Bericht aus Berlin

Bericht aus BerlinDes Bürgers VotumStehen Großprojekte in Deutschland auf der Kippe? Politiker und Sachverständige fordern trotz des Scheiterns des Flughafenausbaus in München mehr Bürgerbeteiligung für die Akzeptanz der Verkehrswegeplanung.Koalition und Opposition sowie Verkehrsexperten sind sich einig: Bei Großprojekten müssen die Bürgerbeteiligung ausgebaut und die Genehmigungsverfahren gestrafft werden. Wenige Tage vor der Ablehnung einer dritten Startbahn am Flughafen München durch eine Volksabstimmung wurde diese Position während einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses bekräftigt.Die Anhörung ging zurück auf eine Initiative der SPD-Fraktion, die zur gleichen Zeit ihr Konzept „Infrastrukturkonsens“ verabschiedet hatte, eine grundlegende Reform der Bundesverkehrswegeplanung. Unter der Prämisse „Gemeinsam Zukunft planen – Infrastruktur bürgerfreundlich voranbringen“ warb der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol für das unter seiner Federführung erarbeitete 16-seitige Papier. Für den Straßenverband Pro Mobilität stimmte Stefan Gerwens der Notwendigkeit einer stärkeren Verankerung der Infrastrukturpolitik in der Gesellschaft zu. Dazu sei eine engere Beteiligung der Öffentlichkeit an der Infrastrukturplanung auf der Projekt- und Netzebene eine wesentliche Voraussetzung, die aber Entscheidungen der Behörde nicht ersetzen könne. Und Gerwens stellte klar: „Eine Bedarfsfestlegung für die Bundesebene durch Volksabstimmungen über Infrastrukturplanungen wird nicht befürwortet“. Ähnlich äußerte sich der Rechtswissenschaftler Thomas Groß, der für eine Beteiligung der Bürger „allein über das Internet“ plädierte. Die Alternative, den Planentwurf sowie den Umweltbericht öffentlich auszulegen, wäre für eine bundesweite Planung mit vermutlich vielen Hundert betroffenen Gemeinden kaum praktikabel. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht in einer verbesserten Bürgerbeteiligung und beschleunigten Genehmigungsverfahren keinen Widerspruch. Volksabstimmungen auf Bundesebene seien aber abzulehnen, betonte BDI-Vertreter Ben Möbius. Und er fügte hinzu: „Die deutsche Industrie ist in Sorge darüber, dass wichtige Investitionsprojekte sich verzögern oder gar nicht verwirklicht werden“.Anders als der BDI und Pro Mobilität befürwortete der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) verbindliche Volks- und Bürgerentscheide nicht nur auf Landes- und kommunaler, sondern auch auf Bundesebene. Damit habe man in der Schweiz und auch in Bayern „gute Erfahrungen gemacht“, betonte Tilmann Heuser, das Votum vom vergangenen Sonntag gegen eine dritte Startbahn am Flughafen München praktisch vorwegnehmend. Er zitierte eine Umfrage, derzufolge 79 Prozent der Deutschen meinten, dass auf ihre Interessen zu wenig Rücksicht genommen werde. Bund will Bürger mehr beteiligenUnabhängig von der Anhörung machte auch die Bundesregierung deutlich, dass sie die Bürger stärker bei der Verkehrsplanung einbeziehen will. Nach Veröffentlichung der Konzeption für den Bundesverkehrswegeplan sollen sich Bürger und Verbände über das Internet innerhalb von vier Wochen zu dem Entwurf äußern können, teilte das Verkehrsministerium mit. „Bürgerbeteiligung darf nicht nur Worthülse sein, sie muss auch mit Leben gefüllt werden“, sagte Ressortchef Peter Ramsauer (CSU). Mit der Einbindung der Bürger wolle er „Betroffene zu Beteiligten“ machen. Das Bundesverkehrsministerium plant bis 2015 einen neuen Bundesverkehrswegeplan, die Vorarbeiten haben bereits begonnen. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in BerlinDie Münchner entschieden sich gegen den Bau einer neuen Startbahn am Flughafen

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