World Transport Report

World Transport ReportGüterverkehr wächst langsamerDer Transportmarkt in Deutschland wächst spürbar langsamer als noch vor fünf Jahren vorhergesagt. Das geht aus den Ergebnissen des World Transport Reports von Progtrans hervor, der der VerkehrsRundschau exklusiv vorab vorliegt.Wenn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sich zur Zukunft des Güterverkehrs in Deutschland äußert, dann zitiert er gerne eine Zahl: Um 80 Prozent soll der Straßengüterverkehr bis 2025 zulegen. Dabei beruft er sich auf eine Studie, die sein Ministerium in Auftrag gegeben hat und unter Federführung von Intraplan Consult (ITP) 2007 veröffentlicht wurde. Demnach wächst die Güterverkehrsleistung des Straßengüterverkehrs bis 2025 um 79 Prozent, der Straßengüterfernverkehr sogar um 84 Prozent. Ramsauer stützt sich auf alte PrognosenDoch die neueste Ausgabe des World Transport Reports (WTR) deutet darauf hin, dass diese Wachstumsraten nicht mehr gelten. Zwar nimmt der Güterverkehr in Deutschland weiter zu, wie man dem WTR entnehmen kann, der von Progtrans alle zwei Jahre erstellt wird. Aber das Plus fällt laut WTR fast um die Hälfte kleiner aus als in der Prognose, mit der das Bundesverkehrsministerium derzeit arbeitet. Demnach steigen beispielsweise die Güterverkehrsleistungen auf der Straße in Deutschland zwischen 2010 und 2025 nur um 30 Prozent auf 568 Milliarden Tonnenkilometer (tkm). Zum Vergleich: Bei ITP sind es 2025 704,3 Milliarden tkm und damit 24 Prozent mehr. Während der LKW-Verkehr zwischen 2004 und 2025 laut ITP um 79 Prozent wächst, sind es bei Progtrans im gleichen Zeitraum nur 44 Prozent.Generell fallen die Ergebnisse des WTR für den gesamten Güterverkehr in Deutschland geringer aus als die Prognose, mit der offenbar immer noch im Bundesverkehrsministerium gearbeitet wird. So sollen laut ITP die drei Verkehrsträger Bahn, Binnenschiff und LKW 2025 eine Transportleistung von 936,5 Milliarden tkm erbringen. Progtrans hingegen geht von nur 779 Milliarden tkm aus. Entsprechend flacher läuft die Wachstumskurve: Während ITP mit einer Zunahme der Leistung zwischen 2004 und 2025 von 71 Prozent rechnet, soll der Güterverkehr laut WTR in diesem Zeitraum nur um 41 Prozent zunehmen.Es gibt verschiedene Gründe, warum die Experten bei Progtrans sich in ihrer Analyse weniger euphorisch zeigen. „Das Wachstum der Leitdaten fällt niedriger aus als bei der ITP-Prognose“, sagt Markus Drewitz, einer der Autoren des WTR. Als wichtige Leitdaten für die Entwicklung des Güterverkehrs gelten in Deutschland der Verlauf des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und des Außenhandels. Beim BIP macht Progtrans die Annahme, dass es je nach Prognosezeitraum einen jährlichen Zuwachs beim Wirtschaftswachstum zwischen 0,9 und 1,2 Prozent gibt. Zum Vergleich: 2011 waren es in Deutschland immerhin 3,0 Prozent, und selbst für das Krisenjahr 2012 geht das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Herbstprognose von einem Zuwachs von 0,7 Prozent aus. Beim für die Wirtschaft und die Güterverkehrsbranche wichtigen Export sagt Progtrans ein durchschnittliches jährliches Wachstum zwischen 3,3 und 3,7 Prozent voraus. Werte, die ebenfalls im Vergleich zu der Entwicklung in den letzten Jahren eher niedrig ausfallen. „Bei der ITP-Prognose darf man nicht vergessen, dass die noch vor der Wirtschaftskrise erstellt worden ist“, gibt Stefan Rommerskirchen, ebenfalls Autor des WTR, zu bedenken. „Damals gab es eine Wachs-tumseuphorie. Auch unsere Prognosen zum Wirtschaftswachstum sind damals optimistischer ausgefallen als heute“, sagt der Geschäftsführer von Progtrans. Das Unternehmen erstellt etwa alle zwei Jahre Prognosen zu der Entwicklung der Güterverkehrsmärkte, bis 2007 für Europa, seit 2010 für ausgewählte Länder weltweit (siehe Kasten rechts). Triebfeder BevölkerungswachstumDa die Experten bei ITP 2006/2007 noch nicht absehen konnten, dass es 2008/2009 zu einer Wirtschaftskrise kommt, die auch das Wachstum in den Güterverkehrsmärkten eingebremst hat, müssen die Prognosen auch niedriger ausfallen als diejenigen, die vor der Krise erstellt wurden. Ein weiterer Grund für das geringere Wachstum sind die ausländischen LKW-Verkehre. Deren Ausmaß sei in der Statistik zum Zeitpunkt der ITP-Prognose deutlich zu hoch angesetzt gewesen und mittlerweile nach unten korrigiert worden.Muss man aber nicht angesichts der leicht rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland befürchten, dass die Güterverkehrsleistung auf Dauer eher stagniert oder sogar schrumpft? Hier ist die Antwort von Rommerskirchen eindeutig: „Nein.“ Ein ganz wichtiger Treiber sei das Bevölkerungswachstum außerhalb von Europa. „Die UN geht davon aus, dass wir noch in diesem Jahrhundert die 10-Milliarden-Grenze überschreiten. Dieses Bevölkerungswachstum zu stemmen, die Ernährung und Versorgung dieser Menschen sicherzustellen, ist nur möglich mittels Arbeitsteilung. Und Arbeitsteilung ist mit Transporten verbunden“, erklärt der Verkehrsexperte. Deutschland werde als ausgeprägte Exportnation von dieser Entwicklung profitieren und damit Wachstum beim Außenhandel und bei den Transporten verzeichnen. „Außerdem ist Deutschland ein Transitland. Auch diese Verkehre nehmen weiter zu“, ergänzt Drewitz. Das Wachstum bleibt also erhalten, nur nicht in dem Ausmaß, wie es Ramsauer gerne verkündet. „Gelegentlich wundern wir uns schon, dass der Minister immer noch mit diesen relativ hohen Wachstumsraten argumentiert“, sagt Rommerskirchen. Aber das Ministerium hat nach Aussage von Rommerskirchen die Erstellung einer neuen Prognose in Auftrag gegeben, sodass die alten Zahlen irgendwann verschwinden dürften. Zudem vermutet er auch politisches Kalkül hinter der Nutzung der Prognosewerte aus dem Jahr 2007. So könne die Dringlichkeit für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur untermauert werden. „Dabei ist das gar nicht nötig“, sagt Rommerskirchen, „wir benötigen die Investitionsmittel, über die Ramsauer spricht, auch nach unserer derzeitigen Prognose. Wir brauchen sie zur Beseitigung von Engpässen, beispielsweise im Rheintal oder im Hafenhinterlandverkehr.“ Es gäbe aber auch einen großen Ersatzbedarf. „Der Modernitätsgrad unserer Infrastruktur hat in den letzten Jahren stark abgenommen, vor allem bei den Straßen, aber auch bei anderen Verkehrswegen“, sagt der Verkehrsexperte. Deshalb gäbe es einen Nachholbedarf aufgrund unterlassener Investitionen. Rommerskirchen verwies noch auf einen anderen, positiven Effekt der nach unten korrigierten Wachstumsraten: „Niedrigere Verkehrsprognosen bedeuten auch, dass sich die Wachstumsraten der Treibhausgasemissionen verringern.“ So müsse man womöglich die ein oder andere geplante drastische Maßnahme neu bewerten. „Der Druck, CO2 einzusparen, bleibt, weil ja auch die Verkehrsleistungen zunehmen. Aber er ist nicht mehr ganz so stark wie bei der alten Prognose“, sagt Rommerskirchen. Für den deutschen Markt ist interessant, dass laut WTR die Bahn bis 2030 ein höheres Wachstum erzielen kann als der LKW – eine Entwicklung, die die Bahn schon einmal zwischen 2004 und 2007 erreicht hat. Doch bei den Zahlen bis 2030 handelt es sich nicht um ein kurzes Aufflackern, sondern die Experten bei Progtrans sprechen von einer „Trendwende“ (siehe Interview links). Zwischen 2012 und 2030 soll der Schienengüterverkehr gemäß der Vorhersage zum Teil deutlich stärker wachsen als der LKW-Verkehr (siehe auch Grafik Seite 23).Kapazitätsprobleme bei der BahnDabei stellt sich die Frage, ob denn die Bahnen überhaupt in der Lage sind, die Mehrverkehre abzuwickeln. Nicht nur die Trassen könnten dabei zu einem Problem werden (siehe Interview), auch Lokführer und Waggons der Bahnen sind ein potenzieller Engpassfaktor, wie der Boom im Jahr 2008 gezeigt hat. „Da müssen viele Bahnen noch ihre Hausaufgaben machen. Diese Nachfragesteigerung lässt sich sicher nicht nur über längere Züge bewältigen“, sagt Drewitz. Rommerskirchen ergänzt: „Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Bahnen sich gegenseitig das Personal abwerben. Die steigende Nachfrage macht es für das gesamte Verkehrsgewerbe unumgänglich, stärker für Nachwuchs zu werben und diesen auszubilden“, lautet sein Appell an das gesamte Transportgewerbe. Einbußen für die BinnenschifffahrtStarke Einbußen im Modal Split muss in Deutschland die Binnenschifffahrt hinnehmen. Ihr Anteil sinkt von 13,3 Prozent (2000) über 8,8 Prozent (2011) auf 7,2 Prozent (2030). Das verwundert auf den ersten Blick, gelten doch sowohl Binnenschifffahrt als auch Bahn als Massentransportmittel. Rommerskirchen weist auf die Netzerschließung hin: Die Bahn sei mit ihrem Netzwerk nun mal deutlich stärker in der Fläche präsent als das Fluss- und Kanalnetz der Binnenschifffahrt. Ein weiterer Grund: „Die Schiene kommt mit völlig anderen Losgrößen zurecht als ein Binnenschiff, das zum Teil mehr als die doppelte Menge zur Vollauslastung benötigt.“ Rommerskirchen nennt einen weiteren Nachteil im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern: „Das Binnenschiff hat noch keinen so guten Draht zum Wettergott“, sagt er und spielt dabei nicht nur auf Eisgang, sondern vor allem auf Hoch- und Niedrigwasser an. Zudem sei die Beseitigung von Engpässen wie der Bau neuer Schleusen oder höherer Brücken mit deutlich mehr Kosten verbunden als bei Schiene und Straße und komme fast ausschließlich dem Güterverkehr zugute, während bei den anderen Verkehrsträgern auch der Personenverkehr von der Instandsetzung von Infrastruktur profitiere.Abseits von Deutschland hat Progtrans die Entwicklung des Güterverkehrs noch in den 26 anderen EU-Mitgliedsstaaten sowie in 13 weiteren Ländern untersucht. Das Land mit der höchsten Wachstumsrate in Prozent bis 2030 ist Indien mit 160 Prozent Zuwachs. „Dort wächst die Bevölkerung enorm, die Wirtschaftsleistung nimmt im Gleichschritt zu und es ist ein großflächiges Land mit langen Wegen“, nennt Rommerskirchen die wichtigsten Gründe. In Osteuropa ist der Nachholbedarf immer noch vorhanden, weshalb in den neuen EU-Beitrittsländern das Wachstum in den kommenden Jahren etwas stärker ausfällt als in den alten EU-Staaten. ❙❚■ Michael CordesDer Ausblick bis 2030: Das Wachstum erhält einen kleinen DämpferWorld Transport ReportWorld Transport ReportGüterverkehr bis 2030Der neue Progtrans World Transport Report (WTR) in der Ausgabe 2012/2013 stellt Prognosen auf für 34 europäische und sechs außereuropäische Länder. Diese 40 Staaten decken etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung ab. Progtrans veröffentlicht damit zum sechsten Mal langfristige Prognosen für verschiedene Staaten. Erstmals dabei sind Serbien und Südafrika. Zudem gibt es Analysen zu sämtlichen EU-Staaten sowie Brasilien, Russland, Indien, China, Japan, USA etc.Im Mittelpunkt des Reports steht die Entwicklung der Verkehrsleistung im Landverkehr nach einzelnen Verkehrsträgern mit einem Ausblick auf 2013, 2014 sowie 2020, 2025 und 2030. Basispreis: 2000 Schweizer Franken (circa 1650 Euro).Bestellmöglichkeit und weitere Infos: Progtrans AG Basel,Telefon: 0041 61 / 3273-470,E-Mail: wtr@progtrans.comInternet: www.progtrans.comWarum wächst die Bahn stärker als der LKW?Der Mitautor des WTR, Markus Drewitz, über die Gründe, warum der Schienengüterverkehr an Bedeutung gewinnt, und ob die Bahnen in der Lage sind, die prognostizierten Mengen abzufahren. In Ihrer Studie trauen Sie der Bahn in Deutschland prozentual gesehen ein deutlich höheres Wachstum zu als dem LKW. Warum?Markus Drewitz: Zum einen hält der Trend zu längeren Transportdistanzen an. Von diesen Verkehren profitieren die Bahnen aufgrund ihrer Kostenstrukturen viel stärker als der LKW. Zum anderen sind die langlaufenden Verkehre fast alle gebrochene Transporte, müssen also noch mal angefasst werden. Damit schwindet der Vorteil des LKW, der mit Direktverkehren punkten kann. In die Karten der Bahn spielt auch das weiter anhaltende Wachstum im Seecontainerverkehr. Hiervon profitiert die Bahn bei Hinterlandtransporten stärker als der LKW. Zwischen 2006 und 2011 hat sich der Anteil der Schiene am Modal Split in Deutschland nur von 17,9 auf 18,1 Prozent erhöht. Warum sollte das die kommenden Jahre anders werden?Dazu muss man weiter zurückgucken als nur bis 2006. Bis weit in die 90er-Jahre war ein langer Niedergang des Modal-Split-Anteils der Schiene zu beobachten, verbunden mit Verkehrsleistungsrückgängen. Das war zuletzt nicht mehr der Fall. Die positive Entwicklung bei der Schiene ist deutlich vor 2006 eingetreten. Es zeichnen sich zudem neue Entwicklungen ab, die diesen Prozess weiter stützen beziehungsweise noch beschleunigen, weshalb wir eine Trendwende prognostiziert haben. Welche Entwicklungen sind das?Zum Beispiel gibt es Bestrebungen in der EU, Platz zu schaffen auf den zunehmend verstopften Straßen, indem man LKW-Transporte über lange Distanzen auf die Schiene verlagert. Vor allem aber trägt die Liberalisierung im Eisenbahnverkehr dazu bei, dass die Bahnen schon konkurrenzfähiger sind und es noch werden.Aber der Liberalisierungsprozess ist ja nicht neu. Doch. In der Wirksamkeit ist er neu. Es stimmt zwar, dass die Liberalisierung im Eisenbahnwesen bereits in den 90er-Jahren begonnen hat. Aber diese Maßnahmen sind erst ab etwa dem Jahr 2000 wirksam geworden. Und es wurden und werden neue Eisenbahnpakete beschlossen, die dazu führen, dass die Bahnen wettbewerbsfähiger werden. Die hohen Ansprüche der Versender hinsichtlich Qualität, Flexibilität, Zuverlässigkeit im Transport, die der LKW erfüllt: Zählen die nicht mehr beim Verlader?Doch, natürlich. Die Ansprüche der Verlader sind keinesfalls gesunken, eher im Gegenteil, auch wenn sich abzeichnet, dass die eine oder andere Anforderung an Bedeutung verliert, zum Beispiel was die Schnelligkeit der Transportprozesse betrifft. Aber die Bahnen haben aufgeholt und können eine höhere Qualität abliefern. Der Abstand zum LKW wird geringer. Zudem beurteilen die Verlader die Leistungen differenzierter und akzeptieren auch mal die eine oder andere Schwäche bei den Bahnen, wenn ansonsten die Qualität und der Preis stimmen. Ist die Schiene überhaupt in der Lage, das Wachstum von 63,2 Prozent zwischen 2010 und 2030 aufzunehmen?Das ist in der Tat eine enorme Herausforderung für die Bahnen. Dazu ist es erforderlich, Engpässe wie im Rheintal oder im Hafenhinterlandverkehr zu beseitigen oder Alternativen aufzuzeigen. Man muss allerdings auch sagen: Die Bahn hat im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends ihre Verkehrsleistung um fast 30 Prozent gesteigert, ohne dass es zu gravierenden Kapazitätsengpässen gekommen ist. Warum sollte das nicht auch bis 2030 funktionieren? Zudem gibt es durch ein verbessertes Management sicher noch Möglichkeiten der Kapazitätserweiterung, ohne auch nur einen Meter Gleis zu bauen. cd2008, in der Boomphase, gab es aber nicht nur ein Mangel an Trassen, sondern auch bei Lokomotiven, Waggons und Lokführer.Korrekt. Da müssen viele Beteiligten noch Hausaufgaben machen. Diese Nachfragesteigerung lässt sich sicher nicht nur über längere Züge bewältigen. Aber es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Bahnen sich gegenseitig das Personal abwerben. Die steigende Nachfrage macht es für das gesamte Verkehrsgewerbe unumgänglich, stärker für Nachwuchs zu werben und auszubilden. 42:00 cdInterviewMarkus DrewitzWorld Transport ReportWorld Transport Report

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