Transporthelfer aus der Luft

In Kürze Während Drohnen in der B2C-Belieferung der Durchbruch bislang verwehrt blieb, sieht das im B2B-Segment anders aus: Der Produktionsverbindungshandel Koerschulte beliefert eigene Kunden bereits mit voll automatisiert fliegenden Drohnen und will nun einen Drone-as-a-Service etablieren. Wer in Lüdenscheid sitzt und in der näheren Umgebung Pakete auszuliefern hat, braucht Geduld und gute Nerven: Die A 45 ist wegen des Neubaus der Rahmede-Talbrücke gesperrt, seitdem herrscht bekanntlich ziemliches Verkehrschaos. Davon kann auch Norman Koerschulte, Chief Technology Officer (CTO) der Koerschulte Group, ein Lied singen. Das Kern-Portfolio des Produktionsverbindungshandels sind Instandhaltungs- und Arbeitsschutzmaterialien. "Viele unserer Kunden sitzen in Lüdenscheid Nord, wir in Lüdenscheid Mitte. Auch für kurze Strecken kann ein Transporter wegen der Umwege und Staus bis zu eine Stunde brauchen", so Koerschulte. Für ihn zahlt sich eine Idee, die ihm schon vor der Brückenproblematik kam, nun umso mehr aus: "Ich habe selbst einen Luftfahrt-Hintergrund und habe mir gedacht: Am liebsten würde ich per Drohne ausliefern." Gesagt, getan: Bis zu 80 Pakete bis 6,5 Kilogramm liefern voll automatisierte Transportdrohnen des Bielefelder Herstellers Third Element Aviation mittlerweile am Tag aus. Die Zustellung in einen am Empfängerort installierten Paketkasten übernimmt die Drohne mithilfe eines Greifers selbstständig. Die Entfernung, die die Drohnen etwa zu Koerschultes Pilotkunden Hotset zurücklegen, beträgt 1,5 Kilometer. Der Liefervorgang inklusive Be- und Abladung dauert hier nur zehn Minuten. Regulatorische Odyssee Zum sogenannten Drone-as-a-Service, den Koerschulte nun anbietet, war der Weg allerdings lang. 2020 habe er sich erstmals mit Marius Schröder, dem Gründer und CEO von Third Element Aviation, zusammengesetzt. Was auf regulatorischer Ebene folgte, sei aber eine einzige Odyssee gewesen. "Seinerzeit war für die Genehmigung noch das Landesverkehrsministerium in NRW zuständig. 2021 wechselte die Verantwortlichkeit allerdings von der Landesbehörde ans Luftfahrtbundesamt - was in NRW schon genehmigt war, mussten wir also noch mal durch den Bund genehmigen lassen", erinnert sich Koerschulte. 2022 sei dann das EU-Drohnengesetz gekommen; 2023 die neue U-Space-Verordnung, die vieles auf regulatorischer Sicht vereinfache. "Wir haben also endlich ein gesetzliches Korsett, auf das wir bei der Beantragung von weiteren Genehmigungen aufsetzen können", freut sich der Drohnenpionier. "Fluglotsen" am Leitstand Der voll automatisierte Betrieb der Drohnen wurde von vorneherein mitgedacht. "Sie können theoretisch zwar auch von Hand gesteuert werden, aber in der Transportlogistik ist das wenig sinnvoll", erklärt Schröder von Third Element Aviation. Zentraler Part des Projektes ist denn auch der Leitstand. Dort sitzen nicht klassische Drohnenpiloten, sondern sogenannte Operator, die zwar über das sogenannte Remote Pilot Certificate vom Luftfahrtbundesamt verfügt, aber die Flüge nur überwachen. "Das kann man sich wie die Arbeit von Fluglotsen vorstellen", erklärt Koerschulte. Ein Operator könne zehn Drohnen gleichzeitig überwachen. Um ein maximales Sicherheitslevel darzustellen, würden die Drohnen zudem im regelmäßigen Turnus Sicherheitschecks unterzogen. Um die zentrale Bedeutung des Sicherheitsaspekts weiß auch Schröder: "Für eine 400-Gramm-Drohne, die über den Acker fliegt, gelten natürlich andere Sicherheitsvorgaben als für ein 25-Kilo-Gerät, das automatisiert über einer mittelgroßen Stadt unterwegs ist." Daher habe man verschiedenste Szenarien simuliert. Das könne der Einflug eines Rettungshubschraubers in den Korridor sein oder ein Defekt der Batterie, der die Reichweite einschränkt. "Für den unwahrscheinlichen Fall, dass eine Drohne während des Flugs abgeschaltet werden muss, verfügt sie über einen Fallschirm", so Schröder. Hohe Sicherheitsstandards Zudem darf nicht alles per Drohne ausgeliefert werden. "Die Dangerous Goods Regulation der EASA gilt auch für die unbemannte Luftfahrt. Entflammbare Güter sowie Werkzeuge, die theoretisch auch waffenfähig wären, sind vom Drohnentransport ausgeschlossen", erklärt Koerschulte. Er zeigt sich von seinem Drohnenservice voll überzeugt - auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. Der Service koste die Kunden im 24/7-Betrieb 6000 Euro monatlich. "Das kann sich schon bei einer einzigen zeitkritischen Auslieferung rechnen, die sonst bei Verspätung eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro nach sich gezogen hätte", betont Koerschulte. Würden die Drohnen auf einer Strecke standardmäßig sehr häufig eingesetzt, dann sei man bei den Kosten einer UPSLieferung. Dass sich der Service nicht überall realisieren lässt, ist ihm bewusst. "Sitzt der Kunde am Frankfurter Flughafen, wird es schwierig. Aber gerade im ländlichen Bereich ist das Modell super-effizient", sagt er. Schröder von Third Element Aviation sieht das genauso. Der unterste Luftraum 0 bis 120 Meter werde noch viel zu wenig genutzt, gleichzeitig erzeugten Just-in-Time und Just-in-Sequence großen Druck auf Logistikketten. "Jede Modalität, die hier für mehr Geschwindigkeit sorgt und die Lieferkette robuster macht, ist im B2B-Bereich absolut relevant", sagte Schröder. Vielfältige Anwendungsfälle Die Zukunft für Drohnentransporte sieht er daher auch weniger im Endkunden-Geschäft: "Eine B2C-Belieferung wäre wohl nur in spärlich besiedelten Gebieten mit sehr langen Transportwegen sinnvoll." Neben dem Warentransport hält Schröder noch weitere Anwendungsfälle für möglich, etwa den Dokumententransport. Auch wenn es um Proben aus chemischen Prozessen gehe, die schnell ans andere Ende des Werkgeländes müssen, oder die Überprüfung von Ladung, seien Drohnentransporte eine Option. "Wenn man etwa von einem Binnenschiff, noch bevor es anlegt, eine Laborprobe zur Prüfung in der Warenannahme ziehen würde, wäre der Zeitgewinn bis zum Löschen der Ladung enorm", so Schröder. Norman Koerschulte freut sich derweil, durch die Drohnen schon einmal ein ganz akutes Problem in seiner eigenen Logistik gelöst zu haben: "Bei der aktuellen Verkehrssituation bedeutet das für uns nicht weniger als die Rückgewinnung der letzten Meile, und das mit einer Same-Hour-Delivery."

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