Stürmische Zeiten

Stürmische Zeiten bei JurexNoch 2005 wurde Jurex-Firmengründer Norbert Lüer zum „Unternehmer des Jahres“ nominiert. Vor wenigen Monaten musste der Briefdienst Insolvenz anmelden. Nun will eine Investorengruppe Jurex übernehmen, in der auch der ehemalige Mitbewerber Direktexpress mitmischen soll.Konsolidierungsprozess des Marktes, Einflussnahme des Wettbewerbs oder Missmanagement? Man weiß es nicht. Im deutschen Briefmarkt gibt es ein neues Opfer: den 2002 gegründeten nordrhein-westfälischen Nischenanbieter und Briefdienst Jurex GmbH mit Sitz in Erkelenz bei Aachen.Weder bestätigt noch dementiertDer auf die förmliche Zustellung von Behördenpost spezialisierte Dienstleister wurde – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartellamtes – am 11. Juni von einer Investorengruppe übernommen. „Unter der Führung des Postkonsolidierers Direktexpress Holding AG, Ulm“, so Jurex-Sprecher und Vertriebsleiter Harald Jacobs. Was Direktexpress-Geschäftsleiter Hans-Jürgen Barth auf Nachfrage der VerkehrsRundschau aber „weder bestätigen noch dementieren“ wollte.Mit der Übernahme durch eine Investorengruppe findet in jedem Fall eine Entwicklung ihr vorläufiges Ende, die den Konzern seit Jahresbeginn zunächst in unruhiges Fahrwasser und dann in einem regelrechten Strudel der Ereignisse zog. Nach Einschätzungen eines Brancheninsiders hatte Firmengründer Norbert Lüer seine Ambitionen angeblich überdimensioniert angelegt und sich mit dem Einstieg in das Briefgeschäft – ohne dass Jurex über ein eigenes bundesweites Netz oder entsprechende Kooperationen verfügte – überschätzt.Rückblick: Noch im Jahr 2005 wurde Norbert Lüer für „unternehmerische Leistung, Geschäftsentwicklung, Innovation, Mitarbeiterorientierung und Zukunfts-potenzial“ für den Preis „Entrepreneur des Jahres“ nominiert. Bis Ende 2006 lief das Geschäft gut. Eben hatte der Briefdienstleister zunächst die Jurex mail Berlin GmbH neu gegründet, damit die insolvente Privat Mail Limited, lokaler alternativer Briefdienst in Berlin, übernommen und war in das Briefgeschäft eingestiegen. „Als wir im Sommer 2006 einen Briefdienst in Berlin in unseren Konzern übernahmen, war gleichzeitig die Entscheidung gefallen, dass wir auch in diesem Segment expandieren würden“, so der damalige Jurex-Gesellschafter und -Geschäftsführer Lüer.Und Jurex weitete das Segment mit Blick auf die vollständige Freigabe des deutschen Briefmarktes 2008 weiter aus. Zum Jahresbeginn 2007 meldete der Konzern die Neueröffnung von zwei weiteren der deutschlandweit inzwischen etwa 50 Niederlassungen in Schweinfurt und Erfurt. Im Januar wurde in Erfurt der 1000. Mitarbeiter begrüßt. Ende Januar bestätigte schließlich die Vergabestelle des Amtsgerichts Hannover den Großauftrag der Justiz Niedersachsen, wonach Jurex von April 2007 an täglich fast 70.000 Sendungen Briefpost der Behörden für die bundes-weite Zustellung übernehmen soll.Rückschläge und InsolvenzDer erste Rückschlag erfolgte Anfang Februar 2007. Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres hatte nach zweijähriger Zusammenarbeit mit Jurex den Auftrag für die förmlichen Zustellungen der Post aus den Berliner Landesbehörden neu ausgeschrieben – und an die Deutsche Post AG vergeben. Marktbeobachter bringen diesen Zuschlag in Kontext mit der fehlenden Mehrwertsteuerpflicht der Post, „obwohl die Postzustellaufträge (PZA) eigentlich nicht mehr in den Monopolbereich fallen“, so der BdKEP-Vorsitzende Rudolf Pfeiffer. Die Deutsche Post könne bei gleichen Konditionen ein um 19 Prozent preislich günstigeres Angebot unterbreiten. Für Behörden, die anders als Unternehmen keine Mehrwertsteuer abrechnen können, viel Geld. Die Folge: Jurex musste seine Berliner Niederlassung mit 100 Mitarbeitern zum 31. März schließen.Nach einem Bericht des Fernsehmagazins Report, am 26. Februar 2007, wurden Vorwürfe von Niedriglöhnen gegen das Unternehmen laut. Im März berichteten die Medien von Unregelmäßigkeiten in zwei Berliner Tochterfirmen. Im April machte die Firma dann von sich reden, als Jurex-Chef Lüer mit Hinweis auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs Betreibern von Foren und Weblogs im Internet drohte, die sich mit den Arbeitsbedingungen beim privaten Postdienstleister beschäftigten. Im Mai teilte Geschäftsgründer Lüer Medienberichten zufolge seinen Mitarbeitern in einem Brief mit, dass sich „durch unerwartete Einschränkung unserer Kreditlinien bei unseren Banken“ die „Finanzlage in den vergangenen Wochen dramatisch verschlechtert“ hätte. Wenige Tage später, am 31. Mai 2007, stellte der Konzern beim zuständigen Amtsgericht Mönchengladbach aus „formalen, juristischen“ Gründen den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.Parallel dazu teilten die Insolvenzverwalter der Jurex-Gesellschaften, die Düsseldorfer Rechtsanwälte Michael Bremen und Peter Houben, sowie Jurex-Unternehmenssprecher Jacobs in gleich lautenden Erklärungen mit, „dass der Geschäfts-betrieb mit 1150 Mitarbeitern fortgeführt werden kann. Die erforderlichen finanziellen Mittel stehen zur Verfügung. Ziel ist die Fortführung der Firmen unter Beteiligung eines oder mehrerer strategischer Investoren.“Pikantes Detail Denn das Geschäft mit den hochpreisigen Postzustellungsaufträgen (PZA) ist lu-krativ. Bereits am 5. Mai lag das Übernahmeangebot der Interessenten vor. Am 6. Mai wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgezogen. Bis 11. Mai verhandelte Jurex mit den Investoren. Am 12. Mai wurde bekannt gegeben, dass der Jurex-Konzern – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartellamtes – von der Investorengruppe übernommen wurde. Pikant: Wenn diese tatsächlich unter der Führung von Direktexpress steht, ist auch die Swiss Post International (SPI) mit im Boot, die über Wandelanleihen und die Option für direkte Unternehmensbeteiligungen mit Direkt-express verbunden ist. Firmengründer und bisheriger Mehrheitsgesellschafter Lüer scheidet aus dem Konzern aus. Künftig werden die bisherigen Geschäftsführer, Johannes Meerloo und Christof Vitovec, unterstützt durch Hakan Kartal als neuen, weiteren Geschäftsführer aus dem Umfeld von Direktexpress, die Geschicke von Jurex leiten. „Ob der Name ‚Jurex’ indes beibehalten wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ungeklärt“, sagt Sprecher Jacobs. ❙❚■ Rainer Barck, freier JournalistWurde regelrecht in einen Strudel von Ereignissengezogen: Die Jurex GmbHJurexDer Jurex-Konzern ist ein mittelständisches Unternehmen, das 2002 gegründete wurde. Jurex hat sich auf die Auslieferung so genannter förmlicher Zustellungen für Justiz und Verwaltung spezialisiert. In seiner vierjährigen Firmengeschichte, hat der Jurex-Konzern einen rasanten Anstieg seiner Geschäftstätigkeit erlebt und ist zu einem Unternehmen mit über 1200 fest angestellten Mitarbeitern gewachsen. Seit Mitte 2006 behauptet sich der alternative Postdienstleister auch im Segment der Briefpost. Jurex betreut bundesweit über 900 Vertragspartner aus 53 firmeneigenen Standorten. Im Juni wurde das Unternehmen nun von einer Investorengruppe übernommen, einer der Anteils-eigner soll der Postkonsolidierer Direktexpress Holding AG in Ulm sein. Ob der Name „Jurex“ künftig beibehalten wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ungeklärt.Jurex

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