Alle 140 Jahre zur Kontrolle

Für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kommt es derzeit dicke: Nach dem Totalverriss des Bundesrechnungshofs (BRH) an dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) üben die Rechnungsprüfer jetzt auch Kritik wegen mangelhafter Lkw-Kontrollen. Ganz zu schweigen von zwölf EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen das Ressort und dem Abgasskandal, die ihm die Leistungsbilanz verhageln. "Überladene Lkw gefährden die Verkehrssicherheit, beeinträchtigen den Wettbewerb und schädigen den Straßenaufbau erheblich. Würde das BMVI Überladungen wirksam bekämpfen, könnte jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag für die Erhaltung der Bundesfernstraßen eingespart werden", lautete das Fazit des BRH in der vergangenen Woche. Seit mehr als zehn Jahren habe es das Verkehrsministerium versäumt, eine effektive Überladungskontrolle sicherzustellen. Angesprochen sind damit auch Dobrindts Vorgänger Peter Ramsauer (CSU) und Wolfgang Tiefensee (SPD). Kaum zu glauben, aber wahr: "Statistisch gesehen muss ein Lkw-Fahrer nur alle 140 Jahre damit rechnen, kontrolliert zu werden", heißt es in den Bemerkungen des BRH. Große Löcher klaffen im Messstellennetz Was nicht verwunderlich ist, da es viel zu wenige Achslastmessstellen gibt. Schon 1997 sollte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Auftrag des Ministeriums für ein flächendeckendes Netz von Messstellen sorgen. Doch nur die Hälfte von 80 geplanten wurde gebaut und davon sind 18 ungeeignet. Ergebnis des BRH: "Ende 2014 verfügte das zuständige Bundesamt für Güterverkehr (BAG) hinter Achslastmessstellen über drei nutzbare Kontrollstellen". Doch zeigten Auswertungen des BASt, dass diese "2014 keine oder überwiegend nicht plausible Daten lieferten". 2013 erfasste das BAG etwa 85.000 Lkw automatisch, 262 Fahrzeuge waren überladen. Bereits 2003 ermittelte das Bundesamt, dass die Erhaltungskosten für Autobahnen bei weniger Überladung um 36 bis 45 Prozent gesenkt werden könnten. Die Prüfer weisen auch darauf hin, dass überladene Lkw etwa wegen des längeren Bremswegs die Verkehrssicherheit gefährden. Es verwundert daher nicht, dass der BRH Dobrindt aufgefordert hat, unverzüglich für weitere funktionierende Achslastmessstellen zu sorgen. "Anzahl und Qualität der Kontrollen sind nach wie vor völlig unzureichend". Dem Einwand des Ministeriums, die Kontrolldichte habe sich in den letzten Jahren verbessert, widersprechen die Rechnungsprüfer ausdrücklich. Sie halten es vielmehr für geboten, "dass das BMVI seine Anstrengungen erhöht". Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages, Martin Burkert (SPD), forderte "deutlich mehr Kontrollstellen und eine Umstellung von der Achs- auf die Gewichtsbezahlung". Diese müsse parallel mit der ab 2018 geplanten Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen erfolgen, sagte der SPD-Politiker gegenüber der VerkehrsRundschau. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) empfiehlt mehr Schwerpunktkontrollen. Bereits im März hatte der BRH den Entwurf des BVWP hinsichtlich der Investitionskosten als "vollständig verfehlt, bedenklich und teilweise falsch" kritisiert, worauf das Ministerium eher herablassend reagierte. Jetzt wurde bekannt, dass gegen das Dobrindt-Ressort elf EU-Verletzungsverfahren wegen Nicht-, Falsch- oder unvollständiger Umsetzung von EU-Richtlinien laufen. Hinzu kommt das Verfahren wegen der geplanten Pkw-Maut. Dies geht aus einer Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. "Dobrindt und sein Ministerium müssen zukünftig eine gewissenhaftere und professionellere Arbeitsweise an den Tag legen", sagte der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel. Eine Einschätzung, die inzwischen auch von vielen Unionsabgeordneten geteilt wird. Bundesrechnungshof Finanzkontrolle des Bundes Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Der Bundesrechnungshof fasst seine Feststellungen in Prüfungsmitteilungen oder Berichten zusammen, die er grundsätzlich an die geprüften Stellen richtet. In seinen "Bemerkungen" teilt der Bundesrechnungshof insbesondere mit, ob die in der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung und die in den Büchern aufgeführten Beträge übereinstimmen und die geprüften Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß belegt sind und in welchen bedeutsamen Fällen die geprüften Stellen die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze nicht beachtet haben. jök/ks