezeiten sich vor allem auf den grenzüberschreitenden Verkehr beziehen. Eine wichtige Änderung betrifft die Rückkehr der Fahrer zur Betriebsstätte beziehungsweise zum Wohnsitz des Fahrers nach einer vierwöchigen Fahrt, geregelt in Artikel 8 der Verordnung 561/2006. In einem Online-Seminar der VerkehrsRundschau wies Olaf Horwarth, zertifizierter Trainer und Berater sowie Buchautor, darauf hin, dass der Fahrer den Unternehmer nicht von der Möglichkeit zur Rückkehr befreien kann. "Denn der Arbeitgeber hat von dem Gesetz her die Pflicht, die Abläufe so zu organisieren, dass der Fahrer zurückkehren kann", sagte Horwarth. Doch die Betonung liege auf "kann": Wenn sich beispielsweise der Fahrer aus Rumänien dazu entscheidet, seine wöchentliche Ruhezeit am Bodensee zu verbringen, dann darf er das und muss das Angebot nicht wahrnehmen. "Im Einzelfall kann der Fahrer auf die Rückkehr verzichten. Aber der Arbeitgeber sollte dokumentieren, dass er dem Fahrer das Angebot gemacht und dieser darauf verzichtet hat", erklärt Horwarth. Horwarth ging in dem Seminar auch auf die Umrüstpflicht auf den Smart Tacho Version 2 ein. Der soll den Smart Tacho 1 ablösen, der zum 15. Juni 2019 eingeführt wurde. Hintergrund: Mit dem Smart Tacho 2 ist es möglich, verschiedene neue Regelungen wie beispielsweise die zur Kabotage oder zum grenzüberschreitenden Verkehr zu überwachen. Der neue Smart Tacho 2 kommt Nun gibt es aber unterschiedliche Behauptungen dazu, wann welches Fahrzeug mit welchem Tacho zur Umrüstung verpflichtet ist. Generell gilt: Für Fahrzeuge, die nur in dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung unterwegs sind, sind die neuen Tachografen keine Pflicht. Im grenzüberschreitenden Verkehr hingegen müssen mit Beginn des Jahres 2025 folgende Fahrzeuge umgerüstet sein: Fahrzeuge, die mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, sowie Fahrzeuge mit einem digitalen Fahrtenschreiber, "also alle Fahrzeuge mit einem Tacho, der vor dem Smart Tacho der ersten Generation verbaut wurde", so Horwarth. Aber auch Fahrzeuge, die international unterwegs und mit dem Smart Tacho der ersten Generation ausgerüstet sind, müssen dieses Gerät austauschen. Aber sie haben dafür ein Jahr mehr Zeit. Neue, erstmals zugelassene Fahrzeuge müssen ab dem 21. August 2023 mit dem neuen Smart Tacho Version 2 ausgestattet sein. Horwarth wies darauf hin, dass Käufer, die ihr Fahrzeug vorher bestellen, unbedingt das Zulassungsdatum im Auge behalten sollten. Denn wie beim Smart Tacho 1 geht er davon aus, dass auch der Smart Tacho 2 erst unmittelbar vor dem 21. August 2023 verfügbar ist. Wird also beispielsweise das Fahrzeug acht Wochen vorher bestellt, kann es sein, dass mangels Verfügbarkeit der alte Tacho eingebaut wird, die Auslieferung des Autos aber erst nach dem 21. August erfolgt. Dann müsste der Tacho ausgetauscht werden, weil das Fahrzeug erst nach dem Stichtag angemeldet werden kann. Ebenfalls über einen Smart Tacho Version 2 müssen leichte Nutzfahrzeuge verfügen, und zwar bereits ab 2,5 Tonnen. Die Pflicht gilt ab dem 1. Juli 2026, und zwar für neue wie auch für alte Fahrzeuge, sofern sie im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden. Statement Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und LogistikRechtsanwalt Detlev Neufang, Geschäftsführer des (BWVL) Die Stellschrauben des Mobilitätspakets MP 1 waren auch an den Sozialvorschriften im Straßenverkehr angesetzt worden. Ziel hierbei war auch die Verbesserung der Rechtsstellung und der Lebenssituation des oft monatelang fern der Heimat agierenden Lkw-Fahrpersonals. Die Änderungen der Verordnung (EG) 561/2006 (Lenk- und Ruhezeiten) sind indessen nicht durchweg eindeutig und klar gefasst. So ist unter anderem in Artikel 8 ein Absatz eingefügt worden, wonach Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so zu planen haben, dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb eines Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren. Das ist auch in der Fachpresse teilweise als Rückkehrpflicht der Fahrer aufgefasst worden. Dies kann der am 20. August 2020 bereits in Kraft getretenen Änderung allerdings nicht entnommen werden. Es besteht lediglich die Verpflichtung des Unternehmers/Arbeitgebers, die Touren so zu planen, dass Fahrerin oder Fahrer, die ihren regelmäßigen Wohnsitz im Ausland unterhalten, eine Rückkehr dorthin möglich wäre. Sie sind allerdings nicht gezwungen, dorthin zu reisen. Auch der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine derartige Anreise zu organisieren oder durchzusetzen. Vielmehr beruht diese auf einer freiwilligen Entscheidung des Fahrers. Ausländische Fuhrunternehmen geben ihren Fahrern teilweise mehrsprachige Dokumente mit, in der die Fahrer unter Bezugnahme auf die neue Rechtslage erklären, dass sie auf einen Anspruch auf Rückkehr zum Ort der Betriebsstätte oder zum Wohnsitz ausdrücklich verzichten. Zumindest in Deutschland werden derartige Erklärungen derzeit akzeptiert. Und das ist durchaus gut so. Denn es verträgt sich nicht mit Grundprinzipien eines freiheitlichen Gemeinwesens, seine Bürger zu bestimmten Reisen zu zwingen, die auf freiwilliger Basis nicht unternommen würden. Dies gilt zumal in Zeiten von Corona, in denen von nicht unbedingt notwendigen Reisen von der Politik stets abgeraten wird. Die Verordnungsänderung manifestiert die Wunschvorstellung der EU-Gesetzgeber, aber sie bleibt ein stumpfes Schwert. Der BWVL ist einer der führenden Unternehmensfachverbände für Transport und Logistik. Mehr Infos unter: www.bwvl.de In Kürze Das im Sommer vergangenen Jahres verabschiedete Mobilitätspaket der EU hält die Transportbranche auf Trab: Denn es beinhaltet zahlreiche gesetzliche Änderungen. Dazu gehören neue Lenk- und Ruhezeiten gerade im grenzüberschreitenden Verkehr und auch der Einbau eines neuen Tachografen. Online EU-Mobilitätspaket Das EU-Mobilitätspaket umfasst zahlreiche Regelungen, von denen viele erst in den kommenden Jahren in Kraft treten. Auf unserem Profiportal VR Plus - kostenlos für alle Abonnenten - gibt es Management-Kurse und eine Vielzahl von Dokumenten, mit denen Sie den Überblick behalten. www.verkehrsrundschau.de/plus/mobilitaetspaket

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