Brüssel. Wenn am 1.Mai der neue europäische Zollkodex UCC (Union Customs Code) in Kraft tritt, dann soll die Abfertigung von Ein- und Ausfuhren an den Außengrenzen der EU einfacher und schneller werden. In den nächsten Jahren werden Papier und Stempel durch elektronische Verfahren abgelöst. Das gilt für alle Spediteure gleichermaßen. Allerdings macht es weiter einen großen Unterschied, in welchem Land man gegen die Vorschriften des UCC verstößt. Das möchte die EU-Kommission ändern.
Kavaliersdelikt oder Schwerverbrechen
Für die Erhebung der Zölle an den Außengrenzen der EU einschließlich der Häfen und Flughäfen ist die EU-Kommission zuständig. Die damit verbundenen Einnahmen fließen direkt in den Haushalt der EU. Geahndet werden Verstöße gegen den Zollkodex aber von den Mitgliedstaaten. Dort gebe es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, sagt Panayota Anaboli. Er leitet die Abteilung Zollrecht der EU-Kommission: „In 16 von 24 Mitgliedstaaten werden Verstöße sowohl nach dem Ordnungsrecht als auch nach dem Strafrecht sanktioniert, acht haben ausschließlich das Strafrecht.“ Auch bei den Summen, für die Sanktionen fällig werden, gibt es große Unterschiede. In manchen Ländern muss es um mindestens 50.000 Euro gehen, bevor man mit Sanktionen rechnen muss. In anderen geht der Stress schon bei 266 Euro los. Was in einem EU-Land als Kavaliersdelikt betrachtet wird, kann im Nachbarland ein Schwerverbrechen sein. Anaboli hält das für eine Wettbewerbsverzerrung.
Die Kommission hat dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament bereits im Dezember 2013 eine Richtlinie zugeleitet, die für eine gleichmäßigere Behandlung sorgen soll. Zunächst gehe es um ein gemeinsames Verständnis dessen, was überhaupt als Verstoß gegen die Zollvorschriften betrachtet werden soll, sagt Anaboli. Das sei nicht nur die Voraussetzung dafür, dass die Mitgliedstaaten die gleichen Sanktionen verhängen könnten. Sie könnten dann auch enger und erfolgreicher zusammenarbeiten, um solche Verstöße aufzudecken und zu verhindern. Das sei auch im Sinne der betroffenen Firmen, denn es verhindere, dass man für den gleichen Verstoß zwei Mal bestraft werden könne. Die Kommission schlägt deswegen eine einheitliche Liste von Verstößen gegen den Zollkodex vor. Sie unterscheidet dabei zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Verstößen in dem Sinn, dass der Vorsatz einem bestimmten Verstoß zugeordnet ist.
Klare Zuständigkeiten
Außerdem soll grundsätzlich das betroffene Unternehmen dafür haften, dass Buß- oder Strafgelder auch bezahlt werden. Ihre Höhe soll sich nach dem Wert der betroffenen Waren und nach den Umständen des Verstoßes richten. Außerdem will die Kommission klare Regeln dafür einführen, welcher Mitgliedsstaat dafür zuständig ist, Sanktionen zu verhängen und welche Zwangsmittel dabei zur Anwendung kommen dürfen. Auf jeden Fall müssten die Zollbehörden in der Lage sein, die betreffende Ware und das Fahrzeug zu beschlagnahmen.
Im Europäischen Parlament und im Ministerrat steht man dem Projekt –vorsichtig gesagt – reserviert gegenüber. In Berlin bestreitet man zwar nicht, dass die unterschiedliche Sanktionspraxis ein Problem ist, vom Ansatz der Kommission hält die Bundesregierung aber wenig. Danach ist zum Beispiel die verspätete Abgabe einer Zollerklärung immer fahrlässig, die „Bereitstellung falscher Angaben oder Unterlagen“ immer vorsätzlich. Nach der deutschen Rechtspraxis müssten Arbeitsfehler aber immer anders behandelt werden als vorsätzliches Handeln. Die von Brüssel verlangte verschuldensunabhängige Sanktionierung verstoße gegen das deutsche Grundgesetz. Die meisten Mitgliedsstaaten der EU lehnen den Vorschlag aus ähnlichen Gründen ab.
Kleine Unternehmen sind bedroht
„Die Kommission muss aufpassen, dass sie nicht an den Anforderungen der Mitgliedstaaten und ihrer Zollverwaltungen vorbei arbeitet“, sagt der Europaabgeordnete Andreas Schwab (CDU). Im Binnenmarktausschuss des Parlamentes ist man sich parteiübergreifend einig, dass der Vorschlag der Kommission deutlich verbessert werden muss, bevor er in Kraft treten kann. Vor allem für kleine Unternehmen könnten die von der Kommission vorgeschlagenen Bußgelder schnell existenzgefährdend werden, sagt die Berichterstatterin des Parlamentes Kaja Kallas.
Viele Abgeordnete halten eine Harmonisierung der Verstöße und Bußgelder nicht für ausreichend solange die Mitgliedsstaaten die Verstöße sehr unterschiedlich kontrollieren. Mitgliedsstaaten mit hohen Bußgeldern würden tendenziell weniger Kontrollen durchführen,sagt die Ausschussvorsitzende Vicky Ford, und umgekehrt. Wenn nur die Sanktionen harmonisiert würden, würde das die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten im Ergebnis größer statt kleiner machen. (tw)