Unternehmer als Politiker

Unternehmer als Politiker„Ich will etwas bewegen“Er war Deutscher Meister im Autorennsport, heute ist er Firmenchef der Spedition Wagenstetter und macht seit elf Jahren Politik. Was Nikolaus Wagenstetter an dieser Kombination reizt, und was er damit bewirkt, lesen Sie hier.Viel für das Leben gelernt hat Nikolaus Wagenstetter vor allem beim Autorennsport. 1975 gewann er sogar die Deutsche Slalom Meisterschaft Tourenwagen Gruppe 2 bis 1600 cm3. „Als Rennfahrer lernt man das Kämpfen, das Nicht-Aufgeben“, sagt er. Das sei ebenso wichtig wie innere Ruhe und Selbstbewusstsein. „Man darf sich nicht in etwas reinhetzen lassen.“ Alles Eigenschaften, so der Firmenchef der Spedition Wagenstetter in Forsting, die ihm in seinem Leben als Unternehmer und als Politiker immer wieder geholfen hätten.Faible für die Technik Für sein Hobby Rennfahren hat er aber nur wenig Zeit gehabt. Im Grunde hat sich sein ganzes Leben nur um eines gedreht – um das Transport- und Speditionsunternehmen Wagenstetter, das er seit 1987 gemeinsam mit seinem Bruder Johann führt. Schon in seiner Schulzeit hatte er nachmittags lieber in der LKW-Werkstatt seines Vaters gebastelt, während seine Klassenkameraden Fußball spielten. Mit 12 Jahren machte er zum ersten Mal – als Beifahrer – eine Tour nach Italien, mit 14 Jahren wechselte er die Reifen der LKW und mit 18 Jahren – direkt nach dem Abitur – fing er im elterlichen Unternehmen an. Damals zählte die Spedition 25 Fahrzeuge, heute sind es über 40 – inklusive einer LKW-Werkstatt und einem Lager von 5000 Quadratmetern – auf einer Fläche von insgesamt 45.000 Quadratmetern. Wagenstetters Faible für die Technik ist aber geblieben. „Ich sehe heute noch sofort, wenn eine Schraube am Drehkranz des Aufliegers locker ist“, sagt er. Was viele seiner Branchenkollegen nicht wissen: Wagenstetter macht Politik. Er war nicht nur jahrelang einer der Sprecher des Juniorenkreises des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Seit elf Jahren vertritt er die Freien Wähler im Gemeinderat der Gemeinde Pfaffing (Forsting-Ebrach, Grafing, Rettenbach) mit 4000 Einwohnern. 2002 wurde er zum ersten Mal gewählt, 2008 zum zweiten Mal – sogar mit den zweitmeisten Stimmen. Außerdem ist er im Bauausschuss der Gemeinde tätig. „Vor fünf Jahren haben sie mir sogar den Bürgermeister angeboten“, erzählt er. Er hat abgelehnt. „Die Vernunft hat gesiegt.“ Wie hätte er das als Firmenchef zeitlich schaffen sollen? „Ich hätte meinen Betrieb vernachlässigt. Das wollte ich nicht.“ Seine Familie habe sowieso schon gefragt, warum er sich das mit der Politik antut. „Rein von der zeitlichen Beanspruchung gesehen wäre es vernünftiger, wenn ich die Finger davon lassen würde“, sagt er. Alle zwei Wochen trifft er sich mit seinen Parteikollegen der Freien Wähler, einmal die Woche mit den Rotariern und mindestens zwei Mal im Monat mit dem Gemeinderat – nicht gerechnet die Termine im Bauausschuss seiner Gemeinde. Das kostet zwar Zeit, für Wagenstetter ist diese aber sinnvoll investiert. Er will nicht tatenlos zusehen, was in der Politik passiert, sondern selbst Einfluss nehmen und gestalten „Ich will mich in die Gesellschaft einbringen und da etwas bewegen. Ich bin nun einmal Unternehmer. Das ist meine Natur“, begründet er sein politisches Engagement. Dem Parteizwang unterliegen will er aber nicht. Das lehnt er kategorisch ab: „Ich will entscheiden, was richtig ist – ohne jeglichen Zwang“ – ganz nach seinem Lebensmotto: „Wichtig ist, dass man etwas richtig macht, und nicht, was populär ist.“ Deshalb engagiert sich Wagenstetter bewusst bei der Partei der Freien Wähler. Bei ihnen fühle er sich unabhängiger als in anderen Parteien. Außerdem treten die Freien Wähler für die gleichen Ideale ein wie er. Heikler Drahtseilakt Bei einem Projekt aber war Wagenstetter im Gemeinderat allerdings jahrelang Einzelkämpfer. Er hatte dort zwar zunächst keine Unterstützer, doch da setzte sich der Transportunternehmer in ihm durch: Es ging um das in der Bevölkerung höchst umstrittene Verkehrsprojekt der Bundesstraße B15, die eine durchgehende Nord-Süd-Straßenverbindung von Landshut nach Rosenheim schaffen soll. „Wenn man im Ort lebt, Familienvater und Arbeitgeber ist, war das schon ein Drahtseilakt, sich gegen alle zu stellen“, räumt er im Rückblick ein. „Da braucht man Rückgrat.“ Ihm war aber wichtig, das zu entscheiden, was für die Gemeinde wichtig und nicht, was populär ist. Dank seiner Beharrlichkeit konnte Wagenstetter im Gemeinderat inzwischen sogar vier Mitstreiter für das Projekt Bundesstraße B15 gewinnen. Keine leichte Aufgabe im Gemeinderat – bei einer politischen Konstellation CSU, Freie Wähler und der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG). „Im Gemeinderat muss man eben Mehrheiten gewinnen. Ein Kuhhandel ist manchmal nichts dagegen“, bilanziert er seine Erfahrungen in der Politik. So viel Zeit habe er als Firmenchef nicht: „Wenn ich in der LKW-Disposition nicht schnell entscheide, ist die Ladung weg“, sagt er. Und was hat Wagenstetter im Laufe seines politischen Engagements noch gelernt? „Wenn eine Firma etwas kauft, wird verhandelt. In der Gemeinde wird dagegen etwas ausgeschrieben, sie darf das Angebot aber nicht nachverhandeln.“ Eine Erfahrung, die ihm als Unternehmer weniger schmeckt. Überrascht habe ihn auch das fehlende Kostenbewusstsein mancher Menschen, die politisch aktiv sind: „Die geben Geld aus, obwohl keines da ist.“ Als Unternehmer wisse er aber: „Nur wenn ich Umsatz erwirtschafte, kann ich Geld ausgeben. Eine Gemeinde muss also“, bringt er es auf den Punkt, „wie eine große Firma geleitet werden – auch wenn eine Gemeinde mehr Interessen als ein Unternehmen berücksichtigen muss“. Als Forsting vor wenigen Jahren einen Jugendtreff bauen wollte, handelte der findige Mittelständler daher einen Deal mit einem anderen Firmenchef aus – Wohncontainer für die Jugendlichen gegen Spendenquittung – und sparte so der Gemeinde mehrere Tausend Euro. Ein Beispiel von etlichen. In dem Gemeinderat in Pfaffing heißt es nicht umsonst: „Beim Nikolaus würde es billiger gehen“, erzählt Wagenstetter schmunzelnd. Jeder Tag ist exakt getaktet Kehrseite seines Engagements: Gerade einmal insgesamt zwei Monate Urlaub hat Wagenstetter in seinem Leben gehabt. Sein Terminkalender ist voll, jeder Tag bei ihm ist exakt durchgetaktet. Jeden Morgen steht er um fünf Uhr auf, fährt zum Umsatteln nach Österreich und um 7.30 Uhr beginnt sein regulärer Arbeitstag im Büro, der um 19.20 Uhr – oft erst um 23 Uhr – endet, wenn er kurzfristig nochmals nach Österreich zum Umsatteln muss. Auch am Wochenende gönnt er sich wenig Pausen: So hilft er am Samstag- oder Sonntagmorgen beim „Fertigmachen der Fahrzeuge“ und ist selbst am Sonntagabend bei der Abfertigung der LKW auf dem Gelände – „die Fahrer sollen nicht das Gefühl haben, sonntags die einzigen zu sein, die arbeiten.“ Nur ein einziges Mal in seinem Leben hätte Wagenstetter am liebsten als Unternehmer aufgehört. Ein Hersteller hatte defekte Reifen geliefert, einer der Reifen platzte, es kam zum Unfall, und ein junger Fahrer verstarb. „Da muss man durch. Es muss immer weiter gehen. Was passiert ist, ist passiert“, sagt er. Das Durchhalten hat er ja aus dem Autorennsport gelernt. Am 1. August 2013 feiert die Firma Wagenstetter 75-jähriges Jubiläum in Forsting. Nikolaus Wagenstetter ist dann 64 Jahre alt. Ob eines seiner vier Kinder die Spedition übernimmt? Wird man sehen. Noch hofft er. „Ein Verkauf wäre eine Option, aber nicht mein Wunsch“, sagt er. Würde er im Nachhinein trotzdem nochmals ein Transportunternehmen aufbauen? „Mir gefällt es, selbstständig zu sein. Und wenn ich so zurückblicke“, lacht er, „habe ich ganz schön viel aufgebaut – nicht für mich, sondern auch für die Menschen am Ort.“ ❙❚■ Eva Hassa Daten + Fakten Wagenstetter Transport Das mittelständische Unternehmen Wagenstetter Transport in Forsting bei Rosenheim wurde 1938 von Nikolaus Wagenstetter gegründet. In zweiter Generation wird es heute von seinen Söhnen Nikolaus und Johann Wagenstetter geführt. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 60 Mitarbeiter (davon 50 LKW-Fahrer) und hat einen Fuhrpark von 40 Fahrzeugen, unter anderem Kühlfahrzeuge (Hänger- und Sattelzüge), Planenzüge, Tieflader und Wechselbrücken-Fahrzeuge. Die Spedition bietet vorwiegend Lebensmitteltransporte und Terminverkehre nach Italien an sowie innerdeutsche Transporte in den Regionen Schwarzwald und Mannheimer Raum sowie im Ruhrgebiet. Das Unternehmen ist insbesondere für Lebensmittel-Produzenten tätig, unter anderem für Meggle, sowie für große Speditionen. Außerdem führt das Unternehmen Depot-Verkehre im Auftrag großer Paketdienstleister durch. Wagenstetter verfügt über eine eigene Werkstatt – auch für Dritte – sowie ein Lager mit einer Gesamt-Lagerfläche von 5000 Quadratmetern. eh„Rein von der zeitlichen Beanspruchung wäre es vernünftiger, die Finger von der Politik zu lassen“ Nikolaus Wagenstetter, Geschäftsführer Wagenstetter Transport „Im Gemeinderat muss man Mehrheiten gewinnen. Ein Kuhhandel ist manchmal nichts dagegen“ Nikolaus Wagenstetter, Geschäftsführer Wagenstetter Transport

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