Übernahme

Übernahme ungewiss Es ist eine Existenzfrage für viele Transporteure, ob die geplante Erhöhung der Maut von den Verladern mitgetragen wird. Die Bereitschaft dazu scheint je nach Branche unterschiedlich hoch zu sein. Rund 1400 Euro pro LKW und Monat mehr – die Aussichten auf höhere Mautgebühren ab 2009 sorgen derzeit bei allen Spediteuren für besorgte Gesichter, auch in der Chemieindustrie. Siegfried Ott, Leiter Marketing und Vertrieb der Schmidt-Gruppe, sieht schwierige Verhandlungen auf seine Verkäufer zukommen: "Das Verständnis bei den Kunden für steigende Dieselkosten ist da; bei der Maut stellt sich das differenzierter dar." Das Unternehmen mit Sitz in Heilbronn ist auf den Transport von Kunststoffgranulat mit Hilfe von Silo-LKW und Containern spezialisiert; zu den Kunden gehören vor allem Konzerne aus der Chemieindustrie. Und die spielen – wie alle Großverlader – in Preisverhandlungen mit harten Ban-dagen: Ott erwartet, dass einige Kunden versuchen werden, nur jene Mautgebühren zu zahlen, die anfallen, wenn der Fuhrpark ausschließlich mit neuen Fahrzeugen bestückt ist, die Euronorm 4 oder 5 erfüllen. In der Praxis ist das aber bei kaum einem Fuhrunternehmer der Fall. Zusätzliche Maut, die für LKW der Euronorm 3 anfällt, müssten also die Spediteure zahlen. "Bei der Einführung der Maut kamen seinerzeit auch solche selbst entwickelten Berechnungsmodelle auf den Tisch", erinnert sich Ott. Die Folge: Die Maut ganz an die Kunden weiterzureichen, gelang längst nicht immer. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass einige große Chemiefirmen die Mautkosten für den Leerkilometeranteil in Frage stellen werden. Doch gerade in dieser Branche lassen sich Leerfahrten kaum vermeiden. "Die Silowagen müssen nach dem Transport zu einer Reinigungsstelle fahren", erklärt Branchenkenner Ott, "bis zum nächsten Chemiewerk können es dann 300 bis 400 Kilometer sein." Er befürchtet, dass sich die auf diesen Strecken anfallende Maut auch künftig nicht an die Kunden weiterreichen lässt. Die Industrie ihrerseits will sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht festlegen. "Da die bisher veröffentlichten Angaben eine derart weite Spanne der Erhöhung ausweisen, ist leider noch keine seriöse Analyse möglich", sagt Gerd Deimel, Vice President Logistics & Supply Chain bei Aliseca, einer Tochtergesellschaft des Spezialchemie-Konzerns Lanxess, die unter anderem für die Logistik zuständig ist. Für Deimel steht lediglich fest, dass die Industrie die steigenden Mautkosten nicht tragen wird. Man werde "den von den Frachtführern weitergegebenen Anteil an die Kunden durchreichen", lautet die Position bei Lanxess. Wie überall in der Wirtschaft kommen auch in der Chemiebranche derzeit die gesamten Logistikketten auf den Prüfstand – unter dem Druck von schwachem Dollar, teurem Öl und steigender Maut. "Wir sind bestrebt, unsere Transporte auf Bahn, Binnenschiff und kombinierte Verkehre zu verschieben", stellt Experte Deimel von Lanxess klar. Entsprechende Maßnahmen könnten auch "kurzfristig" durchgeführt werden. Etwas optimistischer sehen die Automobillogistiker den ansteigenden Abgaben entgegen. "Die geplante Mauterhöhung muss in vollem Umfang an die Verlader weitergegeben werden", meint Rolf Moritz, Geschäftsführer bei der Schnellecke Group. Das Wolfsburger Logistikunternehmen arbeitet in der Automobilbranche unter anderem mit Volkswagen, Skoda, Ford und Porsche zusammen. Da in bestehenden Verträgen nur Klauseln stehen, die es erlauben, gestiegene Kraftstoffpreise aufzufangen, aber keine Mautgebühren, müssen die Verkäufer von Schnellecke derzeit mit allen Kunden neu verhandeln. "Bei einem großen Fuhrpark, wie wir ihn vorhalten, kommen da schnell einige Tausend Euro Mehrbelastung zusammen", gibt Moritz zu denken. Bislang verhalte sich die Verladerschaft im Dialog zu diesem Thema abwartend. Kaum Ausgleichsmöglichkeiten Möglichkeiten, die höheren Mautgebühren an anderer Stelle auszugleichen und so dem Kunden entgegenzukommen, bestünden kaum, so Moritz: "Wir fahren ohnehin schon ein hartes Kostenmanagement." Ein gewisses Einsparpotenzial sieht der Schnellecke-Geschäftsführer allerdings noch bei den Rampen-Öffnungs- und Wartezeiten. "Bei einigen Kunden kann nur zwischen 8 und 15 Uhr entladen werden. Es würde helfen, wenn wir diese Standorte rund um die Uhr anfahren könnten." Außerdem kann sich der Logistikexperte vorstellen, für manche Ladungen auch andere Verkehrsträger zu nutzen – eine Möglichkeit, die kleine Speditionen in der Autobranche freilich nicht haben. Die großen Markenhersteller wollen sich beim Thema Maut derzeit noch nicht in die Karten schauen lassen. "Um den Transportprozess unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten optimal zu gestalten, suchen und überprüfen wir fortwährend alternative Möglichkeiten", sagt Heidrun Reimann, Sprecherin von Volkswagen. Ähnlich unkonkret äußern sich die meisten Konkurrenten im Volumensegment. Ein klares "Kein Kommentar" kommt etwa aus Rüsselsheim von Opel. Ernst zu nehmende Größe Warum die Verschwiegenheit? Tatsache ist, dass die Logistikkosten den Autoherstellern zunehmend Sorgen bereiten. Sie liegen im Schnitt bei zehn Prozent; für einen Mittelklassewagen mit einem Produktionswert von 10.000 Euro entspricht das 1.000 Euro. Wenn Dieselpreise und steigende Maut diesen Kostenblock um zehn Prozent erhöhen, muss der Kunde im Autohaus 100 Euro zusätzlich auf die Theke legen – im umkämpften PKW-Markt eine ernst zu nehmende Größe. Sollte die Mauterhöhung wirklich in vollem Umfang kommen, könnte das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt – mit Folgen für die ganze Automobilbranche. "Die alten Logistikkonzepte werden sicher überprüft", erwartet Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der FH Gelsenkirchen und Direktor des Center of Automotive Research (CAR). Viele Hersteller würden sich fragen, ob es immer Just in Time oder Just in Sequence sein müsse, so Autopapst Dudenhöffer: "Ich kann mir vorstellen, dass bei einfachen Fahrzeugen die Logistik wieder vereinfacht wird." ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist