Flughafen Berlin Brandenburg

Flughafen Berlin BrandenburgVerpasste PunktlandungEs ist ein logistisches Jahr-hundertprojekt: die Umsiedlung des Flughafens Tegel nach Schönefeld zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg. Letzte Woche nun der Schock: die Eröffnung des Airports verschiebt sich – und damit auch der Umzug.Das ist selbst für uns Neuland“, sagt Steffen Kühn und lacht. Der Geschäftsführer des Systemdienstleisters Scholpp aus Chemnitz hat schon einiges gesehen. Das Unternehmen ist auf schwierige Großtransporte spezialisiert und hat schon alles befördert – von der kompletten Fabrik bis zum russischen Space Shuttle. In diesem Sommer allerdings erwartet Geschäftsführer Kühn eine Premiere: den Umzug der Berliner Airports Tegel und Schönefeld an den neuen Standort in Brandenburg. „Einen Flughafen hatten wir noch nie“, sagt er, „wir rechnen mit rund 270 LKW-Transporten – in einer Nacht.“„Das ist schon eine Katastrophe“Wann das Megaprojekt steigt, ist allerdings unklarer denn je. Denn der Umzug ist ins Stocken geraten: Ursprünglich war die Verlagerung für die Nacht vom 2. auf den 3. Juni geplant, am 8. Mai jedoch blies die Flughafengesellschaft Brandenburg das Projekt überraschend ab. Die Gebäude am neuen Standort erfüllten nicht die Brandschutzbestimmungen, so die Begründung. Derzeit ist ein Termin im August angepeilt, die geplante logistische Punktlandung wird also einige Verspätung haben.Für die Logistikdienstleister war der erneute Aufschub ein Schock. „Das ist schon eine Katastrophe“, gibt ein fassungsloser Spediteur hinter vorgehaltener Hand zu. Offen über mögliche Verluste sprechen will aber niemand, denn das würde bedeuten, den lukrativen Großauftrag zu gefährden. Vermutlich wird es so laufen: Einige Dienstleister haben sich vertraglich abgesichert und werden die Mehrkosten gegenüber dem Flughafen geltend machen können, andere müssen die Verzögerung wohl oder übel aus der eigenen Tasche finanzieren. Bei aller berechtigten Empörung – eine große Überraschung war der Aufschub nicht. Projekte von solchen Dimensionen haben häufig mit Problemen zu kämpfen, auch in der Logistik. Beim Umzug des Airports in Bangkok beispielsweise gab es Probleme mit Zurrmaterialien: Die Spanngurte waren bei der ersten Fuhre liegen geblieben, daraufhin geriet die ganze Transportkette ins Stocken und Abfertigungsgeräte kamen nicht rechtzeitig am neuen Standort an. Operation am offenen HerzenUm solche Pannen zu vermeiden, hat der Flughafen Brandenburg erfahrene Profis mit der Organisation betraut – Roland Böhm und Alexander Larisch. Die Experten arbeiten beim Flughafen München und waren schon an rund 20 solcher Verlagerungen weltweit beteiligt. Sie müssen ein echtes Jahrhundertprojekt stemmen. Die Umsiedlung des Hauptstadt-Airports übersteigt vom Volumen her sogar den Umzug des Bundestags im Jahr 1999. Es gilt, 2800 LKW-Ladungen zu bewegen, achtzig Gebäude und Hunderte von Büroräumen erst aus- und dann wieder einzuräumen. Hinzu kommt ein erheblicher Zeitdruck: Kurz nachdem die letzte Maschine vom alten Flughafen Tegel abgeflogen ist, muss ein gigantischer Konvoi sofort Richtung Brandenburg losrollen. Um für ihn Platz zu schaffen, soll die Berliner Stadtautobahn an einem Samstagabend zwischen 22 Uhr und drei Uhr morgens in eine Richtung gesperrt werden. Eile ist geboten, schließlich muss bis Sonntagnachmittag, traditionell die Spitzenzeit am Flughafen, alles ausgeladen und betriebsbereit sein – eine logistische Operation am offenen Herzen. Natürlich zieht nicht der gesamte Airport wirklich über Nacht um. Alles, was für den täglichen Betrieb nicht unbedingt nötig ist, wird schon seit einigen Monaten aus der Hauptstadt zum 35 Kilometer entfernten Neustandort gebracht. Kopierer, Akten und Schreibtische ziehen bereits um, in der Summe werden rund 2000 LKW-Ladungen nach Brandenburg gerollt sein, bevor der entscheidende Stichtag kommt. Ein Großteil der Transporte hat schon im März und April stattgefunden.In der Nacht der Nächte selbst wird nur das bewegt, was wirklich noch bis zur letzten Landung gebraucht wird. Das sind vor allem die Gerätschaften auf dem Vorfeld, die der Abfertigungsgesellschaft GlobeGround gehören: Flugzeugschlepper, Treppen zum Ein- und Aussteigen sowie Gepäckwagen und die gesamte technische Ausrüstung. Auf die Beförderung dieser sperrigen Ladungen, von denen viele per Tieflader reisen müssen, hat sich der Speditionsdienstleister Scholpp intensiv vorbereitet: Jeder einzelne Transport wurde minutiös durchgeplant, von der Verpackung über die Sicherung bis zur Entladung. Von den Treppen baute man sogar Holzmodelle und transportierte sie zur Probe über die geplante Strecke. „Mit den Dummy-Load-Tests stellen wir sicher, dass es später keine Probleme an Brücken gibt“, berichtet Geschäftsführer Kühn. Darüber hinaus hat Scholpp die Ladungssicherung bis ins letzte Detail genau vorbereitet: Für die Gepäckwagen zum Beispiel wurden eigens Holzgestelle angefertigt, mit denen sich die Trolleys stapeln lassen und die verhindern, dass sie im LKW wegrollen. Für Störungen aller Art gerüstetDie schwerste Ladung stellen die Flugzeugschlepper dar, die sogenannten Pusher. Die Motoren der 70-Tonnen-Giganten sind darauf ausgelegt, einen Jet einige Hundert Meter weit zu ziehen. Doch der Umzugskonvoi bewegt sich mit 60 Kilometern pro Stunde – zu schnell für die Pusher. Sie müssen entweder regelmäßig Pausen einlegen, damit die Motoren nicht überhitzen, oder gleich aufs Tiefbett verladen werden. Das rollende Material stammt unter anderem von Subunternehmen wie DB Schenker.Der Flughafen-Treck bewegt sich nicht wie eine Perlenkette; die Fahrzeuge müssen zwischendurch umsortiert werden. Aus diesem Grund hat Spediteur Scholpp eine eigene Bereitstellungsfläche angemietet, die aus Sicherheitsgründen von Wasser umgeben ist. Hier wird ein kompletter Betrieb errichtet: Eine mobile Holzwerkstatt mit Zimmerleuten wird dreischichtig vor Ort sein, daneben zwei Schlosserwerkstätten, falls an den Ladungen Schweißarbeiten notwendig werden. Außerdem sorgt ein Catering-Dienstleister für die Verpflegung. „Wir wollen nicht, dass ein LKW zu spät losfährt, nur weil der Fahrer einen Döner-Stand sucht“, lacht Kühn. Und schlussendlich steht ein sogenanntes Deeskalationsteam bereit, für den Fall, dass Mitarbeiter des Speditionsunternehmens in Bedrängnis „durch Dritte“ geraten.Die Nacht der NächteGenau diese „Dritten“ könnten ein Risikofaktor bei dem Flughafenumzug sein. Für alle logistischen Eventualitäten haben die Experten zwar Vorkehrungen getroffen: Verzögerungen bei der Verladung oder kleinere Staus auf dem Weg werden niemanden aus der Ruhe bringen, dafür gibt es Ausweichrouten entlang der gesamten Strecke. Nicht kalkulierbar dagegen ist das Verhalten von Flughafen-Gegnern oder anderen Störern. Sie könnten mit wenigen gezielten Aktionen die gesamte Umzugsstrecke blockieren. Von solchen Störungen wäre ein spezielles Gut freilich nicht betroffen – jene drei Dutzend Flugzeuge, die am Umzugsabend in Tegel parken: Sie werden einfach nach Brandenburg fliegen.Wann genau für Berlin die Nacht der Nächte sein wird, lässt sich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. „Nach den Sommerferien“, heißt es von der Flughafengesellschaft, das würde für einen Termin Anfang August sprechen. Die Transport- und Logistikdienstleister haben deshalb erst einmal alle angemieteten Flächen wieder gekündigt und Transporte storniert. Allein bei dem sächsischen Speditionsunternehmen Scholpp waren 270 Fuhren betroffen, davon viele mit Tiefladern. Jetzt heißt es erst einmal wieder: abwarten. ❙❚■ Constantin Gillies, freier JournalistDie große Schlüsselübergabe am Flughafen Berlin Brandenburg findet erst einmal nicht statt – zum Leidwesen vieler UmzugslogistikerFlughafen Berlin BrandenburgDer Flughafen-Umzug in Berlin ist ein Sonderfall, da hier zwei Airports (Tegel und Schönefeld) an einem neuen Standort zusammengeführt werden. Insgesamt sind 190 Nutzer betroffen, von der Wurstbude über Duty-Free-Shops bis zu den Fluggesellschaften. Jedes Unternehmen beauftragt eine Spedition in Eigenregie, es handelt sich also eigentlich um 190 Umzüge. Insgesamt beträgt das Volumen 2800 LKW-Ladungen. Nicht zeitkritische Güter wie Akten werden vorab transportiert, alles andere in der Nacht, bevor der neue Flughafen seinen Betrieb aufnimmt. Die Speditionsdienstleister erhalten dann von der zentralen Planung Zeitfenster und Ladezonen zugewiesen. Schwierig ist vor allem, das schwere Gerät zu transportieren – Flugzeugschlepper, Fluggasttreppen und Notfallfahrzeuge. Hier gibt es keine Spielräume: Die Flughafenfeuerwehr etwa muss bei der letzten Landung in Tegel genauso einsatzbereit sein wie beim ersten Start in Brandenburg. cgFlughafen Berlin BrandenburgVom Ersatzteil bis zum Schneepflug Was die Verschiebung des Umzugs für die Logistik bedeutet, sagt Geschäftsführungsassistent Marco Krakowczyk von Convoi in Berlin. Welche Rolle spielt das Spezialtransport-Unternehmen Convoi beim geplanten Flughafenumzug?Marco Krakowczyk: Wir organisieren die gesamte Verlagerung der Flughäfen Tegel und Schönefeld nach Brandenburg und transportieren alles – vom kleinsten Ersatzteil bis zum Schneepflug. Das Gesamtvolumen beträgt 11.500 Kubikmeter, also 460 LKW-Ladungen.Soeben haben Sie erfahren, dass sich die Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg verschiebt. Was befürchten Sie nun?Unterbrechungen oder Terminverschiebungen sind für uns keine Unbekannte. Convoi hat schon Krankenhäuser, Museen und Firmen verschiedenster Branchen verlagert. Durch die neue Situation kann es durchaus zu einem Mehraufwand kommen – aufgrund von Genehmigungen, Terminplan und so weiter. Nur wie sich das im Einzelnen darstellt, ist noch nicht absehbar. Wir sehen uns aber in erster Linie als Partner, um diese Situation zu lösen. Was war im Projekt Flughafenumzug die größte logistische Herausforderung für Sie?Die Herausforderung war, im Vorfeld einen Gesamtterminplan zu erstellen, in dem die Fahrzeuge und Fahrer mit Führungszeugnis benannt sind. Dieser Plan muss drei Wochen vor Umzugsbeginn stehen, um die Sicherheitsbedingungen am Flughafen zu gewährleisten. Danach bekommt jeder LKW ein bestimmtes Zeitfenster zum Be- und Entladen an den Rampen zugewiesen. Diese Slots darf man unter keinen Umständen verpassen. cgInterviewMarco KrakowczykBleiben noch geschlossen: die neuen Terminals

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