Toll-Index

Toll-IndexSag mir, wie die Wirtschaft ticktDie LKW-Mautdaten wollen Wissenschaftler jetzt nutzen, um einen neuen Indikator zu entwickeln, der das aktuelle Wirtschaftsgeschehen widerspiegelt. Aber auch das Transportgewerbe kann von diesem Toll-Index profitieren.Erinnern Sie sich noch? Ursprünglich sollte das deutsche Mautsystem ein Exportschlager werden. Wie die Deutschen nun mal sind, hatten sie sich für eine technologisch hochgezüchtete Lösung entschieden, bei der die Maut-Fahrten über GPS und Satellit erfasst werden. Ein weiteres Ziel war es, mit dieser Hightech-Variante auch neue Telematikanwendungen anbieten zu können.LKW-Maut erklärt die WirtschaftHeute ist das Mautsystem weder ein Exportschlager, noch sind daraus Telematik-angebote entstanden. Aber immerhin, fast zehn Jahre nach der Vergabe, kristallisiert sich ein anderer Nutzen heraus: Das Institut zur Zukunft der Arbeit GmbH (IZA) will die Mautdaten nutzen, um einen Indikator zu entwickeln, der so schnell und zuverlässig die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wiedergibt wie kein anderer, sagt sein Entwickler, Nikos Askitas. Der Gedanke, der dahintersteckt: „Die Transportaktivitäten können gleichgesetzt werden zur Produktion eines Landes“, so der Wissenschaftler am IZA. Angesichts des hohen Anteils der Just-in-time-Belieferung seien LKW-Transporte ein guter Indikator für die Produktion. Die Veränderungen folgender Größen von mautpflichtigen LKW auf Autobahnen sollen dabei in den Toll-Index eingehen: die Zahl der Fahrten, die gefahrenen Kilometer sowie die Zahl der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge an den Grenzübergängen. Alle Daten werden vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) zur Verfügung gestellt. Bislang gibt es als einzigen monatlichen Indikator für die Entwicklung des Wirtschaftswachstums in Deutschland den Produktionsindex des produzierenden Gewerbes. „Der Index erscheint jedoch etwa 38 Tage nach Ablauf des Monats, beruht zum Teil auf Schätzungen und kann noch sechs Monate danach korrigiert werden“, sagt Askitas. Die Daten für den Toll-Index hingegen sind Realdaten und liegen derzeit drei Wochen nach Monatsende vor. Das IZA und das BAG führen jedoch erste Gespräche darüber, die Daten möglicherweise noch zeitnäher zur Verfügung zu stellen.Die bislang erhobenen Werte deuten darauf hin, dass die Mautzahlen ziemlich parallel zum Produktionsindex verlaufen (s. Grafik). Aber auch der Toll-Index birgt Fehlerquellen in sich: Was, wenn die Maut angehoben wird und deshalb Güter von der Straße auf die Schiene wandern? Oder wenn der Transitverkehr in Deutschland, der ja nichts mit der Produktion in Deutschland zu tun hat, kräftiger steigt als der restliche Verkehr? Askitas treffen diese Fragen nicht unvorbereitet: „Das sind Entwicklungen, die wir beobachten und wo wir gegebenenfalls eine Korrektur einbauen müssen.“ Askitas sieht bei Banken, Forschungseinrichtungen und in der Politik einen hohen Nutzen für einen solchen Indikator. Da spiele Schnelligkeit und Zuverlässigkeit eine wichtige Rolle: „Negativbeispiel ist die USA: Dort wurde im Mai für das erste Quartal 2011 ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,8 Prozent und im Juni 1,9 Prozent vorhergesagt. Im August lag dann der endgültige Wert bei 0,4 Prozent.“ Aber auch die Logistikbranche könne von dem Toll-Index profitieren. „Die Unternehmen können monatlich vergleichen, ob sie über oder unter der Marktentwicklung liegen“, sagt Askitas. Interesse an dem Index gibt es jetzt schon. Die Wirtschaftswoche hat angekündigt, künftig monatlich den Toll-Index veröffentlichen zu wollen. ❙❚■ Michael Cordes

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