Auf Wachstumskurs

Mit sorgenvollen Mienen wird derzeit der Güterverkehr zwischen Deutschland und Italien angesichts von zahlreichen Zugverspätungen und Sperrungen auf der Brennerroute betrachtet. Deutlich weniger stark im Fokus steht hingegen der Güterverkehr nach Skandinavien. Dabei braucht sich Skandinavien nicht hinter Italien zu verstecken: Waren im Wert von 65,3 Milliarden Euro wurden 2017 von deutschen Unternehmen nach Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden exportiert. Italien kaufte Deutschland im gleichen Jahr Waren im Wert von 65,5 Milliarden Euro ab. Zahlen, die zeigen, welche enorme Bedeutung funktionierende Transporte auf der Skandinavien-Route für die Wirtschaft haben. Kein Wunder, dass dann zwischen Dänemark und Schweden die Öresund-Brücke gebaut wurde. Seit 2000 ist somit sowohl im Straßengüter- wie auch im Schienengüterverkehr ein durchgehender Landtransport möglich. Rolle der Bahnen wird immer wichtiger Dennoch ist der Fährverkehr, der zuletzt sogar zulegen konnte, eine wichtige Ergänzung geblieben. "Wir wollen weiter wachsen", sagt Ron Gerlach, Trade Director und Geschäftsführer Stena Line Deutschland, gegenüber der VerkehrsRundschau. 2017 hat Stena das Frachtaufkommen um drei Prozent steigern können. Der Trend setzt sich fort, teilt das Unternehmen anlässlich der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen 2018 mit. "Auf den Deutschlandrouten haben wir 2017 sogar ein Wachstum von etwa acht Prozent erzielt", sagt Gerlach. Einer der Wachstumstreiber ist der Bahnverkehr. So steigt die Zahl der Sattelauflieger, die per Bahn in die Häfen gebracht und dann verschifft, oder umgekehrt, vom Schiff auf den Waggon gesetzt werden. "Wir beobachten einen Zuwachs bei Trailern, die im Kombinierten Verkehr befördert werden", sagt Gerlach. Hier steht vor allem Kiel im Fokus, weil dort die Abfahrtszeiten der Fähren so getaktet sind, dass genügend Zeit bleibt, um die Trailer zu verladen. "Etwa 50 Prozent der Fracht in unseren Schiffen von und nach Kiel sind unbegleitete Trailer", so Gerlach. So hat das Transportunternehmen Lkw-Walter Kiel zu seiner Drehscheibe für Skandinavien-Verkehre gemacht und zieht seine Ganzzüge über den Hafen. Ekol fährt zweimal die Woche zwischen Triest und Kiel einen Zug im Kombinierten Verkehr (KV). Auch Kombiverkehr bietet einen für alle Spediteure offenen Zug zwischen Verona und Kiel an. Das Besondere: Hier ist Stena Line zu 50 Prozent für die Auslastung verantwortlich. Stena denkt über die Reling seiner eigenen Schiffe hinaus. Dafür gibt es weitere Beispiele: Zusammen mit der Spedition Deucon Chemielogistik und der Pressnitztalbahn hat Stena eine Intermodalverbindung zwischen Rostock und Halle/Leipzig/ Schkeuditz ins Leben gerufen. Transportiert wird vor allem Chemieladung. Im Dezember 2017 gab es den ersten Rundlauf. Im Januar fiel bereits der Startschuss für den zweiten Rundlauf pro Woche und für den Sommer ist ein dritter Rundlauf geplant. "Damit wollen wir auch Signale an unsere Kunden senden: Wir entwickeln Produkte und sind dafür auch bereit, ins Risiko zu gehen", sagt Gerlach. Impulse für den KV kommen auch vom zunehmenden Verkehr auf der Seidenstraße. "Seit 2016 registrieren wir, dass auch immer mehr Container, die die Seidenstraße zwischen Europa und China nutzen, auf unseren Fähren transportiert werden", sagt Gerlach. Daher hat die Reederei Gespräche mit den Operateuren aufgenommen, um über eine Ausweitung dieser Transporte zu sprechen. Eine Besonderheit kann die Stena Line auf den Routen Rostock - Trelleborg und Sassnitz - Trelleborg anbieten. Dort kommen Eisenbahnfähren zum Einsatz. Der Vorteil: Anders als im KV ist kein zusätzlicher Umschlag notwendig und werden die Waggons in die Fähre geschoben. Bei Stena wird überlegt, auch KV-Züge per Eisenbahnfähre zu befördern. An einem solchen Projekt arbeiten gerade Reederei-Mitarbeiter in Rostock. Gerlach geht davon aus, dass immer mehr Sattelauflieger per Bahn auf die Fähren kommen. "Anfangs fehlte das Vertrauen in die Pünktlichkeit der Züge", schildert Gerlach die Bedenken vieler Spediteure. Mittlerweile habe sich die Qualität verbessert, er sieht allerdings immer noch die Notwendigkeit, dass die Züge pünktlicher werden und besser informiert wird. Auch wenn die Bahnen nicht immer ihren Fahrplan einhalten, hat schon heute für Stena die Beförderung der Trailer im KV Vorteile. "Die Berechenbarkeit ist höher und wir können die Ladungen besser planen", sagt Gerlach. Zumal die Ankunft der Züge zum Teil deutlich vor der Abfahrt der Fähren liegt und Verspätungen im überschaubaren Ausmaß daher keine große Rolle spielen. Aber auch im begleiteten Verkehr, der auf einigen Routen immer noch den Hauptteil der Fracht ausmacht, sieht Gerlach Potenzial. "Im Vergleich zum Landweg können die Fahrer auf dem Schiff ihre Ruhezeit einlegen und dann gleich nach Ankunft weiterfahren", nennt er einen Vorteil gegenüber der Lkw-Fahrt auf dem Landweg. Zu den Kunden von Stena im Frachtverkehr gehören ausschließlich Transportunternehmen und Speditionen. Vor allem die großen Logistikdienstleister wie Dachser, DB Schenker, DHL, DSV und Lkw-Walter buchen regelmäßig Kontingente auf den Schiffen. "Unsere Top 10 sorgen für etwa 70 Prozent des Aufkommens auf unseren Routen", sagt Gerlach. Das Wachstum im Fährverkehr kommt jedoch von allen Speditionen, auch von Kleineren. Im Blick hat Gerlach dabei auch Regionen wie Südosteuropa mit Ungarn oder Rumänien. "Auf Dauer wollen wir dort stärker Fuß fassen", sagt der Stena-Manager. Schon jetzt gibt es positive Beispiele: So fährt Lkw-Walter täglich einen Ganzzug zwischen Rostock und Brünn (Brno) in Tschechien, um von dort aus die Waren weiter nach Südosteuropa zu verteilen. "Da bewegt sich einiges, das ist für uns eine spannende Region", so Gerlach. Bei all dem Wachstum stellt sich die Frage, ob es auf den Fähren noch genügend Kapazitäten gibt. Gerlach schmunzelt angesichts dieser Frage: "Natürlich haben wir noch Platz." Der Reederei-Manager beziffert die Auslastung auf etwa 70 Prozent. "Wir sind damit sehr zufrieden. Und wenn wir mehr Kapazität benötigen, werden wir eher größere Schiffe einsetzen, als die Zahl der Abfahrten zu erhöhen", so Gerlach. Die Reederei TT-Line hatte jüngst ein Fährschiff um 30 Meter erweitert und damit die Frachtkapazität um 25 Prozent erhöht. Andererseits hat Stena Line gerade zwei weitere Fähren bestellt, die 2022 ausgeliefert werden sollen. "Wir gehen von einer weiter steigenden Nachfrage nach Frachtkapazität in Nordeuropa aus und unsere neuen Fähren passen perfekt zu den erwarteten Marktentwicklungen", sagt Niclas Mårtensson, CEO der Stena Line. Wo die neuen Fähren eingesetzt werden, sei noch nicht entschieden, dazu würde man gerade verschiedene Szenarien durchspielen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Fähren www.verkehrsrundschau.de/dossiers Seehafen Kiel investiert in den Güterverkehr Mehr Vorstauflächen für Lkw im OstuferhafenDer Seehafen Kiel trifft zahlreiche Vorbereitungen, um die Bedingungen im Fährverkehr zu verbessern. So soll der Einfahrtsbereich des Ostuferhafens neu gestaltet werden. Dazu werden Lagerhallen abgerissen und so bis zum Frühjahr 2019 mehr Platz für die Lkw-Bereitstellung geschaffen. Das Investitionsvolumen alleine für diese Maßnahme beträgt sieben Millionen Euro.Weiterhin soll der Rangierbahnhof Kiel-Meimersdorf im Rahmen des Sofortprogramms Seehafen-Hinterlandverkehr II des Bundes ertüchtigt werden, sodass Güterzüge auch mit einer Länge von 740 Metern einfahren können. Zudem ist beschlossen, den Einfahrtbereich des Terminals am Schwedenkai mit einem dritten Rangiergleis auszustatten. Die Bauarbeiten an diesem 1,25 Millionen Euro teuren Projekt sollen im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Damit wollen die Kieler die Voraussetzung schaffen, dass künftig mehr Trailer als die 30.000 im letzten Jahr umgeschlagen werden. cd