Der DAF XF 480 im VR-Lkw-Test

Nicht zwangsläufig ist das Größte immer das Bessere, vielmehr kommt es auf die Anforderungen an. So auch beim DAF XF. Anders als seine beiden größeren Brüder XG und XG+ mit ihren um 30 Zentimeter nach hinten verlängerten Fahrerhäusern tritt er mit "normalen" Kabinenabmessungen an und dürfte damit für viele Fahrerinnen und Fahrer nur die zweite Wahl sein. Ob berechtigt oder nicht, wollen wir mittels dieser Testfahrt klären und nehmen die vier Stufen in die Hochdachkabine namens "High-Sleeper-Cab". Die bietet maximal zwei Meter Innenhöhe, offenbart aber einen 17 Zentimeter hohen Motortunnel, auf dem sich die Stehhöhe folgerichtig auf immer noch brauchbare 1,83 Meter reduziert. Vom Begriff "eng" bleibt das XF-Fahrerhaus damit weit entfernt und geht für nationale Touren völlig in Ordnung. Auf jeden Fall mitbestellt werden sollte unserer Meinung nach der "Kino"-Beifahrersitz. Der kann einerseits zum Nachttisch am unten Bett werden, vor allem aber lässt sich seine Sitzfläche einfach hochklappen, wodurch ein luftiger Raum entsteht, der sich beispielsweise zum Umziehen nutzen lässt. Und wenn man das Möbel schon ordert, sollte auch gleich noch das zusätzliche Fenster im unteren Bereich der Beifahrertür mitgenommen werden. Das erlaubt zusätzliche Einblicke nach rechts, die vor allem im unübersichtlichen Stadtverkehr wertvoll sind - sofern man vor Antritt der Fahrt daran denkt, die besagte, ansonsten davorstehende, Sitzfläche hochzuklappen. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (MX-13 355), Common-Rail-Einspritzung, Single-Turbolader; Euro 6e mit SCR-Kat., AGR, Partikelfilter, Hubraum: 12.900 cm3, Leistung: 483 PS (355 kW) bei 1600/min, max. Drehm.: 2350 Nm bei 900-1400/min, (im 12. Gang: 2500 Nm bei 900-1125/min) Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe "ZF-Traxon" (12 TX 2210 DD), synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge, 2 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,38; pneumatisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung Fahrwerk HA: 13,0-t-Achse, einfach untersetzt, Typ: SR1344; Vierbalg-Luftfederung, VA: 8,0-t-Achse, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluft-Bremsanlage, Scheibenbremsen, Motorbremse: "MX-Engine-Brake": 360 kW bei 1200-1500/min Maße und Gewichte Radstand: 3800 mm; L x B x H: 6080 x 2500 x 3766 mm; Leergewicht: 7170 kg (ohne Fahrer), inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue Keine ellenlange Übersetzung Entfernt von zweiter Klasse bleibt das Testfahrzeug auch motorisch. Der MX-13-Reihensechszylinder in seiner zweitstärksten Form mit 483 PS besorgt den Vortrieb und hinterlässt einen kräftigen Eindruck. Das liegt daran, dass DAF ihn für die Fahrt über die an vielen Stellen hügelige VR-Testrunde mit einer heutzutage schon als verhältnismäßig kurz geltenden Hinterachsübersetzung (i=2,38) kombiniert. 1100 Touren vermeldet der formschöne Drehzahlmesser im digital dargestellten Zentraldisplay bei Reisetempo 85. Hauptgrund für diese Entscheidung der DAF-Leute liegt in der heutigen Transportaufgabe begründet. Knapp 32 Tonnen wiegt unser Fliegl-Trailer auf der Sattelplatte, so bleibt der Gesamtzug trotz des 7,17 Tonnen leichten DAF nicht mehr weit entfernt von der 40-Tonnen-Marke. Ein Gewicht, das natürlich möglichst ökonomisch bewegt werden soll. Das durch die kürzere Übersetzung etwas höhere Drehzahlniveau verschafft dem 12,9 Liter großen Reihensechser an Bergen eine größere Reserve, damit steigungsbedingte Rückschaltungen erst spät oder bestenfalls gar nicht eingeleitet werden müssen. Dass die Strategie aufgeht, zeigt sich bereits nach wenigen Autobahnkilometern. Der Motor wirkt agil und beißt sich tapfer an Steigungen fest, die man in Artgenossen mit länger konfigurierten Hinterachsen bereits eine Gangstufe niedriger überrollen muss. Wozu auch die Drehmomenterhöhung im zwölften Gang ihren Teil leistet, auch wenn der DAF mit den so zustande kommenden 2500 Newtonmetern Drehmoment keinesfalls Klassenrekorde bricht. Verbräuche und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (40 t) A 9 Allershausen - A 93 Regensburg 24,14 84,32 Autobahn hügelig (40 t) A 3 Regensburg - Nürnberg 26,16 82,90 Autobahn Rolletappe (40 t)A 9 Nürnberg - Langenbruck 24,50 83,48 Landstraße (40 t) Langenbruck - Dasing 22,38 61,62 Autobahn leicht (40 t) A 8 Dasing - A 99 Unterschleißheim 25,15 83,93 Durchschnitt: 24,58 79,42 Verbrauch Adblue: 1,07 l/100 km (4,3 % vom Dieselverbrauch); AdBlue anteilig mit 44 % ins Verbrauchsergebnis eingerechnet Kein "Anpowern" am Berg So gut uns die Gesamtabstimmung gefällt, einen Verbesserungsvorschlag hätten wir aber doch: Warum, liebe DAF-Leute, verordnet ihr vor Steigungen keine automatische Tempoerhöhung? So könnte man mehr Schwung mit auf den Berg nehmen, wie es beispielsweise die beiden schwedischen Lkw-Marken machen? Das würde gewiss noch einige Rückschaltungen mehr verhindern. Und wo wir gerade beim Kritisieren sind: Bei allen gegebenen Qualitäten des ZF-Traxon-Getriebes, manchmal ist ein spontaner manueller Schalteingriff eben doch vonnöten. Der rechte Lenkstockhebel führt diese allerdings nur aus, wenn man im Vorfeld an diesem die "Eco-Off"-Taste gedrückt hat. Wir erachten das als wenig anwenderfreundlich, vor allem, weil die Elektronik nach einiger Zeit automatisch wieder auf "Eco-On" geht. Hier könnte die DAF-Werkstatt allerdings per entsprechender Software-Anpassung Abhilfe schaffen. Oder man gewöhnt sich einfach daran, dem Kollegen Computer die Obhut zu überlassen, der ja auch meist richtig entscheidet. So bleibt mehr Zeit für den Genießermodus. Der 3,80 Meter lange Radstand sorgt trotz der Einblatt-Parabel-gefederten Vorderachse für bestes Fahrverhalten, zu dem die auffallend direkt ansprechende Lenkung bestens passt. Die präsentiert sich nach wie vor rein hydraulisch unterstützt, was sich spätestens dann ändern muss, wenn auch DAF eine aktiv eingreifende Spurbindung einführt. Auf dem Niveau der Besten schwimmt der XF beim Thema Geräuschdämmung mit, wobei vor allem bei den Windgeräuschen auffällt, dass eben nichts auffällt. Eine Folge der um 160 Millimeter verlängerten und entsprechend abgerundeten Front, die alle DAF-Lkw mit Ausnahme des kleinen Verteilers XB serienmäßig mitbringen. So hat der Fahrtwind kaum noch eine Chance, ein Pfeifen zu erzeugen. Wobei das natürlich nur ein willkommener Nebeneffekt ist, denn hauptsächlich geht es bei der längeren Front um beste Aerodynamik und eine damit einhergehende Verbrauchssenkung. Apropos Verbrauchssenkung, wir empfehlen in diesem Zusammenhang bei der Bestellung die Anwahl des "Efficiency-Plus"-Paketes. In dem ist neben dem "Corner-View"-System, das den Front- und Rampenspiegel in einem Bildschirm gekonnt digitalisiert, unter anderem auch der GPS-Tempomat enthalten, der unserer Meinung nach bei jedem modernen Lkw an Bord gehört! Die die Topografie erkennende Geschwindigkeitsregelanlage erledigt ihren Job unauffällig gut und wählt in Rollphasen stets passend zwischen Schubabschaltung oder Eco-Roll-Betrieb. Bei letztem könnten die Ingenieure in Eindhoven noch mal Feinarbeit leisten, indem sie beim Hineinrollen in Steigungen im Eco-Roll den Kraftschluss etwas früher wieder herstellen. Bislang passiert das nämlich zu spät und der DAF ist dann schon einige km/h unter den gewählten Tempomatwert gefallen, den der MX-13 dann erst wieder aufholen muss. Bewertung: DAF XF 480 High-Sleeper Motor/Antrieb (max. 140) 124 Getriebe/Kupplung (max. 140) 122 Bremsen (max. 120) 102 Lenkung (max. 40) 36 Pedale (max. 20) 16 Fahrverhalten (max. 60) 53 Sicht (max. 50) 47 Klima/Lüftung (max. 50) 43 Sitze (max. 40) 35 Armaturen/Instrumente (max. 50) 45 Scheibenwischer (max. 30) 24 Fahrerhaus (max. 240) 197 Gesamtwertung (max. 980) 844 Testurteil + niedriger Diesel- und AdBlue-Verbrauch, geringes Leergewicht, hoher Fahrkomfort, gute Verarbeitung und hochwertige Materialauswahl, leises Innengeräusch - Nachholbedarf bei Assistenzsystemen, elektrische Feststellbremse nur als Option, versteckter und zu kleiner Knopf für die Hupe Sparsam über die Testrunde Der Effizienz tut das scheinbar keinen Abbruch, denn der XF 480 kommt sehr sparsam über die Testrunde: 24,58 Liter auf 100 Kilometer stellt er für die Beförderung unseres Test-Aufliegers in Rechnung, in dem der ebenfalls sehr niedrige AdBlue-Verbrauch von 1,07 Litern auf 100 Kilometer bereits inkludiert ist. Sofern das Einsatzszenario stimmt, kann der XF also durchaus die bessere Lösung sein. Auch wenn es wahrscheinlich nicht immer leicht ist, seinen Fahrern/Fahrerinnen 30 Zentimeter weniger als Vorteil zu verkaufen. Fazit Leicht, sparsam und günstiger Der Traum-Lkw ist ein XF wahrscheinlich für die wenigsten. Aber seine Qualitäten überzeugen. Er geht im Test sehr sparsam mit dem teuren Kraftstoff um, präsentiert sich erfreulich agil und macht auf der Waage eine zuladungsfreundliche Figur. Für nationale Verkehre ist er damit die richtige Wahl. Die, im Vergleich mit den größeren XG und XG+, auch noch bei der Anschaffung sparen dürfte. jan.burgdorf@tecvia.com

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