Aus alten Fehlern gelernt

Die Testflotte der Actros-Nachfolger wuchs um einWechselbrückenfahrgestellAus alten Fehlern gelerntFür die Entwicklung des Actros-Nachfolgers hat Daimler sich neue Prüfstände und ein neues Versuchszentrum gegönnt. So soll in Zukunft eine reibungslose Produkteinführung gelingen. Die VR durfte schon einmal hinter die Kulissen schauen.Die Mercedes-Presseabteilung arbeitet anscheinend perfekt: Kurz nach der Präsentation der komplett neuen Prüfstände und des neuen "EVZ" genannten Testgeländes wurden der Redaktion ganz "zufällig" weitere Bilder angeboten, die den aktuellen Stand der Dinge, die aktuell getestet werden, darstellen.Testaufwand massiv erhöhtNachdem Daimler der Actros 1 heute noch in den Knochen sitzt, hat man in Sachen Aufwand nochmal nachgelegt – in typisch schwäbischer Gründlichkeit. Will heißen: Den aktuellen Prototypen der Actros- und Axor-Nachfolger gingen unendlich viele softwaretechnische Berechnungen und Versuche voraus. Erst wenn die zur Zufriedenheit "getestet" wurden, geht man an den Prototypenbau der Einzelteile, die wieder separat getestet werden. Dabei haben sich die Daimler-Mannen im Laufe der Jahre sehr komplizierte, nachverfolgbare und wiederholbare Testzyklen erarbeitet, die in Sachen Qualität und Komplexität neue Maßstäbe setzen sollen. Mit einbezogen ist mittlerweile auch der Service, der virtuell bereits im Entwicklungscenter Brühl, vor den Toren Stuttgarts, stattfinden kann. Hier schrauben und warten jetzt schon virtuelle Mechaniker auf einer 3-D-Leinwand den Nachfolger der aktuellen Baureihen und prüfen beispielsweise, wie man an die Batterieabdeckung der Wechselbrückenfahrzeuge herankommt, oder ob genug Platz für den Rüssel der Tankpistole bleibt. Bis zum Zerreißen: Die ZerstörungstestsDaneben werden Schwungräder bis zum Zerreißen gedreht, was übrigens bei 9300 Umdrehungen passiert. Dazu kommen 53 Vollmotorenprüfstände, wo man sich schon gar nicht mehr die Mühe machte, die Reihensechszylinder-Weltmotorenabzubauen, auf deren Filtern allesamt der Schriftzug "Detroit Diesel" prangte, darunter auch die Topversion mit 15,6 Liter Hubraum. Daimler will bei SCR bleibenObwohl diese Aggregate bei Freightliner mit EGR gereinigt werden, möchte man in Europa weiterhin auf SCR setzen, was man angesichts des AdBlue-Tanks am Kipper-Erlkönig glauben mag. Abgesehen davon, dass der Erlkönig-Fuhrpark um eine "Axor"-Zugmaschine und ein Wechselbrückenfahrgestell erweitert wurde.Der aktuelle Axor wird die letzten Jahre mit leicht geänderten Scheinwerfern und A-Säulenverkleidungen schaffen müssen. Außerdem ist auch bei ihm mit einer neuen Bau-Powershift zu rechnen. Ein größeres Lifting wie beim Actros wird sich Daimler aufgrund der engen Marktnische und der eher mäßigen Marktlage sparen. Überhaupt scheint noch nicht festzustehen, ob die künftige Generation überhaupt wieder einen "Axor" kennen wird, oder ob man aus Kostengründen nicht auf zwei Baureihen zurückgeht, wie es MAN beim TGL/M und beim TGS/X vorgemacht hat. Denn jedes nicht zu entwickelnde Teil spart in der Verwaltung ganz massive Kosten – selbst wenn das nur ein Axor-Schriftzug oder -scheinwerfer ist. Alle Neuentwicklungen werden jedenfalls über mindestens 1,2 Millionen Kilometer getestet, bevor sie in eigene Testfahrzeuge und Autos von "befreundeten" Speditionen in den Alltagseinsatz kommen. Denn man kann rechnen so viel man will, "der Teufel liegt oft im Detail", weiß Testfahrer Charly Feiereis. "Noch haariger wird das Ganze, wenn man glaubt, den Fehler entdeckt und abgestellt zu haben, um dann festzustellen, dass das Problem wo anders herrührt. Dann schraubt man halt wieder Alles auseinander, bis man endlich Ruhe hat", erklärt der Tester.Davor hatte schon Detlef Schnitzer das Vergnügen mit dem Antriebsstrang. Den kann er als Ganzes auf dem so genannten "Powertrain-Prüfstand" in Untertürkheim testen, den der Testingenieur als eines der "mächtigsten Prüfwerkzeuge" bezeichnet. Hier läuft der gesamte Triebstrang ein ganzes Jahr, was vor allem durch die neuen Klauengetriebe notwendig wurde, auf die viel mehr Einflussfaktoren wirken als auf die Synchronboxen. Der Prüfstand schafft bis zu 47.000 Nm Raddrehmoment für den schwersten Actros oder wahlweise 215 km/h an der Achse für den schnellsten Vito, dessen Antriebsstrang man hier ebenfalls einspannen kann. Wesentlich ruhiger geht der Elektrikcheck bei Matthias Mohr vonstatten, der die gesamte Elektrik als "Hardware in the Loop" testet. Eine Möglichkeit, die man beim Actros 1 leider noch nicht hatte, da damals die Rechnerkapazitäten dafür noch gar nicht existierten. Der Vorteil der rechnergestützen Tests: Sie können rund um die Uhr laufen. "Die kleinen Programme tagsüber unter der Woche, die großen über Nacht oder übers Wochenende", freut sich Mohr. Sind alle Einzelkomponenten abgesegnet, werden erste Prototypen montiert, die dann wieder Charly Feiereis und seine Kollegen im neuen EVZ und auf der Straße testen. Für die Detailabstimmung ist dann das Popometer immer noch unersetzlich. "Da kommt es auf kleinste Nuancen bei der Dämpferabstimmung an, welche Druck- und Zugstufen wir fahren und das lernt man nur über die Jahre", lacht Feiereis.Unterstützt wird er beispielsweise von Carsten Maurer, der den Schlechtwegetest vorführt und dazu das von oben schräg kommende Gurtband hinter den Rücken legt, also quasi nur mit Beckengurt fährt. Durch die schlechte Straße, die übrigens sämtliche Oberflächen von Europa, Amerika, Afrika, Asien und Australien simuliert, zöge sich der Gurt immer weiter zu. "Am Ende müsste man mich aus dem LKW rausschneiden", zwinkert er und quält das Auto wieder eine Stunde lang, bevor es wieder eine Sichtkontrolle bekommt und er eine Stunde Pause hat. Länger könnte er auch nicht fahren. Das alles für das eine Ziel: den Nachfolger der aktuellen Baureihen von Anfang an zuverlässigst auf die Straße zu bringen. Trotz neuer Elektrik, neuem Antriebsstrang und neuer Kabine. Das könnte klappen. Denn Fehler einzugestehen, daraus zu lernen und sie abzustellen ist eine Stärke des Daimler-Konzerns. ❙❚■ Gregor Soller Gezielt verbessert ins SchlammbadNach der Fernverkehrsversion verbessert Mercedes die Actros-Baufahrzeuge, denen man teils eigene, einsatzspezifische Komponenten spendiert. Darunter die optionale Schalt-automatisierung Powershift II mit Geländemodus.Die Präsentation des Bau-Actros ist ein Drama in mehreren Akten: Fahren darf man ihn offiziell nicht, da die ersten Vorserienexemplare noch nicht über das volle Ornat mit hahnentrittgeriffelten Außenspiegelkappen, den neuen seitlich flexiblen Pendeleinstieg und den vier Millimeter starken Unterfahrschutz verfügen. Gezieltes Ausmerzen der KritikpunkteWomit außer dem neuen soliden Handlauf am Dach auch schon die markantesten optischen und funktionellen Neuerungen genannt wären. Damit hat Mercedes gezielt alle bisherigen Kritikpunkte beseitigt. Ansonsten blieb aber alles beim Alten – zumindest bei den Handschaltern.Im Zuge der Präsentation des neuen Testgeländes durfte man dann aber doch einige Zeit durch die extra angelegten Testhügel pflügen, die den berüchtigten "Sauberg" freilich nicht ersetzen werden. Der gefahrene "Brot und Butter"-3244 überzeugte als absolut knisterfrei verarbeitetes kräftiges Arbeitstier, das sich dank Achslastausgleich vorn auch über grobe Hügel und durch tiefe Schlammlöcher arbeitet. Notfalls mit Hilfe der Sperren, die per Drehschalter in der richtigen Reihenfolge eingelegt werden.Der Fahrer blickt auf schicke chromumrandete Instrumente, die ebenso wie der einsteckbare Brotzeittisch auf der Beifahrerseite vom Fernverkehrsauto übernommen wurden. Außen kann man den Bauarbeiter jetzt noch besser gegen steinige Angriffe aus der Grube schützen: Neben den Metallgittern an den Frontscheinwerfern gibt es die auch für die Rückleuchten. Außerdem ist für die Unterseite des Tanks ein Schutzbügel verfügbar. Noch deutlich spannender als all die gezielten äußerlichen Verbesserungen werden aber die Optimierungen an der automatisierten Schaltung Powershift II mit neuem Geländemodus sein, die die Gänge deutlich schneller sortieren soll als die bisher verbaute Telligent-Schaltung. Aktuell beginnt die Auslieferung Diesen Höhepunkte des Stückes "Actros 3 Bau" heben sich die Daimler-Regisseure allerdings bis zum Beginn der Saison im Frühjahr 2009 auf. Dann gibt es vielleicht auch schon die erste Erfahrungen von den Kunden. ❙❚■ Gregor Soller

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