Deutschlands Konjunktur: Wann geht es wieder aufwärts?

Alle Industrie-Nationen wachsen, Deutschlands Wirtschaft dagegen schmiert ab. So wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus Sicht des Sachverständigenrats in diesem Jahr wohl um 0,4 Prozent schrumpfen (Stand 9. November 2023). Führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in diesem Jahr gar mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um minus 0,6 Prozent. Zur Erinnerung: Im März hatten die Wirtschaftsweisen für 2023 noch mit einem BIP-Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet. Maßnahmenpakete für mehr Wachstum Die deutsche Konjunktur steckt in der Krise. Und zwar nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell. Erstaunlich daran ist nur, wie lange die Bundesregierung zugewartet hat. Immerhin hat sie sich nun doch auf ein Strompreis-Paket für die Industrie geeinigt sowie das Paket zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung auf den Weg gebracht. Zusätzlichen Schwung soll auch das geplante Wachstumsbeschleunigungs-Gesetz bringen. Aber reicht das alles, um das Wachstum hierzulande anzukurbeln? Höchste Zeit, mit Ökonomen zu sprechen, wie sie die Situation in der deutschen Wirtschaft einschätzen (Stand Anfang November 2023), wann es aus ihrer Sicht wieder aufwärts geht, und was dabei hilft. Lesen Sie außerdem, welche Management-Konzepte sich für Entscheider jetzt eignen, um Unternehmen nachhaltig in die Zukunft zu führen - der momentan schwierigen Wetterlage zum Trotz. "Echte Wachstums-Agenda sieht anders aus" "Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr stärker schrumpfen, als bislang erwartet. So soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in 2023 um 0,6 Prozent sinken. Das geht aus der Herbst-Konjunkturprognose führender Wirtschafts-forschungsinstitute hervor, an der auch das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) mitgewirkt hat. Immerhin: Im Jahr 2024 könnte das BIP aufgrund der höheren Kaufkraft vieler Konsumenten (Stichwort: Tarifabschlüsse in 2023) im Schnitt um 1,3 Prozent zulegen und im Jahr 2025 um 1,5 Prozent. Die Inflationsrate wird von derzeit durchschnittlich sechs Prozent in 2024 und 2025 möglicherweise auf etwas über zwei Prozent zurückgehen. Mittelfristig aber, also in den nächsten fünf Jahren, geht das IfW Kiel von deutlich schwächeren Zuwachsraten aus, die sich der 0,5 Prozent-Marke nähern. Dieser Abwärtstrend wird sich weiter fortsetzen - allein aus demografischen Gründen. So wird ab 2024 die Zahl der Erwerbstätigen sinken, während zugleich immer Rentner versorgt werden müssen. Mit der Folge, dass die Verteilungskonflikte zwischen der jüngeren und älteren Generation steigen werden. Ein Drehen an der Abgabenquote würde die Wachstumskräfte weiter schwächen, weil dies Investitionen belastet, die Leistungsfähigsten abwandern und gut Qualifizierte erst gar nicht zuwandern. Die Folge wäre, immer weniger Menschen in Deutschland müssten immer höhere Lasten tragen. Das wäre ein sich selbst verstärkender Prozess. Die Politik sollte jetzt also alles dafür tun, um die Wachstumskräfte der deutschen Wirtschaft zu stärken. Die Instrumente an sich sind bekannt. Wichtige Hebel sind weniger Bürokratie und Abgabenlasten, um den Unternehmen mehr Spielräume zu eröffnen und Arbeitsanreize zu stärken. Stattdessen kommen mit Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und EU-Taxonomie immer neue Berichtspflichten auf die Unternehmen zu. Der industriepolitische Ansatz wird ebenfalls zusätzliche Bürokratie bringen. Eine echte Wachstums-Agenda sieht anders aus. Es ist leider auch eine Illusion, dass die grüne Transformation, also der Umbau von Fabriken und Produkten hin zur Klimaneutralität, ein zweites Wirtschaftswunder in Deutschland auslösen wird, auch wenn dies Bundeskanzler Olaf Scholz so postuliert. Die Dekarbonisierung wird der deutschen Wirtschaft keinen Wachstumsschub bescheren, sondern eher deren Wachstum belasten. Denn die Unternehmen müssen dafür ganz erhebliche Investitionen leisten; nicht aber für den Aufbau neuer Kapazitäten, sondern für deren Umbau. Das gilt es zu beachten. Klimaschutz kommt nicht mit einer doppelten Dividende, sondern kostet etwas." "Wider die grassierende Schwarzmalerei" "Im Klima der drohenden Belastungen der aktuellen Mehrfachkrise wuchert ein tiefgreifender Pessimismus über die wirtschaftliche Zukunft des Standortes Deutschland: An die Wand gemalt wird das Schreckgespenst der Deindustrialisierung. Doch diese Beschwörung eines deutschen Absturzes ist voreilig, ja unzutreffend. Sie lenkt von den tatsächlichen Krisenursachen ab, vor allem aber von dem dagegen zu richtenden, machbaren politischen Handeln. Keine Frage: Die aktuellen Herausforderungen sind gigantisch. Derzeit dominiert in Deutschland eine leichte Rezession, deren Ende jedoch erkennbar ist. Der Internationale Währungsfonds (IFW) geht mittlerweile davon aus, dass - während viele andere Industriestaaten wachsen -, dieses Jahr in Deutschland die Gesamtwirtschaft um 0,3 Prozent schrumpfen wird. Auf der Basis der Herbstdiagnose der Institute wird der gesamtwirtschaftliche Produktionsverlust durch die Bundesregierung mit 0,4 Prozent angegeben. Es ist allerdings absurd, wie apokalyptisch dieser Rückgang in der deutschen Öffentlichkeit interpretiert wird. Davor warnt selbst die Deutsche Bundesbank und erwartet für das kommende Jahr wieder 1,2 Prozent Wachstum. Auch das keineswegs zum gesamtwirtschaftlichen Optimismus neigende Ifo-Institut sagt für 2024 sogar 1,4 Prozent Wachstum voraus. Das heißt, wir befinden uns eher in einer längerfristigen Phase der Wachstumsschwäche, die durch die immer noch hohen Energiekosten, die Exportschwäche - vor allem aus China und den zurückhaltenden Konsum - infolge der hohen Inflation verursacht wird. Kurzum: Die aktuelle Lage hat wenig mit einem Verschwinden der deutschen Industrie, sondern mit konjunkturellen, strukturellen und transformatorischen Problemen zu tun: Das sind erstens eine völlig neue geopolitische Lage (Stichworte Ukraine-Krieg und strukturelle Probleme Chinas) und zweitens das gewaltige ökologische Umbauprojekt der Energiewende gegen die Klimakrise, das sich die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag zu Recht auf die Fahnen geschrieben hat. Das Mega-Problem ist nur, dass diese Transformation unter - zum Teil selbstverschuldet - erschwerten Bedingungen umgesetzt werden muss: die hohen Energiepreise, der binnenwirtschaftliche Nachfragerückgang durch sinkende Exporte, die gebremste Konsum-Nachfrage durch die Inflation - vor allem bei den Einkommensschwachen - sowie schließlich die staatlichen Finanzierungsengpässe durch die reaktivierte Schuldenbremse." "Wohlstand fällt nicht vom Himmel" "Die deutsche Wirtschaft lahmt. Als einzige große Volkswirtschaft wird das reale BIP 2023 gegenüber dem Vorjahr schrumpfen. Ein Minus von 0,6 Prozent ist wahrscheinlich. Das Problem ist: Wir haben nicht nur ein kurzfristiges konjunkturelles, sondern ein langfristiges strukturelles Problem. Ein Grund dafür ist, dass Deutschland ein Industrieland ist, in dem der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Wertschöpfung mit 20 Prozent deutlich höher ist als in vielen anderen entwickelten Volkswirtschaften. Über den Erfolg der deutschen Industrie entscheidet vor allem der Außenhandel. Dort aber haben sich seit 2020 geradezu tektonische Verschiebungen ergeben. So war China im Jahr 2020 in etwa gleichauf mit den USA das wichtigste Zielland für deutsche Exporte: Inzwischen sind es die USA, Frankreich und die Niederlande. Da China ebenfalls erhebliche strukturelle Probleme hat, muss Deutschland schon deshalb seine Abhängigkeit vom Außenhandel und von China verringern. Man muss versuchen den Dienstleistungssektor in den nächsten Jahren zu stärken, weil vor diesem Hintergrund die Industrie voraussichtlich in den kommenden Jahren hierzulande nicht mehr so stark wachsen wird. Eine Stärkung des Dienstleistungssektors ist unumgänglich, damit Deutschland in seiner Wachstumsentwicklung nicht weiter zurückfällt. Strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen. Das Potenzialwachstum jeder Volkswirtschaft wird maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt: dem Arbeitskräfte-Angebot und der Produktivität der Arbeitskräfte. Für die Politik heißt das: Angesichts der schrumpfenden Bevölkerung muss in Deutschland künftig nicht weniger, sondern mehr gearbeitet werden. Wohlstand fällt nicht vom Himmel. Gezielte Zuwanderung und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Migranten können dazu beitragen. Zwingend erforderlich für mehr Wachstum und Aufbruchstimmung ist auch, dass die Politik erkennt: Nicht mehr, sondern weniger Regulierung und Bürokratie sind der Schlüssel zum Erfolg. Wichtig ist zudem, dass die Politik den Ausbau erneuerbarer Energien mit Gesetzen, Förderprogrammen und Anreizen erleichtert und wirtschaftlich attraktiv macht. So sollte es Deutschland gelingen, das reale Trendwachstum auf rund ein Prozent zu erhöhen. Da die Inflationsrate ab Mitte 2024 auf etwa zwei Prozent sinken wird, und sie dort ohne neue exogene Schocks auch verharren sollte, dürfte Deutschland somit ein nominales Wirtschaftswachstum von jährlich drei Prozent in den kommenden fünf Jahren erzielen. Jede Krise lässt sich meistern, packen wir es an!" "Ein ,Weiter so' ist keine Option" "Das System Weltwirtschaft wird instabil. In kurzer Zeit werden nahezu Schockwellen ausgelöst. Die Unsicherheit steigt. Stichworte sind die Energiekosten, China und die Inflation. In einer Welt, in der sich Ursache-Wirkungsbeziehungen nicht mehr analytisch ableiten lassen, stoßen herkömmliche Management-Konzepte an Grenzen. Wie lässt sich ein Unternehmen unter solchen Umständen managen? Für die Logistik ergeben sich daraus fünf Handlungsfelder: - Resilienz: Es geht nicht nur darum, Stürme zu überstehen, sondern auch, aus ihnen gestärkt hervorzugehen und ausweichen zu können. Resilienz heißt Robustheit, Flexibilität, Regenerationsfähigkeit und vor allem Lern- und Anpassungsfähigkeit. In einer Welt, die sich ständig verändert, ist Resilienz der Schlüssel zur langfristigen Überlebensfähigkeit. Resilienz ist nicht nur Ergänzung zum Strategieprozess, sondern eine andere Perspektive der Planung. - Neues Zielsystem: Die Zeiten, in denen eine "License to Operate" ausreichte, sind vorbei. Jetzt sind "License to Grow" und "License to Lead" entscheidend. Die "License to Grow" fokussiert auf soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. "License to Lead" hingegen transformiert Unternehmen in gesellschaftliche Gestalter, die Debatten anstoßen und Lösungen bieten. - Kollaboration: Die Kunst besteht darin, einerseits eng mit Ökosystemen zu kollaborieren und andererseits schädliche Einflüsse zu entkoppeln. Man ist nur gemeinsam stark, aber Autarkie in bestimmten Bereichen ist unerlässlich. Das ist Resilienz durch Vernetzung und Zusammenarbeit. Die richtige Balance zu finden, ist eine Kunst, die Manager beherrschen müssen. Es ist ein Balance-Akt zwischen globaler Reichweite und lokaler Relevanz. - Künstliche Intelligenz: KI ist die beste verfügbare Antwort auf Nichtlinearität und Komplexität. Sie ermöglicht es etwa, verborgene Potenziale in einem Meer aus unstrukturierten ERP-Daten zu finden. Muster können erkannt werden, wo das menschliche Auge überfordert wäre. KI ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein strategischer Partner, der die Entscheidungsfindung revolutioniert. - Führung: die größte Herausforderung für die Zukunft. Manager müssen lernen, in einer Welt der Unsicherheit zu navigieren und sowohl technologische als auch menschliche Aspekte zu berücksichtigen. Sie müssen sich auf eine neue Ära der Führung einstellen, die Empathie, Agilität und Vertrauen erfordert. In Krisenzeiten gilt: Ausprobieren, Fehler machen, sich ständig anpassen. Denn ein "Weiter so" ist keine Option. Die Zukunft ist kein Selbstläufer, sondern das, was wir aus ihr machen."

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