Wachstum mit Tücken

Wachstum mit TückenAngesichts der guten Wachstumszahlen herrschte zwar gute Stimmung bei der Gesellschaftertagung von Kombiverkehr. Die Unpünktlichkeit der Züge ist jedoch nach wie vor ein gravierendes und ungelöstes Problem.Wenn die Leistung nicht mehr stimmt, hat das in der Regel Konsequenzen. Fußballbundestrainer Jogi Löw wirft im Viertelfinale Stürmer Gomez aus dem Team, und Siemens macht seine Handy-Sparte dicht, weil keiner mehr mit diesen Geräten telefonieren will. Im Schienengüterverkehr gelten diese Gesetzmäßigkeiten der Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft offenbar nicht. So scheint es zumindest.Denn im Kombinierten Verkehr (KV) stimmt die Leistung nicht, und zwar schon seit Langem. Mit einer Präzision, wie man sich den Bahnverkehr wünschen würde, steht das Thema Unpünktlichkeit bei der Gesellschaftertagung von Kombiverkehr Jahr für Jahr ganz oben auf der Tagesordnung. So auch vor einer Woche in Frankfurt. Von "einer seit gut zwei Jahren festzustellenden zunehmenden Unpünktlichkeit" sprach Kombiverkehr-Geschäftsführer Robert Breuhahn, "von einer unbefriedigenden Leistung", die "mittelfristig zu einer Verringerung der Marktakzeptanz und entsprechenden Reaktionen" führen kann. In seinem Redemanuskript war sogar von einer "desolaten" Leistungsqualität die Rede. Womöglich mit Rücksicht auf Sebastian Jürgens, dem Vertreter der Deutschen Bahn (DB) im Verwaltungsrat von Kombiverkehr, wählte er mit "mangelnder" Leistungsqualität vor den zahlreich erschienenen Spediteuren eine schonendere Formulierung.Nun könnte man meinen, dass angesichts einer solchen Leistung auch die Nachfrage nachlässt. Doch weit gefehlt. Für 2007 konnte Breuhahn ein Plus bei den Sendungen in Höhe von 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr vermelden. Und das trotz Beeinträchtigungen durch den Sturm Kyrill, den Streik der Lokführer bei der DB sowie vor allem den Streik der italienischen Trans-porteure. Aufgrund dieser Ereignisse konnten Fahrpläne nicht eingehalten werden und wurden Züge komplett gestrichen. Mehr Wachstum war möglichEs gibt aber noch einen weiteren wichtigen Grund für die nicht akzeptable Qualität 2007: die hohe Nachfrage nach Hucke-pack-Transporten. Die hat dazu geführt, dass das System KV am Rande seiner Kapazitäten agiert. Dadurch ist es zu zahlreichen Engpässen gekommen: bei Lokomotiven, Waggons, Lokführern, aber vor allem in den Terminals. Auf den ersten Blick eine paradoxe Entwicklung: Trotz schlechter Leistung steigt die Nachfrage. Doch auch dafür hatte Breuhahn einige Erklärungen parat: die konjunkturelle Situation, Laderaumengpässe im Straßenverkehr, Anstieg der Treibstoffkosten, Verschärfung der Sozialvorschriften sowie fehlende LKW-Fahrer. Hätte es nicht die Streiks und den Sturm gegeben, so Breuhahn, dann wäre "unsere Verkehrsentwicklung voraussichtlich bei über zehn Prozent gelegen".Kombiverkehr verschenkt also Potenzial. Das betrifft auch den Markt für Stückgüter. Bislang werden diese aufgrund der hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit ausschließlich per LKW transportiert. Daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Denn die Pünktlichkeitsquote im nationalen Netz von Kombiverkehr hat sich von über 80 Prozent (2006) auf unter 80 Prozent (2007) verschlechtert. Damit kommt der KV für die Stückgutspediteure nicht infrage. "Diese Märkte verlangen eine Pünktlichkeitsquote von stabil deutlich über 90 Prozent", sagt Breuhahn.Allerdings: Nicht alle der täglich 170 Züge leiden unter Verspätungen. Zahlreiche Züge halten den Fahrplan ein. Deshalb hat Kombiverkehr das Ziel auch nicht aufgegeben, ein Netz für zeitkritische Güter zu stricken. "Express Net" heißt das Projekt, bei dem wichtige Wirtschaftszentren in Deutschland im Nachtsprung miteinander verbunden werden sollen. So wie es Hellmann und DHL bereits erfolgreich vormachen. In zwei bis vier Jahren soll es das "Express Net" geben. Bis dahin müssen die Beteiligten jedoch auch die Qualität besser in Griff bekommen. Danach sieht es derzeit nicht aus. So stagnierte das Geschäft im nationalen Netz von Kombiverkehr in den ersten fünf Monaten 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (s. auch Kasten unten). Aufkommenseinbußen verzeichnete das Unternehmen auf den Achsen nach Ungarn, Spanien und Österreich. "Das Verhältnis Preis/Leistung auf diesen Achsen stimmt nicht mehr. Der Markt und damit unsere Kunden beginnen zu reagieren", sagte Breuhahn.Ein Zeichen dafür, dass die Marktmechanismen auch im Schienengüterverkehr nicht außer Kraft gesetzt sind. Dass sie jedoch nicht so wirken wie auf anderen Märkten, hat vor allem einen Grund. Die Bahnen, einer der Hauptverantwortlichen für die Verspätungen, können dafür nicht zur Kasse gebeten werden. Breuhahn machte keinen Hehl daraus, was er davon hält: "Das Verlagern des Risikos ausschließlich auf die Operateure und damit auf die Kunden ist und wird kein partnerschaftlicher und zukunftsweisender Weg sein." Doch wie schon bei der Pünktlichkeit gilt auch hier: Diskutiert wird über solche Entschädigungszahlungen schon seit Jahrzehnten, passiert ist dank der dominanten Stellung der Bahnen nichts. ❙❚■ Michael Cordes

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