Straßburg. Deutschland und die anderen EU-Mitgliedsstaaten dürfen die LKW-Maut künftig auch auf Kleinlastwagen ausdehnen – sie müssen aber nicht. Das Europäische Parlament stimmte heute in Straßburg einem Kompromiss mit dem Europäischen Rat zur so genannten Eurovignetten-Richtlinie zu, mit der die Regeln für die Mauterhebung EU-weit harmonisiert werden sollen. Demnach kann die Straßengebühr von 2012 an für Kleinlastwagen ab 3,5 Tonnen Gewicht eingeführt werden. Die Entscheidung darüber treffen jedoch die Mitgliedsstaaten. Zudem dürfen künftig auch auf Ausweichstrecken und in Ballungsgebieten Straßennutzungsgebühren erhoben werden. Gleichzeitig erhalten die Staaten die Möglichkeit, die Höhe der Gebühr nach Schadstoffausstoß der Lastwagen sowie nach Tages- oder Jahreszeit zu variieren. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten können die Mauterfassung ab 3,5 Tonnen ablehnen, wenn es sonst zu „verstopften Bundesstraßen durch Ausweichverkehre, Umweltbeeinträchtigungen, erhöhten Lärmbelästigungen oder zu mehr Staus“ kommen würde, erklärte der SPD-Europaabgeordnete Ulrich Stockmann. Das gleiche gelte, wenn die Kosten der Mauterhebung mindestens 30 Prozent der zusätzlichen Einnahmen betragen. Diese Ausnahmen habe Deutschland durchgesetzt. Erst am Montag hatte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) Überlegungen für eine Ausweitung der Lkw-Maut von zwölf Tonnen auf Lastwagen ab 7,5 Tonnen abgelehnt. Die Grünen kritisierten die Ausnahmen und warnten vor einem Bedeutungsverlust des Güterverkehrs auf der Schiene. Tiefensee indes begrüßte die Entscheidung des EU-Parlamentes: „Das ist eine gute Entscheidung. Deutschland hat sich durchgesetzt. Damit ist sichergestellt, dass es keine europaweite Verpflichtung gibt, eine Mautpflicht für alle LKW ab 3,5 Tonnen einzuführen. Eine solche Verpflichtung hätte für Deutschland erhebliche Nachteile gehabt. Unser Streckennetz ist nicht mit dem anderer Ländern zu vergleichen. Eine Ausdehnung der Mautpflicht unterhalb von zwölf Tonnen würde zu einem deutlichen Anwachsen der Ausweichverkehre und höheren Umweltbelastungen führen.“ Grundlage der Mautkalkulation seien die Infrastrukturkosten wie Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des Fernstraßennetzes. Nur auf Alpenübergängen und in Ballungsräumen dürfen die Mautgebühren höher liegen, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Mit dem Raubrittertum auf Europas Straßen ist damit bald Schluss.“ Die Richtlinie, die noch formell von den Mitgliedsländern angenommen werden muss, sieht auch ein ersten Schritt in Richtung Anrechnung externer Kosten für Umwelt- oder Gesundheitsschäden vor. Die Europäische Kommission wurde aufgefordert, innerhalb von zwei Jahren ein wissenschaftlich fundiertes Modell zur Einberechnung dieser Kosten zu erarbeiten. Danach werden Parlament und Ratentscheiden, wie diese Kosten in die Maut eingerechnet werden können. Die Erhebung einer Maut wird durch die Richtlinie zwar nicht verbindlich. Die Kriterien müssen aber überall dort eingehalten werden, wo es ein Mautsystem gibt oder eines eingeführt werden soll. Die Zweckbindung der Einnahmen etwa für den Straßenbau wurde nicht vorgeschrieben. (dpa/tbu)
EU: Maut ab 2012 auch für Klein-LKW möglich
Ob die Gebühr ab 3,5 Tonnen eingeführt wird, soll jedoch den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten selbst überlassen bleiben