Wo die Luft dünn und schwer wird

Gerade flammt die Diskussion über den Einsatz der Mittel des Bundesverkehrsministeriums wieder auf: Wurde zu viel neu gebaut, statt die bestehende Substanz zu erhalten? Neben den staatlichen betrifft das auch die kommunalen Straßen - vor allem die Brücken. Eine am 30.09.2013 veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik wertete erstmals Daten aus einem geografischen Informationssystem (GIS-Daten, Open Street Map) aus. Das Institut ermittelte 66.714 Straßenbrücken in kommunaler Baulast mit 2223 Kilometern Länge, von denen exemplarisch ein Teil auf ihren Zustand untersucht wurde. Die größten Defizite fand das Institut in Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen, wo die mittlerweile erfolgten Sperrungen einiger Brücken die Last auf die anderen Bauwerke weiter erhöhen: Die Schließung der Leverkusener Autobahnbrücke verursacht beispielsweise die dreifache Verkehrsbelastung der Mühlheimer Brücke in Köln. Laut dem Deutschen Institut für Urbanistik wird nur etwas mehr als die Hälfte der Brücken mit Ersatzneubaubedarf bis zum Jahr 2030 ersetzt, was in etwa einem jährlichen Investitionsdefizit von 500 Millionen Euro im Ersatzneubau gleichkommt. Das kommt auch im Gewerbe an: "Transporte mit über 100 Tonnen Gewicht bekommen immer schwerer Genehmigungen und müssen teils weite Umwege in Kauf nehmen", erklärt Es-Ge-Gründer und Gesellschafter Helmut Sucko. Trotzdem muss gerade im Bereich der Trafos, Turbinen oder Druckkessel immer wieder Material mit Hunderten von Tonnen auf Reisen gehen, für das nur wenige Hersteller das passende Equipment bereitstellen. Aufgrund der großen Lademaße und -gewichte dürfte die Pendelachstechnologie weiter dominieren, wie Faymonvilles Technik-Chef Rainer Noe schätzt: "Zwar bieten wir unseren neuen Combimax auch mit Einzelradaufhängung und Achsschenkellenkung an, aber ab zehn Achslinien werden die Kunden wegen des höheren Verstellbereiches weiterhin Pendelachsen ordern." Ähnlich sieht man das bei Doll, wo die einzelradaufgehängte Panther-Baureihe vor allem im Segment bis acht Achsen geordert wird, wo es vorrangig um die Themen niedrige Ladehöhe und Wendigkeit geht. Die Grenzen der Einzelradaufhängung Auch Goldhofer-Pressesprecher Erich Traub sieht bei Ladungsgewichten über 100 Tonnen vor allem die Pendelachser der STZ-P-Baureihe in der Pflicht, gleichwohl auch die Memminger seit der Bauma eine einzelradaufgehängte Mc-Pherson-Achse (STZ-MPA-Reihe) ins Programm gehoben haben. Die endet ebenfalls bei zehn Achsen und bietet 315 Millimeter Achsausgleich, während die STZ-P-Reihe bis zu 600 Millimeter Achshub schafft und Kombinationen mit zwölf und mehr Achsen beinhaltet. So lassen sich Ladungen bis 150 Tonnen Gewicht bewegen. Das Hundertfache davon erledigen dann die Schwerlastmodulsysteme der THP-Reihen oder die hydrostatisch angetriebenen PST-Modultransporter, die Achslasten bis zu 60 Tonnen pro Linie schultern können. Für die längs und quer kombinierbaren Systeme bietet Goldhofer Schwanenhälse, Transportbrücken und Drehschemel. Zum Selbstfahrer werden die Module mit hydrostatischem Antrieb und elektronischer Vielweglenkung, die bis 135 Grad Lenkeinschlag erlaubt. Dabei hinterlegte Goldhofer Sonderfunktionen wie Normal-, Quer-, Diagonal- und Karussellfahrt per Tastendruck auf der Fernbedienung, darüber hinaus kann man weitere Sonderlenkprogramme einsteuern. Auf der Samoter in Verona treten die Memminger mit den nutzlastoptimierten Schwerlastmodulsystemen THP/SL-L sowie den vorne überfahrbaren Satteltiefladern STZ-VP mit Pendelachsen an. Besonders mit dem THP/SL-L 4 will Goldhofer in Verona auftrumpfen. Denn als das laut Goldhofer weltweit leichteste Schwerlastmodul soll die THP/SL-L-Reihe ein optimales Verhältnis von Eigengewicht und Nutzlast bieten. Dazu entwickelte man ein neues Rahmenkonzept mit hohem Biegemoment und größerer Belastbarkeit. Das Eigengewicht pro Achse soll laut Goldhofer auf unter 2,5 Tonnen sinken. Goldhofer erhöht die Nutzlast Der Pendelachs-Satteltieflader STZ-VP 6 soll dagegen bei kürzerer Fahrzeuglänge eine größere Nutzlast mit mehr Beweglichkeit verbinden, "woraus sich im Vergleich zu einem luftgefederten Fahrzeug ein Vorteil von über zwei Tonnen Nutzlast pro Achslinie ergibt", rechnet Goldhofer-Vorstandsvorsitzender Stefan Fuchs vor. Der STZ-VP 6 bietet bis zu 65 Grad Lenkeinschlag. Das freie Pendeln der Achsen soll eine ideale Lastverteilung auf alle Räder ermöglichen - selbst in unebenem Gelände. Der in Verona gezeigte STZ-VP 6 ist bis 95 Tonnen Gesamtgewicht zugelassen. Ähnlich ist das Programm bei Scheuerle aufgestellt, wobei die TII-Tochter auch bei den innerbetrieblichen Transporten immer wieder Neues bietet, wo Nutzlasten über 100 Tonnen noch häufiger auftreten. Zuletzt war das unter anderem der sogenannte Non-Cassette-Carrier, der auf 25 Metern Länge 24 gelenkte Achsen bietet. Er kann innerbetrieblich Stahlplattenstapel verbringen, ohne dafür Paletten zu benötigen. Außerdem kommt er auch auf einem Ro-Ro-Schiff zum Einsatz. Der Non-Cassette-Carrier kombiniert einen stabilen Leiterrahmen mit den hydraulisch abgestützten Scheuerle-Pendelachsen und vierzehn integrierten Hubgabeln. Um die geforderte Nutzlast von 250 Tonnen aufnehmen zu können, wenn die nicht über die ganze Fahrzeuglänge verteilt werden kann, ist jede einzelne Gabel auf 30 Tonnen Last ausgelegt. Angetrieben wird das Fahrzeug von dem 338 kW starken MAN-Sechszylinder, der auch in den Power Packs von Scheuerle den Inter-Combi SP Beine macht. Ein Kamera- und Radarsystem soll das Handling des Non-Cassette-Carriers vereinfachen und dem Fahrer eine punktgenaue Positionierung des Fahrzeugs ermöglichen. Zusätzlich zum Betrieb mit Hubgabeln ist der Carrier auch von oben beladbar. Faymonville setzt auf Flexibilität An die Module von Goldhofer und Scheuerle angedockt hat sich Faymonville mit seiner Modulmax-Reihe, welche die Belgier als G- und S-Reihe liefern können, was Alain Faymonville pragmatisch sieht: "Wer in diesem Segment einsteigen will, muss das über die vorhandenen Größen tun - hier ein komplett eigenes System zu entwickeln, hätte nicht funktioniert", erklärt der Belgier seine Entscheidung, die ihm den Ruf einbrachte, manches Mal nach dem Verfahren "besser gut kopiert als schlecht selber gemacht" zu verfahren. In der Tat beobachtet er den deutschen Markt genau und zieht daraus seine Schlüsse: Beim Combimax vereinte er maximale Flexibilität mehrerer Achssysteme mit der Baukastenserienfertigung, wie sie Krone oder Schmitz perfektioniert haben. Die ganz schweren Brocken übernimmt der Modulmax, der ebenfalls in Länge und Breite koppelbar ist und eben den Vorteil bietet, "mit baugleichen Fahrzeugen anderer Hersteller" interoperabel zu sein, wie Faymonville es formuliert. Die Zugmaschine kann via Schwanenhals angekoppelt werden, außerdem lassen sich zu den Maxen auch Drehschemel kombinieren, um verwinkelte Streckenprofile einfacher zu meistern. Bei Nooteboom erledigt die großen Brocken der Multi-PX genannte Modul-Semi-Tieflader. Zuletzt ging eine Version, die bis zu 120 Tonnen Nutzlast packt, an Bolk, wozu der niederländische Unternehmer ein Multidolly kombinierte. Auch Joop Savenije, der Geschäftsführer von Bolk Transport, setzt dabei auf Pendelachstechnik: "Natürlich haben wir uns auch mehrachsige Dollyfahrzeuge mit einer sogenannten Einzelradaufhängung angesehen. Doch diese Fahrzeuge kommen für uns als Ersatz für unsere Modultrailer nicht infrage. Bei für uns sehr wichtigen Faktoren haben sie Defizite im Vergleich mit Modultrailern." Dabei nennt auch Savenije neben dem zu geringen Federweg und Hub die ungenügende Bodenfreiheit während der Fahrt. Außerdem erhalten die einzelradaufgehängten Trailer nur in Deutschland eine Genehmigung bis zwölf Tonnen Achslast, während die Multi-PX-Modul-Semi-Tieflader in den meisten europäischen Ländern auf zwölf Tonnen pro Achslinie zugelassen sind. Kein Umstecken des Lenkgestänges Der Multi-PX bietet 70 Grad Lenkeinschlag und 600 Millimeter Federweg. Werte, die Modultrailern entsprechen, bei denen man aber immer erst die Lenkstangen umstecken muss, um bei unterschiedlichen Konfigurationen die jeweils optimale Lenkung zu erreichen. Das klappt bei den Modul-Semis in einem Handgriff. Möglich wurde das, weil die Nooteboom-Konstrukteure mehrere Sets Lenkzylinder im Steuersystem verwenden. So wollen sie immer die optimale Lenkbarkeit sicherstellen, egal ob der Multi-PX als Semitieflader mit neun Achslinien oder als 3+6-Kombi mit einer Länge von 40 Metern läuft. Das spart Zeit und mindert laut Bolk den Reifenverschleiß fühlbar. Außerdem kann man mit dem hydraulischen Schwanenhals des Multi-PX Modul-Semis das Achs-Sattellast-Verhältnis stufenlos verstellen. Dabei können Sattellasten zwischen 18 und 30 Tonnen variabel eingestellt und der Zug exakt auf die jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Achslasten abgestimmt werden. Außerdem sind die Nooteboom Modul-Semi-Tieflader serienmäßig mit einem hydraulischen Achslastausgleich mit wahlweise 3-Punktoder 4-Punkt-Unterstützung ausgestattet, was vor allem das Fahren von Lasten mit hohem Schwerpunkt verbessert. Populärer niederländischer 100-Tonner Wie fast alle Schwerlasthersteller konnte sich 2013 auch Broshuis über steigenden Auftragseingang und Gewinn freuen, der zum großen Teil aus dem schweren Produktsegment kam. Auch bei Broshuis optimiert man die Fahrzeugkonservierung, wofür noch dieses Jahr eine entsprechende Fertigungsstraße errichtet werden soll. Bei Broshuis hob man 2012 den "100-Tonner" ins Programm, eine flexible Semisattelreihe mit Einzelradaufhängung. Auch hier lassen sich Achslast und Satteldruck leicht regulieren: Man programmiert 18 oder 24 Tonnen Satteldruck vor und der Schwanenhals reguliert die Last. Die übrige Tonnage verteilt er dann auf die vordersten Achsen, die als Zwei- oder Dreiachsaggregat geliefert werden. Hinten lassen sich vier bis acht Achsen zustellen. Die 100-Tonner-Serie lässt sich ein- bis dreifach ausziehbar darstellen, wobei die ersten zwei oder drei Achsen mit 30-Tonnen-Schwanenhals immer optimale Lastverteilung sichern sollen. Für den 2+6-Kombi gibt Broshuis 100 Tonnen Ladungsgewicht an, für den 3+6 sind es 110 und für den 3+7er 120 Tonnen. Bei den hydraulisch gelenkten Tiefladern steuert Broshuis die Achsen per Steuerrad im Schwanenhals hydraulisch an. Dabei verbauen die Niederländer ihr eigenes, wartungsarmes Lenksystem, das mit Bronze-Buchsen und konischen Lagern in der Lenkung aufwartet. Vergleichsweise jung im Segment ist der Kässbohrer K-SLH-8-Tiefladesattel mit hydraulischem Federungssystem und eigenentwickelter Lenkung, der im November 2013 in Istanbul Premiere feierte. Er verfügt neben der zweiten starren und den zwei (erste und dritte) zwangsgelenkten Achsen über fünf hydraulisch gelenkte Aggregate. Der bis zu 18 Meter (von 16.105 auf 34.105 Millimeter) ausziehbare Sattel mit 34-Tonnen-Schwanenhals soll als Allrounder auf Kundenfang gehen. Da mittlerweile das gesamte Segment trotz seiner hohen Spezialisierung unter Druck ist, dürfte neben dem optimierten Korrosionsschutz künftig die Flexibilität für unterschiedlichste Frachten und die leichte Bedienbarkeit noch wichtiger werden - gerade im ganz schweren Segment lässt sich der rasch verrentende Pool an alten erfahrenen Hasen kaum noch schnell genug durch junges Personal ersetzen. Unsichere Geschäfte Hinzu kommen stark schwankende Projekt- und Auftragslagen, was das Geschäft für Vermieter interessant macht. "Viele Kunden wissen gar nicht, wie lange sie die entsprechenden Kombinationen überhaupt benötigen", kennt Es-Ge Gesellschafter Helmut Sucko die Praxis. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass sich das anfangs ins Auge gefasste Equipment als nicht ideal erweist. "Dann sind sie froh, dass sie ihr Equipment erst mal einige Zeit mieten können und dann erst entscheiden müssen, ob sie es zurückgeben, verlängern oder ein entsprechendes Produkt kaufen." Entsprechend hoben die Essener zuletzt auch den Faymonville Combimax ins Programm. Bei bröckelnden Brücken und immer vertrackteren Verträgen wird Flexibilität immer wichtiger. Doll-Insolvenz Insolvenz trotz neuer Produkte und voller Hallen Nachdem Doll Fahrzeugbau am 22. März 2014 Insolvenz anmelden musste, nahm Insolvenzverwalter Martin Mucha von der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger seine Arbeit auf. Hintergrund der Insolvenz könnte laut Mittelbadischer Presse sein, dass es zwischen den Banken, die sich 2003 nach der Sanierung des Unternehmens zu einem Pool zusammenschlossen, Interessenkonflikte gegeben haben könnte. Möchte eine Bank aussteigen oder die Kreditlinien nicht weiter verlängern, kann in den geschlossenen Bankenpool aus fünf Banken nicht ohne Weiteres eine andere Bank einsteigen. Da Doll über volle Auftragsbücher und teils jüngst modernisierte Produktionseinrichtungen verfügt und im Schnitt fünf Millionen Euro monatlich umsetzt, stehen die Chancen auf eine Fortführung des Betriebes gut. Aktuell beschäftigt Doll rund 360 Mitarbeiter am Standort Oppenau und weitere 50 Mitarbeiter im sächsischen Standort Mildenau. Das Unternehmen litt 2009 stark unter den Folgen der weltweiten Finanzkrise. Trotz der beantragten Insolvenz sieht die Vorstandsvorsitzende Brunhilde Rauscher-Doll gute Chancen für eine erfolgreiche Sanierung. gs Wichtige Anbieter Broshuis www.broshuis.com Tel.: +31 - 3 83 37 28 00Doll www.doll-oppenau.com Tel.: 0 78 04 - 4 90Faymonville www.faymonville.com Tel.: +352 - 2 69 00 41 55Goldhofer www.goldhofer.de Tel.: 0 83 31 - 1 50Kässbohrer www.kaessbohrer.com Tel.: 0 28 23 - 97 21 0Kamag www.kamag.com Tel.: 07 31 - 4 09 80Nooteboom www.nooteboomgroup.com Tel.: +31 - 2 46 48 88 64Scheuerle www.scheuerle.com Tel.: 0 79 41 - 69 10