Bösel/Oldenburg. Trübe Stimmung in Bösel: Undurchsichtiger Nebel liegt über der kleinen niedersächsischen Gemeinde (Kreis Cloppenburg), die mit dem jüngsten Dioxin-Skandal in die Negativ-Schlagzeilen geraten ist. Hier soll eine Spedition mit Dioxin verseuchte Fette beigemischt und an weiterverarbeitende Betriebe geliefert haben, so lautet der Verdacht. Das Werk soll mit einem Tanklager und einer Futterfett-Rührstation für den Futtermittelzulieferer Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein gearbeitet haben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen die schleswig-holsteinische Firma Harles und Jentzsch und gegen die Spedition in Bösel wegen Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelgesetzbuch. Bei Futterfetten von Harles und Jentzsch wurde der Grenzwert für das Gift deutlich überschritten. Das bestätigten Laboruntersuchungen, wie das Kieler Agrarministerium am Donnerstag mitteilte. Die untersuchten Rückstellproben stammen aus dem vergangenen Jahr und waren von der Firma selbst entnommen worden.
Sie seien nicht für die Futtermittelherstellung geeignet, betonte das Ministerium. Weitere Ergebnisse stehen noch aus. Nach bisherigen Erkenntnissen der Behörde sind alle kritischen Futterfett-Partien in dem Werk in Bösel gemacht worden.
Dort stehen bei der Spedition am Rande eines Gewerbegebietes 13 Tanks mit insgesamt 480 Tonnen Volumen, mehr als 30 Sattelzüge mit Tankaufliegern zählen zum Fuhrpark. „Es werden alle Arten von flüssig transportierbaren Lebensmitteln befördert", heißt es auf der Homepage. Dazu zählten Margarine, Back- und Bratfette, Schokolade, Fettglasur, Wein, Milch- und Milchprodukte, Flüssigei, Apfelsaft, rohe Öle und sonstige Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie.
Ab und zu rollt am Donnerstag ein Wagen vom Hof, ansonsten sind kaum Beschäftigte zu sehen. Am Empfang geben sich Mitarbeiter zugeknöpft: „Kein Kommentar, auf Wiedersehen", sagen sie knapp und verweisen auf etwaige Auskünfte durch einen Anwalt zu einem späteren Zeitpunkt.
Bösel hat knapp 8000 Einwohner und liegt in der niedersächsischen Hochburg der Geflügelzucht. In der Gemeinde gibt es 24 Puten- und 6 Hühnermastbetriebe mit zusammen fast 800.000 Tieren. Wer an den riesigen Höfen vorbeikommt, hört schon von weitem den Lärm tausender Tiere. Niedersachsenweit sind nach dem Dioxin-Skandal 1000 Betriebe gesperrt. „Ich kenne einige, die nicht mehr ausliefern dürfen", sagt eine Frau aus Bösel, die ihren Namen nicht nennen will. Doch die Betroffenen wollten nicht an die Öffentlichkeit, weil sie um ihren Ruf fürchteten, erzählt sie.
Der Dioxin-Skandal ist auf den Straßen Gesprächsthema Nummer Eins. „Das bedeutet einen großen Schaden für die Bauern", sagt Ludger Meyer, der einen Essensstand betreibt. Wenige Meter entfernt kommt Sabine Vollbrecht mit zwei vollen Eierkartons aus einem Supermarkt. „Ich kaufe trotzdem Eier", sagt sie. „Die Sorgen um die Gesundheit verdrängt man."
Auch in der Umgebung der Spedition fließen die Auskünfte nur spärlich, doch die Gerüchteküche brodelt: „Das ist ein alteingesessener Familienbetrieb mit ehrlichen Leuten. Ich glaube nicht, dass die sich bereichern wollten", sagt ein Nachbar, der ungenannt bleiben will. Ein anderer Bewohner will von illegalen Aktivitäten gehört haben. Genaues weiß er nicht, fürchtet aber: „Wenn da was dran ist, ist das ganz schlecht für ihn und für viele landwirtschaftliche Betriebe."
Illegalen Betrieb und kriminelles Vorgehen wittert auch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg. Nur deshalb sei der Betrieb auch nicht kontrolliert worden. «Wir wollen wissen: Was ist in den Tanks, wo kommt es her und wo ging es hin?», sagt Staatsanwalt Rainer du Mesnil de Rochemont.
Bösels Bürgermeister Hermann Block (CDU) rechnet nicht nur für die Landwirte mit Schäden: „Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen ist der Standort Bösel ins Gerede gekommen. Für einen Bürgermeister gibt es schönere Tage." (dpa)