Weniger Sicherheit ist nicht akzeptabel

Weniger Sicherheit ist nicht akzeptabel Eine überarbeitete europäische Norm zur Ladungssicherung führt zu kontroversen Diskussionen unter Experten und verunsichert Fahrer und Fuhrparkbetreiber gleichermaßen. Es ist ein ehrenwertes Ziel, die Sicherheit auf den Straßen zu verbessern. Um für die Praxis der Ladungssicherung für ganz Europa ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, wurde daher 2003 die europäische Norm EN 12 195-1 auf den Weg gebracht. Ein allgemein gültiger Standard hätte den Vorteil, dass die nationalen Behörden in allen Ländern nach dem gleichen Maßstab kontrollieren. Die deutsche Fassung der überarbeiteten Ladungssicherungsnorm DIN EN 12 195-1:2011 vom Juni 2011 steht bei vielen Experten jedoch in der Kritik, da sie ihrer Meinung nach zu niedrige Anforderungen an die Ladungssicherung stellt. Das deutsche Institut für Normung DIN weist ausdrücklich darauf hin, dass die Neufassung der EN 12 195-1 in wesentlichen Punkten eine Reduzierung des Sicherheitsniveaus im Vergleich zur bisherigen Norm (EN 12195-1:2004) darstellt. So sieht es auch Markus Otremba, Ladungssicherungsexperte der TÜV SÜD Auto Service GmbHin der Niederlassung Straubing: „Die neue Norm führt in Teilbereichen zu einem Sicherheitsverlust“, ist Otremba überzeugt. So würden dynamische Prozesse zu wenig berücksichtigt, beispielweise beim statischen Kipptest: „Ein erfolgreich absolvierter statischer Kipptest versagt oftmals bei der geringsten dynamischen Fahrbelastung“, weiß der Experte aus der Praxis.Kritiker verweisen gerne auf die Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) VDI 2700, die als anerkannte Regeln der Technik gelten. Laut Gesetz ist die Ladung „so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen“ kann. So steht es in § 22 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die StVO regelt allerdings nicht im Detail, wie die Ladung gesichert werden muss. Die Verordnung verweist auf „anerkannte Regeln der Technik“ (§ 22 Absatz 1 Satz 2 StVO). Die Ladungssicherungs-Richtlinien des VDI können diesen Status für sich beanspruchen, ebenso die ältere Fassung der Euro-Norm DIN EN 12195-1:2004, die wesentlich auf der VDI 2700 beruht. Ob die nunmehr geänderte europäische Ladungssicherungsvorschrift EN 12195-1:2010 ebenfalls als anerkannte Regel der Technik von den Gerichten bestätigt wird, ist offen. Für Transportunternehmer ist es wichtig zu wissen, nach welchen Vorgaben die Ladungssicherung kontrolliert wird. Das Bundesverkehrsministerium hatte im Dezember 2010 das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) angewiesen, weiterhin nach der VDI 2700 zu kontrollieren. Diesem Vorbild will auch die Polizei bis auf Weiteres folgen. Darauf haben sich die Länder im Bund-Länder-Gremium zuletzt im September geeinigt. „Anerkannte Technik nach §22 der StVO sind weiterhin die VDI-Richtlinie 2700 sowie die alte EU-Norm DIN EN 12195-1:2004“, betont TÜV-Experte Otremba. „Alle am Transportvorgang beteiligten Personen sind gut beraten, die derzeit gültigen nationalen Vorschriften zu befolgen.“ Der TÜV SÜD wendet daher die alte Norm in seinen Gutachten weiterhin an. „Wer nach der alten Norm – also höherwertig – sichert und verlädt, ist immer auf der sicheren Seite“, pflichtet Michael Ebsen, Leiter des Fachgebiets Ladungssicherung TÜV NORD bei.Langfristig sei es kein haltbarer Zustand, dass zwei unterschiedliche Regelwerke nebeneinander existieren, glaubt Manfred Dämmer, Leiter Intermodal Transport Consulting der TÜV Rheinland Kraftfahrt GmbH. Auch wenn einige Ansätze der neu gefassten EU-Norm zu begrüßen seien, verwässert das Regelwerk unterm Strich das hohe Sicherheitsniveau nach VDI 2700. Der Wegfall des k-Wertes in der Euro-Norm, der den Verlust der Vorspannkraft durch Reibung zwischen Zurrmittel und Ladung berücksichtigt, sei dafür ein Beispiel. Ebenso die Festlegung von Reibbeiwerten für verschiedene Materialkomponenten im Anhang. „Die Werte sind zu hoch angesetzt und führen damit zu weniger Sicherheit“, urteilt Dämmer. Zudem fehle ein Wert für die in der Praxis häufig anzutreffende Materialpaarung „Holzpalette/Trailerboden“. Stattdessen sei ein Wert für die Kombination „Schnittholz-Schichtholz/Sperrholz“ aufgeführt, der als Kompromiss zwischen den beteiligten Ländern zustande gekommen ist. Neu eingeführt wurde ein Umrechnungsfaktor für das Direktzurrverfahren. „Wegen der Umrechnungsfaktoren bringt die EU-Norm mehr Rechenaufwand für die Transportunternehmer mit sich“, kritisiert Dämmer. Positiv sieht der Fachmann allerdings die Einführung eines Sicherheitswertes (fs) für das Niederzurrverfahren. „In Fahrtrichtung wurde der Wert auf 1,25 erhöht, das erhöht die Ladungssicherheit.“ Damit werde auch der verbesserten Nutzfahrzeugtechnik Rechnung getragen, die heute wesentlich stärkere Bremskräfte ermögliche als noch vor einigen Jahren.Die TÜV bieten deutschlandweit neben Seminaren zum Thema Ladungssicherung eine umfangreiche Expertise für Fuhrparkbetreiber. Der TÜV SÜD bietet unter anderem Gutachten zum Nachweis einer ausreichenden Ladungssicherung für bestimmte Ladegüter. Das Gutachten kann im Fahrzeug mitgeführt werden und hilft bei Kontrollen weiter. Auf der sicheren Seite: Mit geeigneten Zurrmitteln lassen sich die Kräfte der Physik beherrschen und Unfälle durch verrutschte Ladung verhindern

Weniger Sicherheit ist nicht akzeptabel

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