Brennersperre

Brennersperre Bewährungsprobe steht noch aus Die wichtigste Eisenbahnstrecke im Alpentransit wird für fünf Wochen komplett und für mehrere Monate zum Teil gesperrt. Bislang halten sich die Folgen der Brennersperre noch in Grenzen. Doch die eigentliche Bewährungsprobe steht offenbar noch bevor. Vor wenigen Wochen noch war das italienische Tarviso allenfalls engagierten Skisport-Fans ein Begriff. Der alpine Skiweltcup ist hier regelmäßig zu Gast. Jetzt blicken viele Logistiker, die während der Brenner-Vollsperrung bis 10. September Kombinierte Verkehre (KV) über die Tauern-Route schicken müssen, gebannt auf den Grenzort. „Tarviso ist der neuralgische Punkt auf dieser Ausweichstrecke“, sagt Armin Riedl, Geschäftsführer von Kombiverkehr in Frankfurt. Engpässe auf der Umwegstrecke Tatsächlich kam es hier in den ersten Tagen der Vollsperrung ab 6. August wiederholt zu Verzögerungen. Auf täglich 70 zusätzliche Züge waren die vorhandenen Kapazitäten des achtgleisigen Güterbahnhofs offenbar nicht eingestellt. Außerdem spielte das Wetter den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Streich: Weil starke Regenfälle einen Schienenabschnitt nahe der Brenner-Gemeinde Sterzing überschwemmt hatten, konnten diese nicht schnell genug zusätzliche Lokomotiven zur Entlastung heranführen. Von diesen Zwischenfällen abgesehen, melden Bahngesellschaften und Operateure einhellig weitgehend störungsfreie Abläufe. Egal, ob die Züge im Osten über die Tauern-Strecke oder im Westen über die Lötschberg/Simplon-Bahn umgeleitet werden. Abgesehen von den sechs bis zwölf Stunden zusätzlicher Fahrtzeit haben die meisten Kunden offenbar kaum mit Beeinträchtigungen zu kämpfen. Allenfalls „punktuelle Unregelmäßigkeiten“ hat DB Schenker Rail registriert. „Wir sorgen mit präziser Zusammenarbeit dafür, dass die Organisation der Transporte funktioniert“, sagt Vertriebsvorstand Axel Marschall. Die Probleme in Tarviso konnten demnach „deutlich“ reduziert werden. Ähnlich äußert sich Riedl: „Die Umwegverkehre sind bis jetzt weitgehend reibungslos verlaufen“, bilanziert der Kombiverkehr-Chef. „Der Aufwand für alle Teilnehmer ist freilich außerordentlich hoch.“ So mussten Lokführer für fremde Strecken geschult und zusätzliche Lokomotiven für Schiebeverkehre auf besonders gebirgigen Abschnitten bereitgestellt werden. Die Rechnung, den Brenner im verkehrsarmen August zu sperren und Operateure und Speditionen Monate vorher in die Planungen miteinzubeziehen, scheint indessen aufzugehen. „Wir konnten unsere Kunden frühzeitig auf die Verspätungen vorbereiten“, sagt Andrea Münzer, Vertriebsleiterin von Kube & Kubenz, „keiner äußerte bislang Unzufriedenheit“. Trotzdem macht sich bei kaum einem Marktteilnehmer Erleichterung breit. Denn die Vollsperrung begann eine Woche vor dem „Ferrogosto“ am 15. August: An diesem Tag starten viele Italiener ihren Sommerurlaub. In der dritten Augustwoche fallen deshalb besonders wenig Verkehre an. An einigen Tagen waren nur 20 zusätzliche Züge auf der Tauern-Strecke unterwegs. In den nächsten Wochen wird das Aufkommen wieder stark nach oben gehen, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen „Die eigentliche Bewährungsprobe steht noch bevor“, schließt Thomas Banse, Geschäftsführer von Mainsped, neuerliche Engpässe nicht aus. Am wahrscheinlichsten sind diese auf der Tauern-Strecke. Weil hier im Idealfall nur sechs Stunden zusätzliche Fahrtzeit anfallen, muss diese wenigstens drei Viertel aller Umgehungsverkehre aufnehmen. Im Fokus steht besagter Grenzort Tarviso, der alle Voraussetzungen für einen Flaschenhals erfüllt. Weil auf der sogenannten Pontebbana-Strecke (Villach – Udine) viele Züge ohne Mehrsystemlokomotive verkehren, müssen hier Wechselstrommaschinen gegen Gleichstrommaschinen und umgekehrt ausgetauscht werden: Das dauert wenigstens 20 Minuten. Außerdem gibt es auf den letzten 15 Kilometern in Österreich ab Arnoldstein eine Steilrampe, welche in der Regel nur mit einer zusätzlichen Lokomotive gefahren werden kann. Auch deren Einsatz kann sich hinziehen. Ohnehin ist die österreichische Pontebbana-Strecke im Gegensatz zum italienischen Teilstück noch nicht zur Hochleistungsstrecke ausgebaut worden und kann nur mit deutlich geringerer Geschwindigkeit befahren werden. Das empfinden viele ebenfalls als Ärgernis. Spediteure sehnen das Ende herbei Über Tarviso müssen KV-Verkehre auch dann fahren, wenn sie andere österreichische Ausweichstrecken als die Tauern-Route nehmen. Mancher Marktteilnehmer misstraut den ÖBB-Zusicherungen, dass täglich bis zu 130 zusätzliche Züge abgewickelt werden können, und zieht die Straße vor. Das freilich kann auch zu Einschränkungen führen. In jedem Fall müssen sich Speditionen und Verlader mit 40-Tonnen-Sattelzügen zufriedengeben und können nicht auf 44-Tonnen-Hängerzüge ausweichen, die nur im KV- und Rola-Verkehr zulässig sind. „Wir fühlen uns in unserer Flexibilität eingeschränkt“, wünscht sich ein leitender Mitarbeiter der Spedition Ansorge ein rasches Ende der Brenner-Sperrung herbei. Das allerdings dauert noch etwas: Vor Ende September werden die Bauarbeiten nicht abgeschlossen sein. ❙❚■ Stefan Bottler, freier Journalist Bauarbeiten auf der Brenner-Strecke verursachen einen hohen Koordinations-aufwand für Spediteure und Operateure Fünf Wochen Vollsperrung am Brenner Für 55 Millionen Euro saniert die ÖBB die Brennerbahnstrecke bis Ende September. Unter anderem werden 57 Kilometer Schienen und 46.000 Bahnschwellen erneuert. Vom 6. August bis 10. September ist die Strecke völlig gesperrt. In diesem Zeitraum werden Züge im Kombinierten Verkehr umgeleitet und die Rollende Landstraße eingestellt. Vom 11. bis 30. September ist die Strecke Dienstag bis Freitag eingleisig befahrbar. An den übrigen Tagen gilt eine Vollsperrung. bot