CO2-Emissionen im Frankreich-Verkehr

CO2-Emissionen im Frankreich-VerkehrVerwirrende RegelnAb 1. Oktober müssen Transporteure im Frankreich-Verkehr die CO2-Emissionen ihrer Beförderungsleistung ausweisen. Doch wie das gehen soll, ist vielen deutschen Unternehmen unklar. Klar ist: Wer sich nicht an das Gesetz hält, wird nicht sanktioniert.Manchmal könnte André Ventker sentimental werden: Der geschäftsführende Gesellschafter der „Engemann u. Co. Internationale Spedition GmbH“ erinnert sich noch an die Zeiten, als Spedition vor allem die Organisation von Warenbewegungen von A nach B bedeutete. Doch „damit ist es schon lang nicht mehr getan. Unsere Disponenten machen nur noch 20 Prozent Disposition, das andere ist Pflegen von IT-Systemen.“ Und ab 1. Oktober könnte sich dieses Verhältnis noch weiter verschieben. Denn dann führt Frankreich die verpflichtende Ausweisung von Kohlendioxidemissionen einer Beförderungsleistung ein (die VerkehrsRundschau berichtete mehrfach). Sie gilt laut Verordnung Nr. 2011-1336 vom 24. Oktober 2011 für Transportunternehmen, die in Frankreich unterwegs sind oder als Start- oder Zielort Frankreich haben (siehe Kasten rechte Seite). Die französische Verordnung betrifft auch die Spedition Engemann. Denn sie transportiert unter anderem nach Frankreich, vor allem chemische Produkte und Konsumgüter – und für André Ventker beginnen die Probleme. Nicht, dass er grundsätzlich gegen so eine Maßnahme wäre. „Es macht schon Sinn, irgendetwas sichtbar zu machen.“ Doch wie das alles im Alltag funktionieren soll, ist André Ventker noch ein Rätsel: „Wir sind im Bereich Teil- und Stückgut unterwegs. Da wird die Sache ja komplizierter, wenn der Verkehr gebrochen ist“, meint Ventker – zumal die Berechnungen ja auch noch automatisiert werden müssen. „Unser IT-Dienstleister hat davon noch gar nichts gehört“, meint André Ventker. „Wir haben ein Problem, das in unser System einzupflegen.“ André Ventker ist in bester Gesellschaft: „Wer berichtet denn an wen, wenn der Auftraggeber eines Transports nicht in Frankreich sitzt?“, fragt sich zum Beispiel Gerhard Seber, Sustainable Development Manager beim DPD in Aschaffenburg. „Wir sind vorbereitet und sehr entspannt“, erläutert er. „Aber auch sehr gespannt, wie das alles konkret aussehen wird. Da ist sehr viel Schweigen im Walde.“ Einen ähnlichen Eindruck hat auch Jörg Roth, beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) in Bonn für Gefahrgutlogistik, Sicherheit und Umwelt zuständig. „Der Informationsfluss aus Frankreich ist sehr spärlich.“ Auch deshalb habe es große Mühen gekostet, einen Leitfaden für die Mitgliedsunternehmen zu entwickeln, um die Umsetzung der französischen Verordnung zu erleichtern. Die Realität und das Gesetz Grundsätzlicher wird Andrea-Dorothea Schön, Environment & Green Logistics Manager bei der Schenker AG in Essen. „Die zur französischen Verordnung aufgesetzten Emissionsfaktoren weichen erheblich von Vergleichswerten gängiger Datenbanken ab und die Umrechenfaktoren Kraftstoff – CO2sind vor allem in der Vorkette inkompatibel mit dem, was der europäische Standard vorsieht.“ DB Schenker wird daher seinen Kunden einen einheitlichen Report nach den EN 16258 Vorgabewerten liefern, was auch immer ein französisches oder sonstiges Gesetz an Vorgaben ausweist. „Letztlich muss sichergestellt werden, dass derselbe Liter Diesel dieselben Emissionswerte zugerechnet bekommt, egal, wo er verbrannt wird. Hier muss sich der Gesetzgeber der Realität stellen, nicht umgekehrt.“Was am 1. Oktober passieren wird, ist für viele Beteiligte noch offen. Was passieren müsste, darüber sind sich diejenigen, die sich in Deutschland mit dem Thema befasst haben, offensichtlich weitgehend einig: „Ich würde mir wünschen, dass Frankreich sich an die europäische Norm angleicht und darin aufgeht“, betont Gerhard Seber vom DPD. Jörg Roth vom DSLV hofft, dass es auf Dauer eine europäische Vereinheitlichung im Umgang mit der Ausweisung von CO2gibt und da nicht „noch andere Länder kommen mit einer eigenen Art der Berechnung.“ Schenker-Managerin Schön kann dem französischen Vorstoß immerhin einen positiven Aspekt abgewinnen: „Es ist wieder einmal ein Anlass, sich mit der Thematik zu befassen.“ Und davon sollte man sich auch nicht abhalten lassen durch die Tatsache, dass Frankreich bewusst darauf verzichtet, bei Nichteinhaltung der Vorgaben mit Strafe zu drohen. Doch André Ventker, Geschäftsführer der Spedition Engemann in Hilden, ahnt, worauf die Forderungen aus Frankreich hinauslaufen: „Das ist doch am Ende des Weges eine Bestrafung dessen, der sich die Mühe macht, das auszuweisen.“ ❙❚■ Florian Beck, freier Journalist Die Serie CO2-Emissionen im Frankreich-VerkehrNoch gibt es Unsicherheiten, was ab 1. Oktober zu tun ist. VR 33-34: So bereiten sich Unternehmen vorVR 35: So funktioniert die Ecotaxe Was die französische CO2-Verordnung fordertAm 1. Oktober tritt die Regelung zur Ausweisung des CO2-Ausstoßes bei Transporten in Frankreich in Kraft. Das sind ihre wesentlichen Anforderungen:Die Ausweisung der CO2-Emissionen von Transporten, deren Start- und/oder Zielpunkt in Frankreich liegt, ist verpflichtendDie Emissionen sind dem französischen Kunden auszuweisen Einbezogen werden müssen nur Transporte, aber auch Transporte von Subunternehmen Als Datenquellen akzeptiert sind Werte aus dem Erlass des Verkehrsministeriums, Flottendurchschnittswerte, Durchschnittswerte etwa für Routentyp oder Transportmittel oder konkret gemessene Werte in aufsteigender Präferenz Pro Transportsegment muss der Energieverbrauch ermittelt und in CO2-Emissionen umgerechnet werdenLeerfahrten sind zu berücksichtigen Wichtig: Die Vorgaben sind zwar verpflichtend. Wer sich aber nicht daran hält, hat vom französischen Staat keine Sanktionen zu befürchten. Die sind in dem einschlägigen Gesetz nicht vorgesehen. fb Interview „Strickfehler in der Umsetzung“ Martin Schmied vom Infras-Institut in Bern gilt als einer der führenden Experten zum Thema CO2-Ausweisung bei Transporten in Europa. An der französischen Regelung hat er einiges auszusetzen.Zum 1. Oktober macht Frankreich die Ausweisung der CO2-Emissionen bei kommerziellen Transporten von und nach Frankreich zur Pflicht. Das müsste doch ein Freudentag für jemanden sein, der sich seit langer Zeit dafür einsetzt, die Umweltkosten in der Logistik transparenter zu machen. Martin Schmied: Natürlich ist es im Prinzip zu begrüßen, wenn sich bei diesem Thema etwas tut. Allerdings sehe ich bei der französischen Regelung Strickfehler in der Umsetzung, die es schwer machen, die Vorgaben für Unternehmen, die Transporte auch außerhalb Frankreichs durchführen, in der Praxis umzusetzen.Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten?Es ergeben sich Umsetzungsprobleme für Unternehmen, weil Frankreich und die europäische Norm EN 16258 unterschiedliche Umrechnungsfaktoren ver-wenden, wie beispielsweise der Dieselverbrauch in CO2-Emissionen umgerechnet werden soll. Frankreich schreibt hierzu Faktoren vor, die außerhalb Frankreichs niemand verwendet. Das ist erstaunlich, da sie selbst die Verabschiedung der europäischen Norm mit angestoßen haben.Wie wirkt sich das in der Praxis aus? Zum einen unterscheiden sich dadurch die nach beiden Regelungen ermittelten Werte. Das verunsichert die Unternehmen, die nicht so tief in der Methodik drinstecken. Zum anderen ist es sehr ärgerlich, weil viele, die jetzt die europäische Norm anwenden und die CO2-Emissionen danach berechnen wollen, speziell für Frankreich eine andere Rechnung umsetzen müssen. Und das macht die französische Verordnung für Unternehmen nicht gerade gut handhabbar.Immerhin könnte man sagen: Die Franzosen haben etwas Verpflichtendes auf den Weg gebracht und nicht nur eine Handreichung zur freiwilligen Nutzung wie die Europäische Kommission mit der EN 16258.Das ist in meinen Augen eine zweischneidige Geschichte: Einerseits muss man sich fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, verpflichtend nationale Standards festzuschreiben, die sich dann womöglich von Land zu Land unterscheiden. Wichtiger finde ich persönlich, auf europäischer Ebene oder sogar weltweit einheitliche Regelungen zu schaffen – und die müssen nicht zwangsläufig gesetzlich vorgeschrieben sein. Hier können auch Standards wie die EN 16258 ausreichen. Andererseits drohen dem, der die französische Verordnung nicht umsetzt, keine Sanktionen. Da stellen sich manche Logistiker hierzulande schon die Frage, ob sie diese sehr spezielle nationale Regelung überhaupt umsetzen sollen. fb „Ich würde mir wünschen, dass Frankreich sich an die europäische Norm angleicht und darin aufgeht“ Gerhard Seber, Sustainable Development Manager, DPD

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