Bahnbörsengang: Bundesregierung für offenen Dialog

28.08.2006 09:32 Uhr
Bahnsitz
© Foto: Verkehrsrundschau online

Schienennetz bleibt offenbar bei Bahn: Endgültige Entscheidung über Eigentumsmodell bis Ende Oktober

Berlin. Die Bundesregierung will vor einer Festlegung auf ein Privatisierungsmodell der Deutschen Bahn mögliche Alternativen offen mit allen Bundestagsfraktionen erörtern. Das stellte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag zur Diskussion über den Börsengang des letzten großen Bundesunternehmens fest. Dabei geht es um die umstrittene rechtliche Organisation des Gleisnetzbetriebs der Bahn. „Die Entscheidungen sollen in der zweiten Oktoberhälfte fallen“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. In dem seit zwei Monaten schwelenden Konflikt über einen Bahn-Beschäftigungspakt parallel zum Börsengang der Bahn beginnt heute die Schlichtung. Zuvor waren die Tarifgespräche über den Schutz vor Entlassungen bei der Bahn gescheitert. Schlichter sind Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für die Arbeitnehmer und der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) für die Arbeitgeber. Der Bahnkonzern hatte betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2010 ausgeschlossen. In der kleinen Regierungsrunde unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte es am Donnerstag noch Differenzen über die Frage eines Börsengangs mit oder ohne Schieneneigentum der Bahn zwischen den Ministern Michael Glos (Wirtschaft/CSU), Peer Steinbrück (Finanzen/SPD) und Wolfgang Tiefensee (Verkehr/SPD) gegeben. Dagegen betonte Steg, es sei in dem Gespräch von vornherein nicht um eine Regierungsentscheidung gegangen, sondern die Erörterung nur noch weniger Netzmodelle. An diesem Dienstag tagt der Lenkungsausschuss der Staatssekretäre mit den verkehrspolitischen Sprechern der Koalitionsfraktionen. Mit Modellbeschlüssen rechnet die Regierung dabei ebenfalls noch nicht. Steg beschrieb zugleich den weiteren absehbaren Zeitplan: Das Kabinett werde sich im Oktober auf ein Privatisierungsmodell festlegen. Der genaue Termin sei noch offen. Tiefensee werde im September auf alle Fraktionen zugehen. Mit den Ländern könne unter anderem am 20. Oktober im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz über das Thema beraten werden, das die Zustimmung von Regierung, Bundestag und Bundesrat erfordert. Voraussichtlich am 27. Oktober soll sich das Plenum des Bundestages in einer großen Debatte mit der Zukunft der Bahn befassen und in einer Entschließung die Entscheidung deutlich machen. Diese dürfte nach Angaben aus Koalitionskreisen vorher hinter den Kulissen ausgehandelt werden. Auch die Oppositionsfraktionen der FDP, Grünen und Linken hatten bereits vor Wochen Interesse an einem möglichst einmütigen Beschluss zur Bahnprivatisierung bekundet. Ihnen geht es für die Zukunft wie vielen Verkehrspolitikern der Koalition um einen ausreichenden Ausbau der Schieneninfrastruktur und damit der Versorgung auch mit regionalen Transportleistungen. Dies ist laut Opposition jedoch nicht erreichbar, solange die große Koalition nicht die Weichen für eine klare rechtliche Abtrennung des Netzbetriebs der Bahn vom sonstigen Konzern stellt. Danach sieht es jedoch - zumindest nach den Plänen von Tiefensee und Steinbrück - nicht aus. Wie aus Koalitionskreisen zu hören ist, läuft die Entscheidung im Kabinett auf zwei Mischmodelle zu, die der Bahn in beiden Fällen langfristig die Hoheit über die Schieneninfrastruktur und den Netzwettbewerb mit Konkurrenten belässt. Nach dem Integrationsmodell ginge die Bahn einschließlich Schienennetz an die Börse, der Bund bliebe dann aber Mehrheitsaktionär und erhielte das Recht einer Rückübertragung des Netzes bei unerwünschten Bahn-Entscheidungen, die jedoch auch von der Bundesnetzagentur korrigiert werden könnten. Nach dem kleinen Eigentumsmodell behielte der Bund das Eigentum am Netz, würde der Bahn aber ein langfristiges Nutzungsrecht (Nießbrauch) übertragen - im Gespräch sind 30 Jahre. Das reine Konzerneigentum - ohne Netz - könnte in Stufen bis zu 100 Prozent privatisiert werden. (dpa/sb)

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