Das zweite Gesicht des VW Crafter

Noch wirkt der MAN-Schriftzug auf einem Transporter irgendwie ungewohnt. Selbst rund um das MAN-Werk in München, wo die ersten Testfahrten stattfanden, drehte sich mancher Passant ungläubig nach dem TGE um. Es hat sich eben noch nicht herumgesprochen, dass MAN in den stark wachsenden Transportermarkt eingestiegen ist. Dafür leistete man sich keine teure Eigenentwicklung, sondern bediente sich bei der Konzernmutter Volkswagen. Die Basis für den TGE stellt der Ende letzten Jahres neu vorgestellte VW Crafter. Der TGE basiert auf dem VW Crafter Den übernimmt MAN nahezu unverändert, inklusive aller Motoren und Getriebe. Lediglich der veränderte Kühlergrill grenzt den TGE optisch von seinem Spender ab. Daher fallen auch die Fahreigenschaften identisch aus: Kein anderer Van rollt komfortabler ab und liegt trotzdem so satt auf der Straße oder bietet am Arbeitsplatz eine bessere Ergonomie. Lediglich die zum Poltern neigende Vorderachse, die wir auch schon beim Crafter monierten, stört das Gesamtbild. Hier wollen die Entwickler aber noch Hand anlegen. Den Antrieb übernimmt ausschließlich der zwei Liter große TDI-Vierzylinder von Volkswagen, der über die gängige Kombination von Partikelfilter, Abgasrückführung und SCR-Kat die Euro-6-Norm erfüllt. Bereits ausreichend motorisiert ist man zumindest im 3,5-Tonner mit der 102 PS und 300 Newtonmeter starken Basismotorisierung. Zwar reicht der TDI nicht ganz an die Elastizität mancher italienischer oder französischer Wettbewerber heran, gefällt aber mit hoher Laufruhe und zieht ab 1200/min kräftig durch. Die goldene Mitte dürfte für die meisten Käufer trotzdem die 140 PS starke Einstellung sein, die dank ihrer 340 Newtonmeter entsprechend souveräner zu Werke geht. Die per Bi-Turbo auf 177 PS gehobene, aber eben auch entsprechend teurere Topeinstellung empfiehlt sich nur für Einsätze mit hohem Autobahnanteil. Der MAN soll beim Service punkten Wie VW lässt auch MAN seinen Kunden die Wahl zwischen Front-, Heck- oder Allrad-Antrieb. Für den KEP- oder Speditions-Einsatz sind die Fronttriebler (lieferbar bis zu vier Tonnen Gesamtgewicht) ohne Frage die richtige Wahl. Bieten sie doch dank niedrigerem Ladeboden mehr Platz im Frachtabteil, bei einem gleichzeitig geringeren Leergewicht. Deutlicher von VW und dem Wettbewerb will sich MAN bei den Themen Vertrieb und Service abgrenzen. Schließlich können die Münchner in diesem Bereich über 100 Jahre Erfahrung vorweisen und viel Knowhow von den Großen auf den Van übertragen. 400 Werkstätten warten in Deutschland darauf, den TGE zu warten und zu reparieren. Und das nutzfahrzeug-typisch ohne vorherige Terminvereinbarung mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr und problemlos auch am Wochenende, wie der Hersteller verspricht. Zudem kann und darf der MAN-Vertreter auch bei vielen Aufbauten Hand anlegen. Und auch die fortschreitende Nachfrage nach Telematiklösungen kann MAN mit der offenen und umfangreichen RIO-Plattform bald befriedigen. Abzuwarten bleibt dagegen, inwieweit Transporter-Kunden das geplante Vertriebskonzept akzeptieren werden. Auch hier geht MAN ganz den Nutzfahrzeug-Weg. Der TGE ist nur über Außendienstverkäufer zu haben, auch eine offizielle Preisliste ist nicht erhältlich. Vielmehr sollen die Verkäufer beim Kunden ein individuelles Angebot erstellen. 20.000 TGE sollen auf diese Weise pro Jahr einen Käufer finden. Dann hätte man sich an den MAN-Schriftzug auf einem Transporter schnell gewöhnt. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank