„Der Preisdruck ist immer da“

Interview „Der Preisdruck ist immer da“ Seit März 2013 ist Jeroen Eijsink neuer Deutschland-Chef von DHL Freight. Und wie es aussieht, wird er die Landverkehrssparte von Deutsche Post DHL kräftig umkrempeln. Ein Exklusiv-Interview mit dem CEO. Sie sind seit Anfang März 2013 CEO von DHL Freight Deutschland. Wie sehen Sie Ihre Rolle als neuer Deutschland-Chef? Ich arbeite nach dem Grundsatz, dass ich für unsere Mitarbeiter da bin, und nicht sie für mich. Meine Aufgabe sehe ich eher darin, die Weichen zu stellen, damit unsere Mitarbeiter erfolgreich arbeiten können. Und da steht einiges an, wie ich aus vielen Gesprächen weiß, die ich in den letzten Monaten auf allen Mitarbeiter-Ebenen in ganz Deutschland geführt habe. Welchen Themen werden Sie sich widmen? Unsere Kunden werden anspruchsvoller, was das Thema Geschwindigkeit angeht. Da gibt der E-Commerce den Takt vor. Heute bestellen, morgen liefern – das ist die Anforderung. Das müssen wir auch auf unser Geschäft übertragen. Unser Unternehmen ist bekanntlich aus vielen Zukäufen, die unser Mutterkonzern getätigt hat, gewachsen. Deshalb sind wir noch sehr dezentral aufgestellt. Dies kann zur Folge haben, dass eine Niederlassung einen LKW aus Auslastungs-Gründen zu spät losschickt, was in der anderen dann für Probleme im Eingang sorgt. Da können wir noch stärker zusammenarbeiten – im Sinne unseres Netzwerkgedankens. Im Klartext: Sie wollen die Prozesse bei DHL Freight ein gutes Stück zentraler gestalten. Ja, das erwarten auch die Mitarbeiter. Sie wollen, dass ich dieses Zusammenspiel in unserem Netzwerk fördere, weil sie erkannt haben, dass man durch Zusammenarbeit erfolgreicher ist, als als Einzelkämpfer. Inwieweit spielen Kostenspar-Gründe in diese Entscheidung mit hinein? Die Ertragslage im deutschen Landverkehr ist für alle angespannt. Der Preisdruck ist immer da. Außerdem kämpfen wir alle auf der Kostenseite. So sind durch die Marktbereinigung der letzten Jahre und den Fahrermangel die Frachtführer-Kosten im Einkauf deutlich gestiegen. Außerdem steigen seit Jahren die Dieselpreise und die gesetzlichen Auflagen werden immer höher – Beispiel Lenk- und Ruhezeiten sowie Umweltabgaben. Wie zufrieden sind Sie überhaupt mit der Entwicklung des Geschäfts von DHL Freight in diesem Jahr? Europaweit war das erste Halbjahr für DHL Freight insgesamt zufriedenstellend. Unser Umsatz 2012 lag insgesamt bei 4,2 Milliarden Euro. Das sind 0,74 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Tonnage wuchs sogar noch etwas mehr. Diesem Trend folgt auch unser Deutschlandgeschäft – mit leichter Tendenz nach oben, wobei der Umsatz pro Tonnage geringfügig zurückgegangen ist. Konkret gesprochen: wie viel Umsatz und welche Tonnage hatte DHL Freight Deutschland im ersten Halbjahr? Zu unserem Deutschlandgeschäft nennen wie keine konkreten Zahlen, da wir unser Ergebnis nur auf globaler Divisionsebene (Global Forwarding, Freight) veröffentlichen. Nur so viel: Es war angesichts der Wirtschaftsentwicklung gut. In Deutschland konnten wir das Geschäft stabil halten und die Mengen-Rückgänge bei bestimmten Kunden durch Neuaufträge kompensieren. Auf der Ertragsseite sieht es allerdings schlechter aus. Der Ebit von DHL Global Forwarding, Freight ist im zweiten Quartal um 6,5 Prozent gesunken. Mal unter uns: Wird DHL Freight Deutschland in diesem Jahr seine Ertragsziele verfehlen? Die Stabilität, die wir beim Umsatz zeigen, erzielen wir auch im Ertragsbereich. Was wir mit unseren Chefs vereinbart haben, werden wir also auch einhalten. Angeblich soll Ihr Ebit im Deutschlandgeschäft bei unter zwei Prozent liegen. Wir sind zufrieden. Wir schreiben solide schwarze Zahlen. Erfreulich wäre es natürlich, wenn sich alles straff nach oben entwickeln würde. Und nun bricht Ihnen mit dem Praktiker-Aus auch noch ein wichtiger Kunde weg. Praktiker ist in der Tat ein geschätzter Kunde von uns. DHL Freight macht aber so viel Umsatz, dass geringer werdende Sendungsmengen uns nicht umhauen. Wie wollen Sie gleichwohl Ihre Profitabilität hierzulande steigern? Werden Sie im Herbst an der Preisschraube drehen? Wir erwarten durchaus eine Knappheit im Laderaum und werden deshalb unsere Preise situationsbedingt überdenken müssen. Ich denke aber, dass es aufgrund der Fragmentierung des Marktes schwierig sein dürfte, diese Kosten eins zu eins an den Kunden durchzureichen. Wir werden diesen Druck daher weiter durch Produktivitätssteigerungen abfedern. An welchen Stellen sehen Sie Potenzial, um noch produktiver zu werden? Für unser Teil- und Komplettladungsgeschäft bauen wir derzeit deutschlandweit drei überregionale Dispositionszentren auf: für den Westen in Köln, für den Süden in Öhringen bei Heilbronn und für Norden/Osten in Malsfeld bei Bad Hersfeld. Diese arbeiten quasi als Servicedienstleister für unsere Niederlassungen. Sprich: diese Center kaufen Regelverkehre ein und disponieren diese. Vorteil ist: Wir erzielen so im Einkauf von Transportleistungen Skaleneffekte, die eine einzelne Niederlassung nicht erzielen könnte. Ende September wird die letzte Niederlassung integriert werden. Wir lösen dieses Geschäft aber nicht aus den einzelnen Niederlassungen; die Gewinn- und Verlust- sowie Kundenverantwortung belassen wir dort. Einige Disponenten werden aber aus den Niederlassungen in die Dispositionszentren wechseln. Das ist eine Evolution, aber keine Revolution. Im Klartext: Sie werden noch härter mit Ihren Frachtführern verhandeln. Denn letztlich werden Sie, wenn Sie größere Mengenvolumina vergeben, dies entsprechend einpreisen. Natürlich hoffen wir, dass wir durch diese Skalen-Vorteile unsere Marge im Teil- und Komplettladungsgeschäft steigern. Dafür werden wir an der einen oder anderen Stelle etwas kritischer im Einkauf sein. Wir hoffen aber auch, dass wir schneller wachsen, da wir dann unseren Kunden bessere Preise anbieten können. Auch unsere Frachtpartner profitieren von der Neuorganisation: Wir kaufen künftig gebündelter ein und vergeben somit größere Volumina. Für die Niederlassungen steigt damit die Auftragssicherheit, weil sie eher charter-orientiert einkaufen. Wir hingegen vergeben feste Kontrakte. Unser neues Modell bedeutet also nicht mehr Preisdruck für unsere Transportpartner. Sie haben lediglich neue Ansprechpartner. Baut DHL Freight in Europa dafür ähnliche Strukturen auf? Bei unseren Europa-Verkehren haben wir solche Strukturen zum Teil schon implementiert. Unsere Skandinavienverkehre wickeln wir beispielsweise über ein Dispositionszentrum in Lübeck ab und unsere Osteuropa-Verkehre über ein Zentrum in Bratsilava/Slowakei. In Valencia/Spanien machen wir das für den Süd-West-Raum. In den anderen Ländern prüfen wir momentan, ob das Modell dort auch sinnvoll ist. Dazu braucht man aber eine gewisse kritische Masse. Wie schwer ist es, qualifizierte Frachtführer zu bekommen? Das Thema Fahrermangel ist ja hinlänglich bekannt. Dieses Problem bereitet nicht nur uns, sondern auch unseren Branchenkollegen Kopfzerbrechen. Im Fernverkehr ist es noch relativ entspannt. Da werden die Kapazitäten zwar knapp, aber es gibt noch Möglichkeiten, vor allem dann, wenn die Kabotageregelungen auf EU-Ebene weiter gelockert werden. Schlimm ist es im Nahverkehr, vor allem in bestimmten Regionen wie in Bayern. Da macht sich der Fahrermangel stark bemerkbar. Fallweise werden wir dort deshalb – neben den bestehenden Frachtführern – gezielt in eigene Fahrzeuge und Fahrer investieren. Dazu prüfen wir derzeit in jeder einzelnen Niederlassung die Kapazitäten und treffen dann die Entscheidung, ob wir aufstocken. In Deutschland werden wir niemals ausschließlich auf einen Eigenfuhrpark setzen, wie wir das in England tun. Zur Zeit vergeben wir 99,9 Prozent unserer Transporte fremd, künftig könnten es vielleicht weniger sein. Von welchem wirtschaftlichen Szenario gehen Sie für Ihr Geschäft aus? Der Markt wird sich langfristig sicherlich erholen. Uns allen in der Branche werden aber spannende18 Monate bevorstehen. Für DHL Freight Deutschland heißt das, dass wir von einem Wirtschaftswachstum auf Höhe des Vorjahresniveaus ausgehen. Wir erwarten keine rückläufigen Sendungsmengen, da wir eine sehr gesunde Umsatzverteilung in den einzelnen Kundenbranchen haben. Allerdings wissen wir wie alle Marktteilnehmer nicht, wie sich das Konsumverhalten entwickeln wird. In welchen Kundenbranchen sehen Sie angesichts dieses Szenarios das größte Wachstumspotenzial? Der Automobilsektor hat uns schon im ersten Halbjahr gut getan. Da sehen wir nach wie vor Potenzial. Relativ stabil entwickelt sich auch die Pharma- und Gesundheitsbranche. Schwer ist es im Retailsektor und in den konsumnahen Segmenten, wie etwa im Elektronik- und Baumarktbereich. Da schwanken die Mengen deutlich stärker. Was ist vor diesem Hintergrund Ihr Erfolgsrezept, um weiter nach vorne zu kommen? Wichtig ist mir, dass wir uns stärker auf die Themen Qualität und Zuverlässigkeit fokussieren. Der Markt treibt uns zudem, uns vom Palettengut-Dienstleister zum palettierten Expressfrachtdienstleister zu wandeln. Grund dafür ist: Unsere Kunden haben eine immer kleinere Lagerhaltung, regionalisieren oder zentralisieren ihre Lager. Sie verlassen sich also immer mehr auf effiziente Netzwerke, die schnell und vor allem zuverlässig sind. Was tut DHL Freight, um schneller zu werden? Unsere Antwort darauf ist das neue Stückgut-Produkt Eurapid. Damit bieten wir nun tägliche Abfahrten – mit tagesgenauer Zustellung und proaktiver Sendungsverfolgung. Und zwar zunächst über 25 Hauptknotenpunkte, die aber fast den gesamten europäischen Wirtschaftsraum abdecken. Unsere Abfahrtsfrequenz wird sich also deutlich erhöhen. Bislang hatten wir drei bis vier Abfahrten pro Woche. Mit Eurapid werden wir die Frequenz von über 500 Linien um mehr als ein Drittel erhöhen und die Laufzeit verkürzen. Konsequenterweise werden wir dafür die Zahl unserer Transportpartner aufrüsten. Außerdem werden wir, um die schnelleren Abfahrten zu garantieren, fallweise die Linienführung im Transportnetz ändern müssen, sprich: teils über Hubs bündeln, teils verstärkt als Direktverkehre laufen lassen. Unterm Strich werden wir so aber die Geschwindigkeit unserer Transporte in Deutschland und Europa deutlich erhöhen. Die Auslastung Ihrer Fahrzeuge dürfte damit allerdings wohl sinken. Das ist richtig. Unser Auslastungsrisiko wird im ersten Schritt wohl steigen. Das sind aber keine Lücken, die uns schlaflose Nächte bereiten, da wir mit Eurapid vor allem die wirtschaftsstarken Ballungsräume anfahren. Außerdem werden wir geringere Auslastungen mittelfristig vertrieblich ausgleichen können. Wie werden Sie diese höhere Geschwindigkeit einpreisen? Das handeln wir kundenindividuell aus. Wie viel investieren Sie konkret in das neue Produkt und wie viel Umsatz wollen Sie damit im ersten Jahr erwirtschaften? Zu diesen Zahlen äußern wir uns nicht öffentlich. Dann sagen Sie uns, wo DHL Freight in fünf Jahren stehen soll? Was ist Ihre Vision? Strategie ist, wie bereits gesagt, dass sich DHL Freight in Kerneuropa, dazu zählt auch Deutschland, zu einem schnellen Landtransportunternehmen entwickelt. Zudem wollen wir die schnell wachsenden Märkte Russland, Türkei, Naher Osten und Afrika noch stärker angehen. Ich sehe noch viele Möglichkeiten, wie wir innerhalb des Deutsche Post Konzerns auf Produktebene und vertrieblich noch enger zusammenarbeiten können, als wir es ohnehin schon tun, etwa im See- und Luftfrachtbereich, um unseren Kunden ein einheitliches Produkt zu bieten. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal im Markt. Von welchem Marktszenario gehen Sie im deutschen Landverkehr mittelfristig aus? Spielt da der Mittelstand noch eine Rolle? Ich denke, dass der Konzentrationsprozess noch zunehmen wird. Zum einen haben viele kleinere Betriebe durch die Wirtschaftskrise an Substanz verloren. Ob diese einen schwachen Herbst und Winter noch verkraften können, bezweifle ich. Da wird es eine weitere Marktbereinigung geben. Zum andern sehe ich die Tendenz, dass große Auftraggeber zunehmend mit wenigen größeren Dienstleistern zusammenarbeiten. Sprich: Der Mittelstand steht vor dem Aus! Auf keinen Fall. Mittelständler haben eine Chance durch Kooperation. Sie müssen ihre Skalenvorteile durch eine noch dichtere Knüpfung ihrer Netze besser ausschöpfen. Denn der Preisdruck im Landverkehr ist hoch und wird – trotz der Marktbereinigung – auch hoch bleiben. ❙❚■ Eva Hassa. Vita Jeroen Eijsink Jeroen Eijsink ist 1973 in den Niederlanden geboren. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Rotterdam/Niederlande und erwarb an der Technischen Universität in Berlin das Zertifikat Logistik- und Produktionsmanagement. Von 1996 bis 2003 hatte er diverse Positionen bei der Siemens AG in München inne. 2003 startete er seine berufliche Karriere im Konzern Deutsche Post DHL – zunächst als Project Manager im Inhouse Consulting des Unternehmens in Bonn. 2004 bis 2006 war er Director Freight Projects bei DHL Worldwide Network in Brüssel/Belgien, 2006 bis 2010 Managing Director DHL Freight UK/ Ireland, DHL Express UK in London, 2011 bis 2013 CEO DHL Freight Belgium, Netherlands & United Kingdom. Seit März 2013 ist Jeroen Eijsink CEO von DHL Freight Deutschland in Bonn. eh „Der Markt treibt uns, uns zum palletierten Expressfracht- dienstleister zu wandeln“ Jeroen Eijsink, CEO DHL Freight Deutschland DHL Freight Das Geschäft in Zahlen DHL Freight, Landverkehrssparte von Deutsche Post DHL, erwirtschaftete im letzten Jahr mit 14.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 4,19 Milliarden Euro. In Deutschland beschäftigt DHL Freight nach eigenen Angaben an 69 Standorten rund 4000 Mitarbeiter. Zum Umsatz des Deutschlandgeschäfts macht DHL Freight keine Angaben. Tätig sind für die Sparte hierzulande im Fernverkehr 950 und im Nahverkehr 340 Transportfirmen. Zum 2. September 2013 startet DHL Freight mit DHL Eurapid einen neuen „Premium- Service“ für internationale Stückgüter. Verfügbar ist das neue Produkt in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Spanien, Schweden, Schweiz und Tschechische Republik. Weitere Regionen kommen in den nächsten Monaten dazu. eh „Ich bezweifle, dass viele kleinere Betriebe einen schwachen Herbst und Winter noch verkraften“ Jeroen Eijsink, CEO DHL Freight Deutschland