Binnenschiff und Lkw sind nicht konträr

Herr Spranzi, die Straße scheint der bevorzugte Verkehrsträger zu sein, wenn es um Schwergut geht, obwohl die Binnenschifffahrt die eigentlich viel besseren Voraussetzungen mitbringt. Was läuft falsch? Spranzi: In der Tat ist das verwunderlich, weil ja die Politik auch eine Entlastung der Straße anstrebt, nicht zuletzt, um CO2-Emissionen einzusparen. Ein wichtiger Grund, warum die Binnenschifffahrt trotzdem nicht zum Zuge kommt, ist die Unwissenheit in der Wirtschaft über die Möglichkeiten des Binnenschiffs. In den Lehrplänen der Kaufleute für Logistik und Spedition kommt die Binnenschifffahrt so gut wie nicht vor. Die Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort bietet aus diesem Grunde - aktuell nur für ihre Mitglieder - das Fortbildungsprogramm "Quinwalo" an. Über die Leistungsfähigkeit des Systems Wasserstraße ist viel zu wenig bekannt. Ist aber der Lkw nicht vielleicht auch das günstigere und flexiblere Verkehrsmittel? Spranzi: Das hängt vom jeweiligen Transport ab. Wenn der Faktor Zeit eine große Rolle spielt - was bei Schwertransporten eher seltener der Fall ist -, ist der Lkw häufig im Vorteil. Aber immer alles nur auf die Zeit oder den Preis abzuwälzen ist zu einfach. Herr Draaf, müssen Ihre Unternehmen sich den Schuh anziehen, dass sie zu wenig über die Binnenschifffahrt wissen? Draaf: Ich gebe Herrn Spranzi recht: Wir brauchen viel mehr Transparenz über die Leistungsfähigkeit der Binnenschifffahrt. Das Wissen fehlt aber nicht nur bei unseren Transportunternehmen, sondern auch bei vielen Verladern. Und wenn die Flüsse und Kanäle nicht zu viel oder zu wenig Wasser führen, funktioniert die Binnenschifffahrt sehr gut - im Gegensatz zu manchen Schwertransporten per Lkw, die aus meiner Sicht nicht immer sein müssten. Sind nicht die Akteure selbst gefragt, ihre Leistungsfähigkeit bekannter zu machen? Draaf: Das ist ja einer der Gründe, warum wir einen Masterplan multimodaler Schwerverkehr auflegen wollen. Wir müssen den Blick weiten. Der Vor- und Nachlauf gehört auch dazu. Spranzi: Es entsteht immer der Eindruck, dass beim Transport von Schwergut die Binnenschifffahrt und der Lkw konträr sind. Dem ist nicht so. Wir haben beide das Ziel, Verkehre zu optimieren. Das ist im Interesse unserer Kunden. Draaf: Bei verschiedenen Protagonisten, auch in der Verladerschaft, herrscht die Meinung vor, das Binnenschiff sei teuer, langsam und unsicher. Da bestehen Ängste, die die Binnenschifffahrt den Verladern nehmen muss. Und ja, es ist kostspielig, für ein oder zwei Teile ein komplettes Binnenschiff zu chartern. Aber ich kann ja zuladen, dann ist das Binnenschiff wettbewerbsfähig. Herr Draaf, können Ihre Mitgliedsunternehmen Binnenschiff? Draaf: Unsere Unternehmen sind in der Regel Frachtführer, keine Spediteure. Aber es gibt dennoch einige, die binnenschifffahrtsaffin sind. Und es werden mehr werden, denn bei Gütern, die 80, 90 Tonnen Nutzlast übersteigen, ist das Binnenschiff eigentlich konkurrenzlos. Diese Güter kann man kaum per Lkw quer durch Deutschland fahren. Ich habe große Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn ich sehe, was angesichts der maroden Infrastruktur an Kosten für die Industrie zukommt. Da droht das eine oder andere Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Höhere Anforderungen an die Straße, um so mehr Transporte auf das Binnenschiff zu verlagern? Spranzi: Es geht mir hier nicht um das Binnenschiff. Sondern ich stimme mit Herrn Draaf überein, dass man den Wirtschaftsstandort Deutschland im Blick haben muss. Wir dürfen nicht die Infrastruktur kaputt fahren. Die Folgen sind erkennbar: Stichwort "Rheinbrücken". Vielleicht könnte es von Vorteil sein, wenn - wie im europäischen Ausland - Expertenteams auf bestimmten Routen genauer prüfen, ob Schwerverkehr sinnvoll ist oder ob es nicht andere Möglichkeiten gibt und davon die Erteilung der Genehmigung abhängig gemacht wird. Der Zustand von Brücken und Straßen verschlechtert sich. Müssen Ihre Unternehmen, Herr Draaf, irgendwann nicht zwangsläufig auf das Binnenschiff ausweichen, weil es keine geeigneten Routen für Schwerlasttransporte auf der Straße mehr gibt? Draaf: Das bleibt abzuwarten. Der Bund wird ab dem 1. Januar 2021 die Autobahn GmbH ins Leben rufen und sich dann um den Neubau, Erhalt und Unterhalt des Bundesfernstraßennetzes kümmern. Wir haben die Zusage der Verkehrsministerkonferenz, dass wir bis 2035 ein Makrokorridornetz für Schwergut bekommen. Das sind Verbindungen für den Schwergut zwischen Nord und Süd sowie West und Ost. Jetzt kommt aber das Entscheidende: Wir haben die Zusage der Bundesländer, dass auch Mikrokorridore eingerichtet werden. Die sind sehr interessant, weil sie zu Umschlagzentren führen. Das erleichtert eine Verlagerung und entlastet die Straßen. Geht es im Vergleich dazu der Binnenschifffahrt noch relativ gut? Spranzi: Wir pflegen einen intensiven Austausch mit der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) über den Zustand des Systems Wasserstraße, wo welcher Handlungsbedarf ist. Das ist ein sehr positiver Prozess. Bis auf Sperrungen aufgrund unvorhergesehener Ereignisse, die nicht so häufig eintreten, können wir grundsätzlich verlässlich planen. Draaf: In dem Arbeitskreis multimodaler Schwergutverkehr haben wir uns auf die Fahne geschrieben, einen Masterplan multimodaler Schwergutverkehr zu entwickeln, der die Inhalte der beiden anderen Masterpläne Schienengüterverkehr und Binnenschifffahrt berücksichtigt und dann daraus eigene Schlüsse zieht. Der BDB ist bei diesem Masterplan dabei? Spranzi: Ja. Dass der BDB den Masterplan Binnenschifffahrt mit Nachdruck voranbringt, der auch Maßnahmen zur Stärkung des Schwergut- und Großraumtransportes mit dem Binnenschiff enthält, liegt auf der Hand. Das hält uns aber nicht davon ab, den Masterplan multimodaler Schwerverkehr kraftvoll zu unterstützen. Denn es ist im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland, drei Verkehrsträger optimal miteinander zu verknüpfen. Wann erscheint der Masterplan? Draaf: Hier hat die Corona-Pandemie den Zeitplan kräftig durcheinandergeworfen. Momentan liegt der Masterplan beim Bundesverkehrsministerium. Aber ich hoffe, wir können diesen Masterplan noch dieses Jahr veröffentlichen. In Kürze Sind Binnenschiff und Lkw beim Transport von Schwergut Wettbewerber? Ja, auch. Dennoch wollen die Akteure eine mehr zusammenarbeiten. Dazu soll unter anderem ein neuer Masterplan beitragen, der kurz vor der Veröffentlichung steht. Vita Roberto Spranzi, geboren 1963, hat eine Lehre als Speditionskaufmann absolviert. Er ist seit April 2013 Vorstandsmitglied der DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt in Duisburg und Vize-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Der BDB ist unter anderem Interessenvertreter seiner Mitglieder gegenüber Politik und Verwaltung. Zu seinen Mitgliedern gehören Partikuliere, Genossenschaften, Reedereien und Fördermitglieder. cd

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