Vita

VitaKlemens Rethmann (44) ist seit Oktober 2008 Vorstandsvorsitzender der Rhenus-Gruppe, in deren Vorstand er bereits seit Mitte 2007 tätig ist. Mit Klemens Rethmann steht nun ein Manager aus der Eigentümerfamilie an der Spitze des Logistikdienstleisters. Rethmann stieg bereits 1990 in das Familienunternehmen Rethmann ein, wo er bei Rethmann Data als Geschäftsführer Erfahrungen sammelte. Bei der Rethmann Entsorgungswirtschaft, heute in Deutschland unter dem Namen Remondis der größte Entsorger, übernahm er ab 1994 zentrale Leitungsfunktionen. Seit 1995 ist Klemens Rethmann Vorstandsmitglied in der Holding Rethmann AG & Co. KG. Bis 2007 war er bei der Rethmann-Tochtergesellschaft Saria Bio-Industries zunächst als Vorstandsmitglied, später als Sprecher des Vorstands tätig. diwiDie Marktführer geben die Kultur vor Die große Ego-Show mancher Konzernvorstände will Klemens Rethmann nicht mitmachen. Der Familienunternehmer und neue Rhenus-Chef sieht seine Verantwortung woanders.Herr Rethmann, es ist alles andere als selbstverständlich, dass ein Vorstandsvorsitzender um vier Uhr morgens aufsteht, um pünktlich um neun zum Interview anzutreten. Stehen Sie immer so früh auf?Klemens Rethmann: Nicht ganz so früh, aber ich bin meistens um sieben Uhr im Büro.Sie haben eine denkbar ungünstige Zeit getroffen. Kerngeschäftsfelder wie Containertransporte, Binnenschifffahrt und Stückgut sind massiv eingebrochen. Haben Sie schon Staatshilfe beantragt?Nein.Warum nicht? Manche Ihrer Konkurrenten tun es ja auch. Die Zeit, die wir zum Papier ausfüllen brauchen würden, setzen wir für Kunden ein. Da kommen wir weiter. Halten Sie Staatsbürgschaften für ein geeignetes Instrument, Logistikunternehmern unter die Arme zu greifen oder ist das der falsche Weg?Es gibt in Deutschland seit Jahrzehnten das bewährte System der Landesbürgschaften, um dem einen oder anderen Unternehmen zu helfen. Staatshilfen, die darüber hinaus- gehen, halte ich für überflüssig und unsinnig.Sind die Konjunkturprogramme also alle für die Katz?Ich übertreibe einmal: Wenn ich einer Putzfrau die Möglichkeit gebe, sich über Staatshilfe ein Auto zu kaufen, das sie sich sonst nicht kaufen würde, mag das sinnvoll sein. Wenn ich über Sonderabschreibungen Unternehmen beim Investieren helfe, mag das auch sinnvoll sein. Was anderes ist es, wenn ein Sportwagenbauer der Meinung ist, er muss den größten deutschen Autokonzern aufkaufen. Gewinnt er das Spiel, sind die Gewinne privatisiert. Scheitert er, sind die Verluste sozialisiert. Ich bin Kilometer davon entfernt, die rote Fahne zu schwenken, aber das geht nicht.Schickedanz, Schaeffler und nun auch Klaus-Michael Kühne, der Staatshilfen für Hapag-Lloyd fordert. Was halten Sie von Unternehmern, die nach dem Staat rufen, ihr Eigenkapital aber unangetastet lassen?Ich war Gott sei Dank noch nie in der Situation, mich mit dem Thema beschäftigen zu müssen. Ich kann den ein oder anderen Unternehmer verstehen, wenn er in dem Augenblick eine persönliche Bürgschaft nicht unterschreibt. Ich kenne Unternehmer, die Landesbürgschaften beantragt haben und dafür muss man sich schon ziemlich nackig machen. Das ist auch kein Geschenk, sondern ein Kredit, den man auch zurückzahlen muss.Hat das Image der „Familienunternehmen“ in der Krise gelitten?Bei den Familienunternehmen gibt es immer das schwarze Schaf. Wenn Sie hier die großen beiden Damen aus dem Fränkischen zu Repräsentanten der ganzen Familienunternehmen in Deutschland machen, dann tun Sie unserem Stand Unrecht. Ich kenne Familienunternehmer aus dem Mittelstand, denen es richtig schlecht geht und die trotzdem diese Art der Staatshilfen ablehnen. Wie sehr ist Rhenus in der Krise betroffen?Es gibt Bereiche, in denen sind wir stark betroffen, in anderen spüren wir gar nichts. Das Containergeschäft auf dem Rhein ist um 25 Prozent eingebrochen, weil weniger Container von den Seehäfen kommen. In der Automobil-Zulieferindustrie haben wir eine ähnliche Situation. Aber in anderen Bereichen ist es stabil. Ein Kaufmannsgut kennt Ebbe und Flut. Jetzt haben wir halt Ebbe.Und wo geht es gut?Es gibt einige spannende Nischen. Unser Thema Media läuft stabil. Mit den Dienstleistungen für Verwaltung im Bereich Archivierung, Aktenvernichtung, Digitalisierung, Prozessoptimierung sind wir ebenfalls gut unterwegs. Die Menschen kaufen Küchen wie selten, und entsprechend geht es bei der Home Delivery richtig nach vorne. Im Russlandgeschäft haben wir weiterhin gut zu tun, weil wir vor 18 Monaten jede Menge Projekte akquiriert haben, die jetzt abgewickelt werden. Rhenus hat sich Geschäft massiv über Akquisitionen gesichert. Zwei größere Zukäufe waren Interspe Hamann 2006 und TMI, Niederlande, 2007. Welche Strategie steht dahinter?Sie ergänzen gut unser Portfolio, weil wir in den Bereichen Transporte, Logistik, Stückgut, Luft- & Seefracht vorher nicht so prominent vertreten waren. Jetzt spielen wir in diesen Märkten auch eine Rolle.Rhenus gilt als Wachstumschampion. Heißt das Motto, wachsen um jeden Preis?Es hieß nie wachsen um jeden Preis und das wird es auch künftig nicht. Wachstum ist für ein Unternehmen extrem wichtig. Aber für eine Akquisition brauchen Sie immer zwei: einen der verkauft, und einen, der kauft. Und dann müssen sich die beiden auch noch auf einen Preis einigen. Wenn es Opportunitäten gibt, wo diese drei Dinge stimmen, dann werden wir es machen. Als die Karstadtlogistik verkauft wurde, hat Rhenus mitgeboten. Wenn der Karstadt- Insolvenzverwalter heute auf Sie zukäme, würden Sie kaufen?Rhenus hat sich daran beteiligt, als Karstadt-Quelle über das Outsourcing nachgedacht hatte. Wir sind damals nicht zum Zuge gekommen, weil wir die Risiken, die damit verbunden waren, nicht eingehen konnten und wollten. Das gilt heute mehr denn je. Das, was damals versteigert wurde, gehört heute der Deutschen Post. Das Geschäft ist für Sie also nicht interessant?Das habe ich nicht gesagt. Wenn es eine vernünftige Möglichkeit ist und wenn Risiken und Chancen in einem akzeptablen Verhältnis stehen, sind wir sicherlich dabei. Aber auf welchen Mengengerüsten sollte ich in dieser Situation irgendetwas vernünftig kalkulieren? Für einen Distributionsauftrag für Karstadt oder Quelle sehe ich zurzeit keine Chance. Gibt es für Logistikdienstleister so was wie eine ideale Unternehmensgröße? Ein Organisationstheoretiker sagte mal, dass man ein Netzwerk von bis zu 150 oder 180 Leuten beherrschen kann. Wenn die Organisationseinheiten größer werden, ist dieses Netzwerk nicht mehr beherrschbar. Wenn man also in dieser Kohortengröße bleibt und es dann schafft, diese 180 Mann nebeneinander zu organisieren, dann geht das praktisch bis ins Unendliche. Aber in dem Augenblick, wo Sie einem Manager sagen „Du bist jetzt für 500 Leute zuständig“, muss der plötzlich anfangen, zusätzliche Hierarchien einzuziehen. An diesem Bild orientiere ich mich. Deshalb versuche ich, unser Unternehmen in führbaren Einheiten zu organisieren. Diese Theorie wurde übrigens auch in der Schweizer Armee angewendet, angeblich die einzige, die noch niemals besiegt wurde.Man kann aber nicht immer gewinnen. Sie haben nach nicht ganz einem Jahr den Geschäftsbereich Lifescience kürzlich eingestellt. Warum?Wir haben gedacht, es gäbe eine Nische. Wir hatten erwartet, dass es den Kunden vornehmlich darum geht, in einem definierten Temperaturbereich auszuliefern, der damals auf dem Markt so nicht angeboten wurde. Tatsächlich legen die Kunden Wert darauf, nicht nur im Kühlbereich, sondern auch im normalen Temperaturbereich durch einen einzigen Anbieter beliefert zu werden. Den normalen Temperaturbereich haben wir nicht und können wir nicht. Und den 25. KEP-Dienst aufzubauen, würde absolut keinen Sinn machen. Erwartung und Realität kamen nicht zusammen, und dann muss man konsequent sein. Wenn Sie Rhenus mit einem Wort charakterisieren sollten, welches wäre das?Fokussiert.Das erstaunt mich aber. Ist Rhenus nicht eher ein Gemischtwarenladen?Das wäre richtig, wenn derjenige, der Ihnen vormittags den Mediaservice verkaufen will, sich nachmittags mit Ihnen über Stückguttransporte nach Russland unterhält. Aber das ist nicht der Fall. Wir haben in allen Bereichen Spezialisten. Bei der Rhenus Media konzentrieren sich die Mitarbeiter von morgens bis abends auf Mediendienstleistungen. Wir haben eine andere Mannschaft, die nur in Office-Systemen denkt und wieder eine andere, die Containerverkehre organisiert.Ist ein vernetzter Logistikkonzern für Sie also keine Option?Nicht der integrierte. Die Leute sollen sich miteinander unterhalten, und wenn sie eine Chance gemeinsam sehen, dann nutzen sie diese gemeinsam. Ansonsten konzentriert sich jeder auf seinen Kunden und auf seine Dienstleistung.Ihre Vorstandskollegen bei der Konkurrenz geben sich alle Mühe, bestehende Strukturen umzukrempeln. Kein Thema für Sie?Dadurch erhöhen sie nur die Komplexität. Ich schätze die dadurch entstehenden Kosten deutlich höher ein als die potenziellen Synergie- oder Degressionseffekte. Wir bedienen eine Reihe von Nischen. Die Mitarbeiter sind in ihren Bereichen Unternehmer und die fühlen sich auch so.Was halten Sie von dem Wort Synergieeffekte?Gar nichts. Weil 1 und 1 niemals 3 ergibt. Ich denke bei dem Wort Synergieeffekt vor allem an Manager, die krampfhaft versuchen, Dinge zusammenzulegen. Nehmen Sie die Erfahrungen, die man bei Daimler gemacht hat unter Edzard Reuter mit seiner Vision vom integrierten Technologiekonzern in den 80er-Jahren oder später unter Jürgen Schrempp mit seiner Welt AG. Beide Versuche sind gescheitert. Die Kosten der Komplexität, die damit einhergehen, werden regelmäßig unterschätzt.Sie sind jetzt seit Oktober letzten Jahres Vorstandsvorsitzender der Rhenus. Wo sehen Sie Ihre eigene Rolle im Konzern?Ich rede ungern von Konzern, sondern viel lieber von Unternehmensgruppe. Als Konzern müssen sie für Investoren attraktiv sein. Da haben Sie eine Funktion, die ich Gott sei Dank nicht einnehmen muss. Meine Investoren treffe ich Sonntagnachmittag beim Kaffee. Ich brauche auch nicht attraktiv sein für irgendwelche Leute, die meine Anleihen kaufen oder für Banken. Hellmann, Fiege, Kühne, Dachser. Bei vielen Unternehmen hat man ein Gesicht vor Augen. Sind Sie das Rhenus-Gesicht nach außen? Nein. Kein Kunde arbeitet mit uns zusammen, weil er mich nett findet. Ein Kunde arbeitet mit uns zusammen, wenn wir ihm eine bessere Dienstleistung bieten als der Wettbewerb. Meine Rolle ist es, zu integrieren, und zwar innerhalb des Unternehmens. Meine Rolle ist es, dafür zu sorgen, dass der beste Mann, die beste Frau sich um den Kunden kümmert. Momentan verstärken viele Dienstleister den Vertrieb. Auch bei Ihnen ein Thema?Ja, natürlich. Das ist ja das, was wir momentan alle erleben. Es gibt weniger zu fahren, aber jeder hat seine Netzwerke und versucht sie auszulasten – mit der Folge, dass der Preis runtergeht. Leider. Früher hat man gesagt: Der Marktführer ist für die Kultur im Markt zuständig. Das heißt, die Großen der Branche beteiligen sich auch am Preiskampf?Alle machen mit. Alle sehen zu, dass sie ihre Marktanteile erhöhen. Und zurzeit ist das speziell im Straßengüterverkehr alles andere als lustig. Auf Dauer kann das nicht funktionieren. Sehen Sie Möglichkeiten, das aufzuhalten?Wenn das nicht aufgehalten wird, ist die Branche morgen nicht mehr da.Wen sehen Sie in der Pflicht?Ich sagte es schon: Die Marktführer sind für die Kultur im Markt verantwortlich. Ich meine nicht in Form von Absprachen und Kartellen. Das hat einfach etwas damit zu tun, dass der Marktführer nicht daran interessiert ist, den Preis ins Bodenlose fallen zu lassen, weil er dann Geld verliert. Und er verliert ja relativ am meisten, weil er der Größte ist. Gleichzeitig ist der Marktführer daran interessiert, dass der Preis nicht zu hoch wird, weil dann wiederum zu viele Wettbewerber in diesen Markt drängen. Von daher sollte ein Marktführer an einem vernünftigen Preisniveau mit Kunden und Dienstleistern interessiert sein.Bräuchte die Logistik einen Verband, der die Interessen der Branche mit der nötigen Vehemenz vertritt?Eine Lobby für Verkehr aufzubauen ist extrem schwer. Es gibt keinen Politiker, der sich für die Spediteure einsetzen würde. Die sind so was von negativ besetzt mit ihren LKW. Die stinken, machen die Straße kaputt und sorgen für die Unfälle – so ist jedenfalls die öffentliche Wahrnehmung. Dann ist das aber ein Imageproblem.Die Branche hat ein Imageproblem, ja. Viele setzen, nicht zuletzt aus Imagegründen, auf grüne Produkte. Gibt es bald grüne Rhenus-Produkte? Auf der Website der Rhenus-Tochter Contargo finden Sie seit zwei Jahren einen CO2-Rechner. Der rechnet aus, welche Auswirkung es auf den CO2-Footprint, hat wenn Sie den Verkehrsträger wechseln. Ich finde das spannend und zeige das auch gerne den Kunden. Aber keiner macht davon seine Entscheidung abhängig. Wir haben mittlerweile alle Rhenus-eigenen LKW auf den von uns mit Ecomotion selbst nachhaltig produzierten Biodiesel umgerüstet. Aber leider honoriert dies am Ende niemand.Sie sehen das relativ unverkrampft…Ich nehme für mich in Anspruch, dass das Unternehmen Rhenus an nachhaltigen Lösungen mitarbeitet. Dummerweise kämpfen wir in vielen Bereichen mit politisch beeinflussten Preisen. Üblicherweise ist die Abschreibungsdauer von Investitionen im Bereich Ökologie und Umweltschutz viel länger als die Haltbarkeit der Gesetze und Verordnungen, die dahinterstehen. Fragen Sie doch mal Unternehmer, die wie wir in Biodieselfabriken investiert haben und nun ohne politische Rückendeckung dastehen. Die Steigerung von schlecht gemacht ist gut gemeint. ❙❚■ Dietmar Winkler und Anita WürmserKlemens Rethmann stellt sich den Fragen der Redakteure Anita Würmser und Dietmar WinklerUnternehmer Klemens Rethmann steht an der Spitze der Rhenus-Gruppe Das unternehmenUnter den Top 10 Die Rhenus-Gruppe zählt mit einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro zu den führenden europäischen Logistikdienstleistern. Laut Top 100 Studie der Fraunhofer ATL liegt Rhenus in Deutschland derzeit auf Platz 6 der umsatzstärksten Logistikunternehmen (1,8 Mrd. Deutschland). Die Aktivitäten der Gruppe sind in den vier Geschäftsbereichen Contract Logistics, Freight Logistics, Port Logistics und Public Transport zusammengefasst. Die wichtigsten Umsatzbringer sind das Massengutgeschäft, Konsumgüter- und Kontraktlogistik sowie Stückgut. Darüber hinaus ist Rhenus in zahlreichen zum Teil hoch spezialisierten Nischen wie Medien- oder Dokumentenlogistik präsent. Der Logistikdienstleister ist heute mit 15.000 Beschäftigten an 230 Standorten weltweit tätig.Seit 1998 gehört Rhenus zum Familienunternehmen Rethmann. Über die Holding Rethmann AG & Co. KG bedient Rethmann die drei Kernbereiche Logistik (Rhenus), Wasser- und Entsorgungswirtschaft (Remondis) sowie die Erzeugung biologischer Öle und Rohstoffe (Saria). diwi StandpunkteHerr Rethmann, sind Sie für oder gegen ... Steuersenkungen nach der Wahl?  Begrenzung von Managergehältern? Staatliche Konjunkturprogramme? Staatshilfe für Quelle? und für Opel? Stärkere Kontrolle des Bankensektors? Emissionshandel in der Seeschifffahrt für alle? Anlastung externer Kosten im Straßengütertransport? den völlig fuhrparklosen Logistikkonzern à la 4 PL? Wachstum als ein Muss für Unternehmen? Rücknahme der Mauterhöhung? die These, der Transport ist grundsätzlich zu billig?

Vita

Erwartete Preisentwicklung für das kommende halbe Jahr

Transfrigoroute-Branchendialog

MEISTGELESEN

Nutzfahrzeughersteller: Volvo Trucks hat 5000 Elektro-Lkw verkauft

Logistik: DB schließt Schenker-Verkauf an DSV ab

Möglicher Ersatzneubau für Carolabrücke

WEITERLESEN

NEWSLETTER