So bleiben Sie liquide

"Wenn wir den Transport erbracht haben, stellen wir den sofort unseren Kunden in Rechnung. Trotzdem müssen wir im Schnitt 30 bis 45 Tage auf die Bezahlung warten und bei Verkehren nach Südeuropa können es 90 Tage und noch mehr sein", erzählt eine Unternehmerin, die europaweit Komplettladungen fährt. "Besonders schlimm sind die großen Verlader, die reizen alles aus", moniert sie. Namentlich will sie nicht genannt werden, aus Angst, keinen Auftrag mehr zu erhalten. Letztlich habe jeder Kunde aber bislang überwiesen, auch weil sie jeden säumigen Kunden sofort anrufe und ihm Fristen setzt, sagt sie. "Man muss da am Ball bleiben. Das kostet wahnsinnig Zeit. Es ist aber unser Geld, das wir brauchen, damit wir unsere Rechnungen bezahlen können." Durch die Corona-Krise, die CO2-Abgabe und die jetzt hohen Dieselpreise sei das Transportgeschäft sowieso schwierig. Verhandlungsmacht liegt bei den Großen "Das Eis im Transportgewerbe wird dünn. Die Lage insbesondere kleiner und mittelständischer Transportbetriebe ist aktuell sehr angespannt, weil die Läger voll sind, wenig befördert wird und daher vergleichsweise viel Laderaum im Markt zur Verfügung steht", bestätigt Jens Kilimann, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger in Hamburg. Dies wiederum verschärfe den Preis- und Margendruck, und wenn die Zahlungsmoral dann noch sinkt, wird es für manchen Dienstleister eng. "Es gibt große Unternehmen, die haben sehr lange Zahlungsziele - 30, oft 60 Tage und meist noch länger", sagt Kilimann. "Die haben dafür auch die Verhandlungsmacht und Größe." Damit aber beginnt der Teufelskreis: Um die eigenen Rechnungen bezahlen zu können, müssen Transportfirmen oft ihren Kontokorrentkredit ausreizen, und wenn die Hausbank diesen nicht gewährt, rutschen sie im Extremfall womöglich in die Insolvenz oder scheiden als Anbieter ganz aus dem Transportmarkt. Erfolgshebel, die sich lohnen Doch dank professionellem Cash-Management muss es nicht so weit kommen. "So kann eine Transsportfirma mit professioneller ABC-Analyse seiner Kunden und deren Zahlungsmoral, am besten unterlegt mit entsprechenden Kennzahlen (etwa überfälliges Forderungsvolumen im Aufriss nach Zeiträumen, zum Beispiel 0 bis 30 Tage, länger als 30 bis 60 Tage), sehr schnell erkennen", erklärt Kilimann, "welcher Kunde bei der Bezahlung der Rechnungen Probleme macht und bei welchem er konsequenter anmahnen muss. Das ist kein Hexenwerk." Entscheidend sei nur, betont er, dass der Transportunternehmer konsequent dahinter sei, den Zahlungseingang kontrolliere und bei Bedarf bei den säumigen Kunden nachfasse. Und natürlich müsse er der Disposition dies auch kommunizieren, damit diese in Zeiten knapper Kapazitäten tendenziell eher Auftraggeber mit besserer Zahlungsmoral akzeptiert. Und es gibt laut Kilimann noch etliche andere Hebel wie die Überarbeitung und Optimierung der Zahlungskonditionen, etwa die Erhöhung der Mahngebühren und Intensivierung des Mahnwesens (zum Beispiel Reduzierung der Mahnstufen), an denen man ansetzen könne. "Hauptsache ist, das wird alles konsequent und regelmäßig angegangen. Dann hilft das Transportfirmen, liquide zu bleiben." Auch Factoring-Institute können aktuell eine Hilfe sein, wie die Ausführungen von Günter W. Nebes der Nebes-Leasingagentur in Gilching zeigen. Er hat sich unter anderem auf Factoring für Transport- und Speditionsbetriebe spezialisiert und arbeitet dafür eng mit einer Landesbank zusammen. Das Geschäftsmodell ist so: Ein Transporteur verkauft seine Forderungen an Nebes als Dienstleister (Factor). Egal, wo seine Kunden sitzen - ob im In- oder Ausland. "Wenn er uns seine Rechnungen an einem Arbeitstag morgens bis zehn Uhr faxt oder mailt, überweisen wir ihm am selben Tag, spätestens am nächsten Werktag 80 Prozent der ausstehenden Bruttosumme. Und den Rest dann, wenn sein Kunde (= Schuldner/Debitor) uns bezahlt hat", erklärt Nebes. Letztlich erhalte ein Unternehmer also 96 Prozent seiner ausstehenden Nettosumme noch am selben Tage oder spätestens am nächsten Werktag auf sein Konto überwiesen. Abgesichert bei Kundenausfall "Vor allem erhält er das Geld auch, wenn der Kunde nicht bezahlt oder pleitegeht", sagt Nebes. Denn über die Factoring-Gebühr ist der Transportdienstleister auch gegen Ausfall versichert. Größter Vorteil ist ganz klar: Er muss nichts vorfinanzieren und bleibt damit liquide. Im Gegenzug muss der Transporteur dem Factoring-Anbieter Nebes zum Beispiel bei einem Rechnungsumsatz von 150.000 bis 250.000 Euro rund drei Prozent Factoringebühr (bei 10 Millionen Euro aufwärts sind es 0,5 Prozent) überweisen, in der Versicherungs- und Bearbeitungsgebühr enthalten sind. Die Höhe der Factoringgebühr variiere aber und hänge von vielen Faktoren ab, sagt er, etwa von der Kundenbonität des jeweiligen Transportbetriebs. Dazu kommen für die Bonitätsbewertung pro Kunde jährlich 15 bis 25 Euro Kosten, die Nebes vor Annahme jedes Auftrags von Creditreform durchführen lässt. "Das ist kein Rosinenpicken, wie manche behaupten", betont er. "Damit helfen wir auch dem Transporteur, wenn er weiß, wie es um seine Kunden steht." Wichtig sei dies deshalb, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform (siehe Seite 18), "weil durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ein Unternehmer nicht mehr weiß, ob seine Kunden ihm die Services, die er für sie erbringt, überhaupt noch bezahlt oder mit deutlichem Verzug." Und wenn nur ein oder zwei Kunden nicht zahlen, könne ein Transporteur schnell selbst in die Zahlungsunfähigkeit schlittern oder gar in die Pleite. Das ist ein Trugschluss "Das Gefährlich daran ist: Vielen ist das gar nicht bewusst. Die wiegen sich in falscher Sicherheit", sagt Hantzsch. Denn viele würden derzeit davon ausgehen, dass in Deutschland die Insolvenzantragspflicht grundsätzlich ausgesetzt ist. Sprich: dass sie eben nicht, wie sonst üblich, sofort Insolvenz bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anmelden müssen. "Das ist aber ein Trugschluss", warnt er. Denn die Insolvenzantragspflicht sei nur für die Firmen bis Ende April 2021 ausgesetzt, die durch die Corona-Pandemie in die Krise geraten sind, einen Anspruch auf die staatlichen Hilfen haben (Beantragungszeitraum November 2020 bis Februar 2021) und die Summe ausreicht, um die Insolvenzreife abzuwenden. Das betreffe einen Bruchteil aller Betriebe, schätzungsweise rund 20 Prozent, meint der Experte. Alle anderen müssen bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich Insolvenz anmelden. Sonst kann das ernsthafte strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Aktuell ist die Situation in vielen kleineren Transport- und Speditionsbetrieben sehr angespannt: Die Kosten steigen, und viele Kunden zahlen schleppend. Wer nicht in Zahlungsschwierigkeiten geraten will, muss handeln. Tipps für ein erfolgreiches Liquiditätsmanagement Rechnen Sie sofort nach erbrachter Leistungserstellung an Ihre Kunden ab. Die Rechnungen sollten möglichst korrekt und vollständig sein. Erfahrungsgemäß beanstanden Kunden diese dann seltener. Vereinbaren Sie mit Kunden kurze Zahlungsziele mit eindeutigen Zahlungsfälligkeiten. Faustregel: Je schlechter die Bonität des Kunden, desto kürzere Zahlungsziele. Listen Sie Ihre säumigen Kunden auf. Die Liste sollte aufzeigen, von wem wie viele Rechnungen ausstehen und in welcher Höhe jeweils. Bezahlt der Kunde nicht pünktlich, sollten Sie ihn zunächst in einem Telefonat freundlich an die Bezahlung erinnern. Versenden Sie dann schriftliche Mahnungen mit konkreten Fälligkeitsterminen. Bleiben Sie stets freundlich, klar und vor allem konsequent. Die Zusammenarbeit mit Factoringi-Instituten hat sich im Transportgewerbe bewährt, die Kosten können oft unter Kontokorrentkredit-Zinsen liegen. „Die Zahlungsziele werden aktuell von vielen massiv ausgereizt“ Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in Neuss Warum sollten gerade jetzt kleinere Transportbetriebe auf ihre Liquidität achten? Letztlich ist das immer wichtig. In der Corona-Krise ist es aber gerade für diese Firmen überlebenswichtig. Denn durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht weiß ein Unternehmer nicht mehr, ob seine Kunden ihm die Dienstleistungen, die er für sie erbringt, überhaupt noch bezahlt oder nur mit deutlichem Verzug. Die Zahlungsziele werden aktuell, das können wir als Creditreform messen, von vielen massiv ausgereizt. Oft auch aus purer Not. Was hilft dem Unternehmer da? Letztlich nur zweierlei: Er erbringt seine Transporte nur noch gegen Vorkasse. Wenn der Kunde darauf nicht eingeht, sollte er die Rechnung möglichst sofort nach Leistungserbringung versenden. Zudem sollte er die Einhaltung der Zahlungsziele strikt überwachen und bei den Kunden konsequent einfordern. Zu viel Nachgiebigkeit bringt nichts. Das ist falsch verstandene Kundenorientierung. Das ist nicht einfach, aber für kleinere Transportbetriebe überlebenswichtig. Sie müssen ja auch ihre eigenen Rechnungen bezahlen. Wenn also nur ein oder zwei Kunden nicht bezahlen, können sie schnell selbst in die Zahlungsunfähigkeit schlittern oder gar in die Pleite. Welches Zahlungsziel sollte ein Transportbetrieb seinen Kunden einräumen? 30 Tage Zahlungsziel sind im Transport- und Logistikgewerbe in Deutschland die Regel. Unsere Auswertungen zeigen, dass Kunden im Schnitt bis zu 18 Tage draufschlagen. Eine Verkürzung der Zahlungsziele auf unter 30 Tage kann hier als Maßnahme helfen.

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