Zukunft von Renault Trucks

Zukunft von Renault TrucksDie Zukunft im Zeichen der DampflokomotiveDie Dampflok war das starke Zeichen der Marke Berliet. Die Kraft, die in Lyon damals Druck im Kessel machte, prägt kurz vor Einführung von Euro 6 auch die Zukunft von Renault Trucks. In Lyon gewährte man der VR exklusiv einen Einblick.Der Kessel steht wieder unter Dampf in Lyon. Nachdem die Franzosen ihre Palette zuletzt um Randthemen wie das hydraulische Allradsystem Optitrack, Low-Entry-Müllsammler, Elektro-LKW und Racetruck erweitert haben, arbeitet man hinter den Kulissen mit Hochdruck an den Nachfolgegenerationen der aktuellen Baureihen.Während manche Hersteller ihre nächsten Entwicklungsschritte eher offensiv kommunizieren, hüllt man sich bei Renault Trucks lieber in Schweigen: Nein, Hervé Bertrand habe nicht viel Zeit. Nein, Fragen zu Euro 6 und den nächsten LKW-Generationen könne man nicht beantworten und falls man überhaupt ein Interview gebe, brauche man vorab einen Fragenkatalog. So weit die Theorie. Der Fragenkatalog ist dann das Erste, was ein gelassener Chefdesigner Hervé Bertrand beiseiteschiebt, als man ihn trifft: „Lassen Sie uns einfach reden. Viele Fragen werden sich im Lauf des Gesprächs ergeben“, prophezeit der quirlige Franzose, der sich viel Zeit nimmt und ausführlich auf die Design-Philosophie und die Geschichte von Renault Trucks eingeht. Das große Erbe des Marius BerlietDie speist sich jetzt auch aus dem Erbe der beiden französischen Marken Berliet und Saviem. Der charismatische Firmengründer Marius Berliet gründete sein Unternehmen 1894, baute es bis 1915 so weit aus, dass er von der Stahlherstellung bis zum fertigen Fahrzeug jeden Fertigungsschritt selbst in der Hand hatte. Auch im Export war er hochaktiv, während man nach dem Krieg in erster Linie auf dem Heimatmarkt und in französischsprachigen Spotmärkten agierte. Erst in den siebziger Jahren verstärkte man die Exportaktivitäten wieder und übernahm 1990 Mack Trucks in den USA, was Renault auch das ungewöhnliche Konzept des Magnum bescherte. Der wird auch künftig fortleben, gleichwohl man hier den Baukasten zwischen Renault Premium, Magnum und Volvo FM/FH eventuell noch enger fassen dürfte, freilich ohne die Fahrzeuge zu ähnlich werden zu lassen.Kein Image als große Chance Eine große Chance sieht Renault Trucks bei der Entwicklung des eigenen Images, das in einigen Ländern allenfalls mit einer neutralen Außenseiterposition belegt ist. Daraus kann man praktisch alles machen. Da man selbst eine große Geschichte hat, möchte man die auch wieder stärker betonen. Markante Schnitte und spannende Flächenverläufe sollen (wie bei den anderen LKW-Herstellern übrigens auch) den künftigen Renault Trucks eine markantere Optik verleihen, die keinen Zweifel an der Stärke der LKW mehr lässt. Wie das konkret aussehen könnte, lässt Lyon schon an Nebenschauplätzen wie dem Optifuel-Konzept oder dem aktuellen Racetruck durchblicken: Beide basieren noch auf dem Rohbau des aktuellen Premium, weisen aber viel markantere Züge auf als dieser, der zum letzten Facelift noch zum „Lächeln“ gebracht wurde. Als man Chef-designer Hervé Bertrand darauf anspricht, erklärt er, dass ein solches „Lächeln“ in der City wohl gewünscht sei – sonst sei aber „Schluss mit lustig“ (siehe Interview unten). Insofern darf man gerade bei Renault Trucks besonders gespannt sein, wie die LKW künftig aussehen werden. Sie werden nicht nur Nachfolger aktueller Baureihen, sondern auch Botschafter einer teils (zu) wenig beachteten Marke und deren Geschichte. ❙❚■ Gregor SollerMit Ecken und Kanten: Künftigwerden Renault Trucks markantere Linien und Flächen tragenWilde Heuschrecke: Der aktuelle Racetruck basiert noch auf dem Premium-Rohbau, nimmt aber schon die künftige Formensprache vorweg Auch beim Optifuel-Konzept und einer Bekleidungskollektion tritt Renault Trucks deutlich markanter auf, als man es bislang aus Lyon gewohnt warRenault kreierte entsprechende sportliche und wilde Interieurs und verlegte die Kabine in einem Entwurf komplett in den aufgesattelten Trailer. Hier denken die Franzosen gern interdisziplinär„Fingerübung extrem“: Beim Formel-1-Konzept verschmolz man die Rennsportaktivitäten von Renault PKW mit dem Magnum-Konzept. Heraus kam ein Monoposto mit Aufsatz-KabineUnter Dampf: Wie ein Nachbrenner schließt der Diffusorkasten das Trailerende der Optifuel-Skizze abZukunft von Renault TrucksZukunft von Renault Trucks„Auch die chinesischen LKW werden Fortschritte machen“Renault-Trucks-Chefdesigner Hervé Bertrand äußert sich im Interview nicht nur zur eigenen Geschichte und Zukunft, sondern blickt auch auf die stärker werdende Konkurrenz aus Fernost.Die Frage zur neuen Fahrzeuggeneration ...Hervé Bertrand: ... dürfen Sie nicht stellen. Trotzdem werde ich Ihnen ein paar Informationen dazu geben: Fakt ist, dass wegen Euro 6 alle europäischen LKW-Hersteller komplett neue Fahrzeuge entwickeln, die wegen der Gesetzgebung alle ungefähr gleichzeitig auf den Markt kommen. Als Designer freut mich das natürlich, denn in den letzten Jahren haben wir unsere Fahrzeuge ständig verbessert und geliftet. Aber irgendwann muss man einen Schnitt machen und neu beginnen! Wird das Konzept Magnum beibehalten?Natürlich! Im Gegensatz zum PKW besteht ein LKW immer aus mehreren modularen Bausteinen. Zwei davon sind Antrieb und Lebensraum des Fahrers, die wir beim Magnum deutlich getrennt haben. Dieses Alleinstellungsmerkmal wird es auch künftig geben. Die Frage ist, ob man beim LKW so große Fensterflächen braucht, dass der Fahrer sich vorkommt, als säße er in einem Aquarium (lacht). Das macht beim Stadtbus Sinn, dem LKW nimmt es aber Geborgenheit. Magnum und Premium sehen momentan sehr unterschiedlich aus: Der Magnum kantig hart, Premium und Midlum im Vergleich dazu eher weich. Hier müssen wir in der Geschichte zurückgehen: Der Magnum war einst auch als Plattform für einen US-Cabover von Mack gedacht. Entsprechend „tough“ musste das Auto auch gestaltet sein. Eine neue Gesetzgebung machte diese Fahrzeuggattung in den USA jedoch hinfällig. Außerdem lief er damals neben dem kantigen Major. Dessen Nachfolger wurde der Premium, mit dem man auch eine Brücke zwischen Renault PKW/Transportern und dem Magnum bauen wollte. Da die Kabine als Midlum auch im City-Verteilerverkehr läuft, muss sie etwas freundlicher aussehen.Was durch das „Lächeln“ beim letzten Facelift ja noch unterstrichen wurde.Oh ja, das Lächeln. Das mag in der Stadt gut funktionieren, aber beim Kerax sehe ich das schon anders. Nein, künftig ist Schluss mit lustig: Ein LKW ist ein anspruchsvolles, starkes Fahrzeug, und das wollen wir künftig auch kommunizieren! Schauen Sie sich das Optifuel Lab und den aktuellen Racetruck an. Die geben eine Idee davon, wo wir hinwollen. Diese Fahrzeuge weisen sauber gegliederte, spannende Flächen und scharfe Linien auf. Außerdem werden wir wieder stärker auf unsere eigene Vergangenheit der Berliet-Trucks schauen.Also wendet man sich vom Designkonzept des Radiance ab?Der Radiance wurde damals noch von den PKW-Kollegen gestaltet und wurde extrem stark an deren damals aktuelle Designsprache angelehnt. Doch die ändert sich wegen der kürzeren Modellzyklen schneller als unsere. Insofern müssen wir jetzt etwas Eigenes schaffen.Gibt es überhaupt noch Kontakt zu den PKW-Leuten?Natürlich! Und natürlich müssen wir auch wissen, wohin Renault-Nissan-PKW denken und das entsprechend berücksichtigen. Trotzdem ging Renault Trucks eben aus den LKW-Marken Berliet und Saviem hervor. Entsprechend muss auch jeder Designer, der hier arbeitet, wissen, was diese Marken einst verkörperten und wie diese LKW aussahen.Renault Trucks wird also wieder französischer?Das würde ich so nicht sagen – es geht hier nicht um eine Nationalität, sondern eine Identifikation mit einer Marke. Französisch war allenfalls unsere Arbeitsweise: Wir sind begeistert von komplett neuen Dingen und haben früher gern ganz viel ausprobiert und teils wieder über den Haufen geworfen. „Verrückte“ Erfindungen wie der Eiffelturm, das Überschallpassagierflugzeug Concorde oder der schnellste Trimaran der Welt, die Hydroptère, kommen aus Frankreich. Kreativität kommt von Chaos. Also werden wir auch weiter mutig sein und gewisse Risiken eingehen, um uns zu profilieren. Im europäischen Markt sehe ich noch riesiges Potenzial, um uns ein Image aufzubauen. Trotzdem: Design ist eine internationale Disziplin, und das wilde Ausprobieren unterschiedlichster Lösungen kann man sich nicht mehr leisten. Insofern möchte ich hier noch mehr Kontinuität hineinbringen. Gibt es weiter individuelle Lösungen wie den Digitaltacho?Wie ich schon einmal erwähnte: Bei den Instrumenten glaube ich, dass Zustände, die schnell erfasst werden müssen, am besten per Zeiger angezeigt werden. Infos, die man exakt bemessen möchte, erklärt man dagegen besser digital. Wie steht es mit Multimediasystemen, Laptoparbeitsplatz und Flachbildschirm? Das alles muss integriert werden – im Prinzip ist die LKW-Kabine eine Wohnung mit mehreren Zimmern: Man muss darin fahren, arbeiten, essen und schlafen. Diese Differenzierung auf der geringen Grundfläche umzusetzen, ist eine Herausforderung. Hätten Sie gern mehr Platz zur Verfügung, um die Aerodynamik zu optimieren?Ja, sehen Sie sich unser Optifuel-Konzept an, das genau das fordert. Mehr Lebensraum wäre natürlich auch für die Fahrer angenehm. Deren Job wird nämlich immer härter: Man hat permanent Termindruck, und dann gibt es Menschen, die für gerade einmal 1000 Euro im Monat wochenlang in ganz Europa unterwegs sind und entsprechend immer im LKW leben müssen. Hier läuft meiner Meinung nach leider manches aus dem Ruder.Wie sehen Sie die Entwicklung der asiatischen Marken?Wir selbst haben guten Kontakt zu den Kollegen von UD Trucks (vormals Nissan Diesel). Auch die chinesischen LKW werden Fortschritte machen. Um diese zu beobachten, haben wir auch immer wieder Modelle zum Fahren hier. Wie ist Ihr Eindruck davon?Qualitativ fehlt noch sehr viel, auch motorisch liegen die Trucks dort noch Generationen zurück – aber sie werden schnell aufholen. Das spürt man mit jeder neuen LKW-Generation, und das wird noch spannend werden. gsInterviewHervé Bertrand

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