Werkverkehr

WerkverkehrDer Vorteil des eigenen FuhrparksWenn Kosten gespart werden sollen, steht in Industrie und Handel auch der hauseigene Fuhrpark auf dem Prüfstand. Doch für viele Unternehmen ist der Werkverkehr aus verschiedenen Gründen unverzichtbar.Die Logistik komplett auslagern? Das ist für die Badenhop Fleischwerke KG keine Option. Das Unternehmen aus Verden an der Aller beliefert Hersteller von Heimtiernahrung mit Schlachtnebenprodukten. Ein Großteil der Transporte übernimmt der eigene Werkverkehr: Die Materialien werden im Schlachthof in isolierte Silo-/Tankfahrzeuge abgefüllt, bei Badenhop weiterverarbeitet oder gekühlt zu den Produzenten weitertransportiert. „Unsere Fahrzeuge fahren direkt in die Fabriken, beim Entladen müssen Anlagen bedient werden – da brauchen Sie Leute, die sich auskennen“, erklärt Lüder Meyer, Logistikleiter bei Badenhop. Hinzu kommt, dass die Fahrzeuge ständig gereinigt und desinfiziert werden müssen – alles in allem keine Aufgaben, die eine kleine Ortsspedition beherrscht. Deshalb setzt Badenhop einen eigenen Fuhrpark ein, mit 68 ziehenden Einheiten sowie 136 Aufliegern, Kühl-, Tank- und Silofahrzeugen. „Der Fuhrpark ist ein Mittel zur Wertschöpfung“, erklärt Meyer den Grundsatz. Dass Transporte ausgelagert würden, sei selten und komme nur bei palettierten Tiefkühlprodukten vor. Mit eigenen LKW die Produkte ausliefern – das galt in Industrie und Handel lange Zeit als Auslaufmodell. Seit den 1990er-Jahren haben etliche Firmen ihren Werkverkehr eingestellt und die Transporte ausgelagert. Grund waren vor allem die hohen Kosten, da eigene Fahrzeuge vielerorts nur schlecht ausgelastet waren. Dieser Trend ist nun vorbei: „Wer einen Werkverkehr betreibt, bleibt heute in der Regel auch dabei“, sagt Klaus-Peter Jung von Miebach Consulting, Frankfurt. Seine Beobachtungen: Vor allem Verlader, die spezielles Material wie Sondertransportgestelle benötigen, setzen auf einen eigenen Fuhrpark. Und auch wenn besonders eng mit dem Kunden zusammengearbeitet wird (Beispiel: Fahrer hat Zugang zum Betrieb), vertraut man tendenziell eher dem eigenen Personal. Mittelständler setzen auf eigene LKW Statistiken bestätigen, dass sich das Konzept Werkverkehr noch lange nicht überlebt hat. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) weist in seiner letzten Erhebung 38.940 Unternehmen mit Werkverkehr aus; dem stehen 49.676 Unternehmen gegenüber, die im gewerblichen Güterkraftverkehr tätig sind. Beide Werte sind seit Mitte der 2000er-Jahre zwar gesunken, allerdings um einen ähnlichen Prozentsatz. Vor allem mittelständische Betriebe vertrauen weiter auf den eigenen Fuhrpark, wie eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsuniversität Wien für den österreichischen Markt zeigt: Demnach führen 63 Prozent aller Firmen mit einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro ihre Transporte selbst durch, während Großunternehmen ab zehn Millionen Euro Umsatz fast vollständig auf Outsourcing setzen. Man wolle so die Kosten senken, Zeit sparen und Fixkosten variabilisieren, gaben die Befragten an. Speditionen als wichtige Ergänzung Ganz ohne externe Speditionen geht es allerdings auch im Mittelstand nicht. Im Gegenteil: Die meisten Betriebe teilen die anfallenden Transporte auf interne und externe Ressourcen auf. Auf so eine Mischlösung setzt zum Beispiel Pfleiderer, Hersteller von Holzwerkstoffen mit Sitz im bayerischen Neumarkt. „Wir wickeln jeden Tag rund 600 Transporte ab, davon 15 bis 20 Prozent mit dem eigenen Fuhrpark“, erklärt Andreas Ott, Geschäftsführer der Jura-Spedition, einer 100-prozentigen Tochter von Pfleiderer. Zum Fuhrpark gehören spezielle Schubbodenauflieger mit Seitentüren, die sich auch zum Transport der über drei Meter langen Spanplatten eignen. Die entsprechenden Fahrzeuge sind meist in Rundläufen unterwegs. Sie befördern zum Beispiel Ware zu den Holzhändlern und nehmen auf dem Rückweg Schüttgut aus Sägewerken oder von Recyclinghöfen mit, zum Beispiel Späne. Daneben setzt Pfleiderer den eigenen Fuhrpark ein, um Möbelhersteller zu beliefern. „Hier wird mittlerweile Just-in-Time-Präzision wie in der Automobilindustrie erwartet – das können Sie in speziellen Fällen oftmals besser über den eigenen Fuhrpark steuern“, betont Ott. Ein Fahrer, der die Gegebenheiten vor Ort kenne, sei hier oftmals von Vorteil. Darüber hinaus diene die Hausspedition auch dazu, einen Einblick in die Kostenstrukturen zu behalten – für Verhandlungen mit Dienstleistern, so Ott. Und nicht zuletzt gehe vom eigenen Fuhrpark ein Werbeeffekt aus: Wer zum Beispiel frühzeitig Fahrzeuge anschaffe, die Euro 6 erfüllen, mache klar, dass das Thema Nachhaltigkeit vom Betrieb ernst genommen wird. Seit 1978 betreibt Pfleiderer die eigene Spedition. Der dabei eingesetzte Fuhrpark ist über die Jahre größenmäßig konstant geblieben. Einen Trend zu mehr oder weniger Werkverkehr sieht Ott nicht. In Stein gemeißelt sei das Logistikkonzept allerdings nicht. „Solche Konzepte sowie die richtige Größe müssen immer regelmäßig betriebswirtschaftlich überprüft werden“, so Ott. Die Unabhängigkeit eines eigenen Fuhrparks hat freilich ihren Preis: Im Werkverkehr lassen sich oft keine Mengeneffekte erzielen, außerdem ist die Auslastung oft nicht optimal. Folgen des Fahrermangels ungewiss Das spüren auch die Badenhop Fleischwerke im Alltag: Obwohl gelegentlich Ladungen der Wettbewerber mitbefördert werden, um Transportkapazitäten besser auszulasten, bleiben Leerfahrten nicht aus. Hinzu kommen Ausgaben für ein eigenes Schulungszentrum, das von einem Kraftverkehrsmeister geleitet wird. „Kostenmäßig können Sie das mit gewerblichem Güterkraftverkehr natürlich nicht vergleichen“, räumt Logistikchef Meyer von Badenhop ein. Doch er verweist auf die Vorteile: „Man begibt sich nicht in eine Abhängigkeit zu Dienstleistern, Eigenständigkeit und Flexibilität bleiben bestehen. Außerdem sichern wir uns den Zugriff auf die wichtige Ressource ‚Fahrer‘.“ Gerade dieser Punkt werde immer wichtiger. Heißt das, es könnte in Zukunft ein Revival des Werkverkehrs geben? Marktkenner Jung von Miebach Consulting ist skeptisch. „Ich habe noch von keinem Unternehmen gehört, das seine Transporte ingesourct hat, um die Fahrer wieder auf der eigenen Gehaltsliste zu haben.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist Für viele Unternehmen ist der eigene Fuhrpark unverzichtbarer Bestandteil der Wertschöpfung Chancen Logistikkosten sinken Fixkosten werden variabilisiert weniger Kapital ist gebunden es müssen weniger eigene Investitionen getätigt werden Transportkosten lassen sich besser planen das Unternehmen kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren es kann leichter auf Nachfrageschwankungen reagiert werden zusätzliche Kapazitäten sind leicht verfügbar Risiken werden auf den Dienstleister übertragen Spezialkompetenzen und Know-how des Dienstleisters lassen sich nutzen Risikenwährend der Umstellung können hohe Kosten anfallen, die vorher nicht absehbar sind der Dienstleister stellt hohe Preisforderungen es entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis intern aufgebautes Wissen geht verloren eventuell verliert der Betrieb einen Wettbewerbsvorteil, der durch Werkverkehr entstanden ist das Image leidet es gibt unzureichende Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten die Qualität der Logistik könnte sinken das Unternehmen verliert den direkten Kundenkontakt „Wer einen Werkverkehr betreibt, bleibt heute in der Regel auch dabei“ Klaus-Peter Jung, Mitglied der Geschäftsleitung bei Miebach Consulting

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