VerkehrsRundschau: Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat kürzlich entschieden, dass ein Leistungsbonus in die Berechnung des Mindestlohns einbezogen werden darf. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat mit dem 8,50-Euro-Gesetz genau das Gegenteil beabsichtigt. Was gilt denn nun?
Arnd Diringer: Das Problem ist, dass eine gesetzliche Klarstellung fehlt, welche Vergütungsbestandteile bei der flächendeckenden Lohnuntergrenze zu berücksichtigen sind und welche nicht. Das Arbeitsgericht Düsseldorf konkretisiert das Mindestlohngesetz (MiLoG) in diesem Punkt. Bisher war unklar, ob nur die Grundvergütung gemeint ist oder ein Arbeitgeber auch andere Zahlungen anrechnen darf, um auf die 8,50 Euro zu kommen.
Laut dem Zoll sind Zahlungen für vertraglich nicht geschuldete Zusatzleistungen eines Mitarbeiters kein Bestandteil der 8,50 Euro. Das klingt nach Ärger bei Mindestlohn-Kontrollen.
Viele Hinweise von Verbänden und Behörden beruhen auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Mindestlohnfragen. Die besagt, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich nur solche Zahlungen bei der Kalkulation des Mindestlohns berücksichtigen darf, die eine Gegenleistung für die vertraglich vereinbarte „Normalleistung“ des Arbeitnehmers darstellen. Darauf stützt sich wohl auch der Zoll. Diese Interpretation ergibt sich allerdings nicht aus dem MiLoG. Bei der Auslegung helfen könnte das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf. Es ist aber noch nicht rechtskräftig.
Wo genau widersprechen die Richter?
Die Klägerin in diesem Streitfall ist der Meinung, dass ein Leistungsbonus nicht in die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns einfließen darf, sondern „on top“ zur Grundvergütung von wenigstens 8,50 Euro gezahlt werden muss. Die Düsseldorfer Richter gehen dagegen davon aus, dass alle Zahlungen mindestlohnwirksam sind, die einen unmittelbaren Bezug zu der Arbeitsleistung haben. Auf die Bezeichnung komme es nicht an. Für sie sind allein das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Entgelt und der geleisteten Arbeitszeit sowie die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Vergütung entscheidend.
Das MiLoG ist nach Auffassung des Gerichts so auszulegen, dass sowohl Grundlohn als auch Leistungsbonus bei der Berechnung der 8,50 Euro einfließen dürfen. Es komme nur auf die Höhe der Zahlung an und nicht darauf, worauf sie beruht, argumentieren sie. Anders sieht das aber wohl bei finanziellen Extras wie vermögenswirksamen Leistungen oder bei Aufwandsentschädigungen, also Spesen, aus.
Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Verlassen kann man sich auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts Düsseldorf noch nicht. Wenn die Klägerin Berufung einlegt, kann die nächste Instanz anders entscheiden. Auch ist ungewiss, ob andere Arbeitsgerichte dem vorliegenden Urteil folgen. Wirklich Rechtssicherheit besteht erst, wenn das Bundesarbeitsgericht als höchste arbeitsrechtliche Instanz eine Entscheidung getroffen hat. Das kann allerdings viele Monate, vielleicht sogar Jahre dauern.
Das heißt: Es ist sicherer, nicht vorschnell die Lohnabrechnung zu ändern. Richtig?
Das Urteil aus Düsseldorf wird in der Praxis Signalwirkung haben. Arbeitgeber, die Leistungsboni ab sofort beim Mindestlohn anrechnen, sollten sich aber bewusst sein, dass sie ein rechtliches Risiko eingehen. Schlimmstenfalls müssen sie neben der vorenthaltenen Grundvergütung rückwirkend Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Das Interview führte VR-Redakteur André Gieße
Hintergrund:
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage einer Arbeitnehmerin abgewiesen, die moniert hatte, dass ihr Arbeitgeber einen Leistungsbonus teilweise bei der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns einbezogen hatte. Die Grundvergütung lag in diesem Fall bei 8,10 Euro und von dem freiwilligen Bonus in Höhe von höchstens einem Euro wurden mit Inkrafttreten des MiLoG 40 Cent fix gezahlt, um 8,50 Euro pro Stunde zu erreichen. (ag)