Bericht aus Berlin

Bericht aus BerlinRot-grüner Streit über Verkehrsprojekte Die beiden Wunschpartner sind sich ausgerechnet in der Verkehrspolitik uneins. Infrastrukturvorhaben sind immer wieder zentrale Streitpunkte zwischen SPD und Grünen.Nach den überraschend gescheiterten Verhandlungen über eine Koalition in Berlin ist zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein heftiger Streit über die Verkehrspolitik ausgebrochen. Eine rot-grüne Koalition war in der Hauptstadt wegen des Neins der Grünen zum Weiterbau der Autobahn A 100 nicht zustande gekommen.Die Grünen hatten sich noch nicht von dem Schock der geplatzten Verhandlungen erholt, da begann vonseiten der SPD ein wahres Trommelfeuer der Kritik. Eine wirtschaftsfreundliche Infrastruktur sei die Grundlage des Wohlstands in Deutschland, dazu gehörten auch Autobahnen, Schienenwege, Stromtrassen und Pipelines, stellte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel klar. Der SPD-Spitzenkandidat für die bayerischen Landtagswahlen 2013, Christian Ude, sprach gar von einer feindlichen Haltung der Grünen gegenüber Verkehrsprojekten, die „Züge eines Religionskrieges“ enthalte. Der Münchner Oberbürgermeister bezog sich dabei auf die A 100, aber auch auf den geplanten Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Ude will die auch in seiner eigenen Partei umstrittene Bahn unbedingt, während die Grünen den Ausbau vehement ablehnen.Und SPD-Politiker wurden nicht müde, weitere Infrastrukturprojekte aufzuzählen, die bei den Grünen auf Widerstand gestoßen sind. Genannt wurde das heftig umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Die Grünen lehnen es strikt ab, die SPD ist grundsätzlich dafür. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg ist in dieser Frage gespalten und hat deshalb eine Volksabstimmung initiiert. In Rheinland-Pfalz waren es sogar zwei Großprojekte, die von den Grünen bekämpft wurden: eine Hochmoselbrücke und eine Brücke über den Mittelrhein. In den Koalitionsverhandlungen schlossen SPD und Grüne einen Kompromiss: Der Hochmoselübergang wird gebaut, die Mittelrheinbrücke vorerst nicht.Zentraler Konfliktpunkt bei der 2008 angestrebten, letztlich aber am Widerstand der SPD gescheiterten rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen war der Ausbau des Flughafens Frankfurt. Während die Grünen diesen ablehnten, war die SPD dafür. Beide Parteien einigten sich deshalb nur darauf, ein Nachtflugverbot durchsetzen zu wollen. Grüne sehen sich nicht als Nein-SagerDie Grünen reagierten uneinheitlich auf die geballte Kritik der Sozialdemokraten. Parteichef Cem Özdemir entgegnete, die SPD sei bei der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in den 70er-Jahren stecken geblieben. Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke warf der SPD zu Wochenbeginn vor, die Diskussion über Verkehrsprojekte „hochzubauschen“. Die Grünen würden sich „definitiv nicht in die Ecke stellen lassen, gegen alle Infrastrukturprojekte zu sein“. Nachdenkliche Töne schlug dagegen der Grünen-Verkehrspolitiker Anton Hofreiter an. „Wir müssen den Blick vom Widerstand gegen einzelne Projekte stärker auf die Gesamterfordernisse des Netzes richten.“ Hofreiter, der auch Vorsitzender des Bundestagsverkehrsausschusses ist, räumte ein, der Blick auf das große Ganze sei oft abstrakt. „Man kann dafür nicht so viele Leute mobilisieren wie für den Protest gegen Einzelprojekte.“ Für ihn bestehe der eigentliche Skandal darin, dass für einzelne Prestigeprojekte immer noch Milliarden ausgegeben würden, während für sinnvolle, aber wenig prestigeträchtige Projekte das Geld ständig gestrichen werde. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in BerlinAm Weiterbau der Autobahn A 100 scheiterten die rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Berlin

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