Traumberuf: Vom Kaufmann zum Berufskraftfahrer

In Kürze Leon Eismann hat seinen Traumberuf gefunden. Seit einem Monat fährt er für die Spedition Bohn Lkw und gerne wäre er auch schon vor seinem 21. Geburtstag im Mai hinter dem Steuer gesessen. Seine Zeit als Auszubildender zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung bereut er aber trotzdem nicht. Nur etwa drei Prozent der deutschen Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen sind jünger als 25 Jahre. Leon Eismann ist als Berufseinsteiger nun einer davon. Er konnte es kaum bis zu seinem 21. Geburtstag erwarten, um endlich Lkw fahren und damit seinem Traumberuf nachgehen zu dürfen. Die VerkehrsRundschau hat Leon auf einer Fahrt in Süddeutschland von Rupboden zu einem Sägewerk bei Ellwangen begleitet - und sich währenddessen mit ihm über die Nachwuchsprobleme der Branche, die Vorurteile gegenüber vielen Fahrern und eben seine ganz persönlichen Beweggründe, Lkw zu fahren, unterhalten. Um fünf Uhr morgens ist Abfahrt. Lkw-Fan von klein auf Bereits in seiner Kindheit war Leon von großen Fahrzeugen fasziniert. So wartete er jeden Morgen mit einem Freund am Zaun ihrer Grundschule, um die Lkw des gegenüberliegenden Getränkemarktes zu beobachten. Neben Leon selbst ist auch sein Interesse an Lkw gewachsen. Während seiner Schulzeit auf dem Gymnasium belegte Leon unter anderem die Leistungskurse Englisch, Politik und Wirtschaft. Dass er jedoch kein großer theoretischer Lerner ist, war ihm schon früh klar. Ein Studium kam daher für ihn nie wirklich infrage. Da man in Deutschland erst mit 21 Jahren ohne Einschränkungen Güter transportieren darf, nutzte er die Zwischenzeit nach seinem Abitur, um eine Ausbildung als Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung bei der Geis Group zu absolvieren. Einige Fächer in der Berufsschule musste er aufgrund seines Schulabschlusses nicht belegen. Und bei anderen Unterrichtsstunden war eben ein wenig Geduld gefragt - als 18-Jähriger war Leon hauptsächlich mit älteren Umschülern in einer Klasse und diese taten sich in einigen Fächern schwerer als er. Falls bei ihm aber doch einmal Nachholbedarf oder Unterstützung nötig war, bekam er die von seinen Ausbildern - das verhalf Leon zu einem großen Erfolg. Bei dem jährlichen Wissenswettbewerb "Best Azubi" der VerkehrsRundschau für Auszubildende als Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung belegte Leon in diesem Jahr den zweiten Platz und setzte sich somit gegen knapp 900 Teilnehmer durch. Mit Abschluss seiner Ausbildung trennte ihn dann nur noch die beschleunigte Grundqualifikation, also ein Lehrgang mit 140 Stunden und einer 90-minütigen IHK-Prüfung, einige Fahrstunden und eben die finale Führerschein-Prüfung von seinem Traumberuf. Neues Zuhause auf Rädern Beim Einsteigen in die Lkw-Kabine heißt es Schuhe ausziehen. "In seinem Wohnzimmer will man ja auch keinen Dreck haben. Und für mich ist die Kabine Arbeitsplatz, Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem", sagt Leon. Privat wohnt er im Haus seiner Eltern und hat die Keller-Etage komplett für sich selbst - das soll auch in Zukunft so bleiben. Als Fernfahrer wird er nur noch an wenigen Tagen dort sein. Sein neues Zuhause: ein grüner DAF XF106 Super SpaceCab mit 530 PS der Spedition Bohn aus Rupboden. Die beiden Junior-Chefs Michael und Stefan Bohn waren schon etwas überrascht, als die Bewerbung von Leon Eismann bei ihnen ankam. "Es ist schwer, in dieser Branche Nachwuchs zu finden. Umso schöner ist es für uns, junge Talente unterstützen und fördern zu können", erklärt Stefan Bohn. Die Spedition ist für die gesamten Kosten des Lkw-Führerscheins von rund 10.000 Euro aufgekommen. Laut beider Junior-Chefs wird sich diese Investition spätestens nach einem Jahr für sie ausgezahlt haben, denn sie schätzen Leon sowohl als Mensch als auch als Mitarbeiter sehr. Viele der älteren Fahrer würden in den nächsten Jahren in Rente gehen und junge Menschen, die diesen Beruf gerne ausüben wollen, hätten selten so viel Geld für den Führerschein zur Verfügung. "Wir haben mit dieser Vorgehensweise bereits gute Erfahrungen gemacht und eine ebenso junge Fahrerin für unseren Betrieb gewinnen können", erzählt Michael Bohn stolz. Übung macht den Meister In seinem ersten Monat bei der Spedition Bohn war Leon ausschließlich innerhalb Deutschlands unterwegs, um ein wenig mehr Fahrerfahrung sammeln zu können. Um durch die enge Ein- und Ausfahrt auf den Parkplatz der Spedition zu kommen, ist nicht nur Geschick, sondern sogar Millimeter-Arbeit gefragt. "Meine Kollegen sind sehr geduldig und helfen mir. Vor allem beim Rückwärtsfahren oder Rangieren hilft mir das ein oder andere Handzeichen. Die Erfahrung wird mit der Zeit schon kommen", zeigt sich der Berufsneuling zuversichtlich. "Meine Eltern waren am Anfang nicht ganz so begeistert von meinem Beschluss, Berufskraftfahrer zu werden. Sie hätten schon gerne gewollt, dass ich irgendetwas studiere. Ich habe allerdings ein anderes Ziel verfolgt", erzählt Leon lächelnd. Für die Bedenken seiner Eltern hat er trotzdem Verständnis - "Sie wollen schließlich nur das Beste für mich." Dass genau dieser Beruf das Beste für ihren Sohn ist, haben Leons Eltern aber schnell verstanden und stehen inzwischen voll hinter ihm. Auch was andere Leute aus ihrem Umfeld darüber denken, spielt für die Familie keine Rolle. "Wichtig ist, dass es mir mit diesem Beruf gut geht und mir meine Eltern dabei den Rücken stärken. Schließlich wohnen wir auch unter einem Dach", sagt der junge Lkw-Fahrer. "Alleinsein ist nicht Einsamkeit" Als Lkw-Fahrer legt man einige tausend Kilometer in der Woche zurück und verbringt damit viel Zeit nur mit sich selbst. Aber einsam fühlt sich der eher introvertierte Leon überhaupt nicht. Während unserer gemeinsamen Tour fällt auf: Viele Fahrer für Holztransporte begrüßen ihn per Handzeichen; damit ist er auf unserem Weg zum Sägewerk schon gut beschäftigt. "Einige Fahrer kennt man natürlich vom Sehen oder sogar persönlich, aber grundsätzlich ist das wie bei Motorradfahrern - man grüßt sich einfach", sagt Leon lachend. Er spricht jeden Tag während seiner Fahrten per Telefonkonferenz mit drei Freunden, die ebenfalls alle Lkw-Fahrer sind. Sie reden über Gott und die Welt, aber das Gespräch kommt letztendlich immer wieder auf ihr Lieblingsthema zurück: Lkw und das Fahren. Wenn er nicht telefoniert, läuft im Radio Bayern 1 - der Sender hätte die besten Verkehrsmeldungen und die Musik findet der Hobby-Schlagzeuger und Posaunist auch ganz gut. Partnerin mit Lkw-Leidenschaft gesucht Eine Freundin hat Leon nicht; er ist durch seinen Beruf zeitlich auch ziemlich eingebunden. "Das Wichtigste wäre für mich, dass mich meine Freundin in meinem Beruf als Fernfahrer respektiert und unterstützt. Richtig toll wäre natürlich, wenn sie sich auch für Lkw interessieren würde", sagt Leon schmunzelnd. Die meisten seiner Freunde leben in ganz Deutschland verteilt und sind mit dem Lkw auch oft im Ausland unterwegs. Kommuniziert wird hauptsächlich über Messenger-Dienste oder soziale Medien. Wenn sich die Routen aber einmal kreuzen, verbringen sie gerne die Abende miteinander - vorzugsweise auf einem Autohof-Parkplatz. "Meistens sind gegen Feierabend alle öffentlichen Parkplätze für Lkw schon besetzt und teilweise auch überfüllt. Für die Suche nach einem Stellplatz fehlt meist die Zeit und auch nach einer langen Fahrt die Geduld", berichtet Leon. Neben diesem Aspekt, dass es seiner Meinung nach in Deutschland viel zu wenige Lkw-Parkplätze gibt, spielt für ihn aber auch die Sicherheit eine große Rolle. Die Parkplätze auf einem Autohof sind kostenpflichtig, dafür aber auch videoüberwacht. Ein ruhiger Schlaf ist wichtig Das ist es Leon wert: "Ich kann dann einfach beruhigter schlafen, weil ich weiß, dass meine Ladung und auch ich als Fahrer geschützter sind als auf öffentlichen Parkplätzen." Und ein erholsamer Schlaf sei bei den Arbeitszeiten essenziell. In Frankreich, erzählt Leon, werden manchmal Fahrer betäubt und ausgeraubt. So etwas beschäftigt ihn natürlich schon. Angst macht es ihm aber keine und es hält ihn auch nicht von seinem Fernfahrer-Traum ab. Von seinen Freunden und Kollegen, mit denen er regelmäßig in Kontakt steht, bekommt er auch die ein oder andere Empfehlung für Raststätten. "Manchmal fehlt die Wertschätzung" "Schwarze Schafe gibt es leider überall. Schade finde ich nur, dass dadurch das Image meines Berufs leidet. Bei einigen Firmen beziehungsweise deren Mitarbeitern fehlt mir als Fahrer gegenüber manchmal die Wertschätzung und der Respekt. Manche sind sogar überrascht, dass ich Deutsch spreche. Die würden wahrscheinlich aus allen Wolken fallen, wenn sie wüssten, dass ich Abitur gemacht habe", erzählt der bodenständige Berufsanfänger. Vielen Menschen sei auch die Wichtigkeit der Transportbranche gar nicht in ihrer kompletten Tragweite bewusst, findet Leon. Sein Vorschlag: "Eine bessere Aufklärung, was wir in unserem Beruf leisten und welche Vorzüge man als Fernfahrer haben kann. Auch sollte man uns Fahrer nicht alle über einen Kamm scheren."

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