Sicherheitsregeln in der Luftfracht

Sicherheitsregeln in der LuftfrachtViel Wind um wenigZahlreiche Beobachter befürchteten ein Chaos aufgrund der neuen Sicherheitsregeln in der Luftfracht zum 29. April. Ein Überblick, was tatsächlich an den Flughäfen und bei den Abfertigern los war.Lange LKW-Staus an den Flughäfen. Verspätet abgeflogene Sendungen wegen des riesigen Kontrollaufwandes als unsicher geltender Packstücke. So lauteten die Warnungen vor dem 29. April. Der Grund: An jenem Tag traten in allen EU-Mitgliedsstaaten verschärfte Sicherheitsregeln in Kraft, die speziell die Versender von Luftfracht betreffen. Hatten Exporteure darauf verzichtet, sich als „Bekannte Versender“ amtlich lizenzieren zu lassen, gelten seitdem sämtliche ihrer Packstücke offiziell als unsicher. Sie müssen vor der Verladung in ein Flugzeug von Spediteuren, Bodenabfertigern oder den Airlines auf ihre Sicherheit hin überprüft werden. Von den geschätzten 65.000 Warenproduzenten in Deutschland sind nach jetzigem Stand weniger als 2000 als Bekannter Versender registriert. Eine riesige Welle nachzukon-trollierender Fracht würde folglich ab dem 29. April auf Airports und Airlines zurollen, lauteten die Befürchtungen. Die eigentliche Prüfung steht noch bevor Die Wirklichkeit nach einwöchiger Erfahrung: kaum Staus, keine Verlangsamung oder gar ein Abbruch der Lieferketten. Patrik Tschirch, Geschäftsführer vom Bodenabfertiger LUG Aircargo Handling, am bedeutendsten deutschen Frachtflughafen Frankfurt, berichtet, dass in seinem Unternehmen nur fünf Prozent mehr Sendungen kontrolliert werden mussten. Zugleich verweist der Manager darauf, dass seiner Branche die eigentliche Nagelprobe noch bevorstehe. „Die Woche vom 29. April bis 5. Mai war nicht repräsentativ, da der Maifeiertag dazwischen lag und das Aufkommen insgesamt eher gering war“, lautet sein Einwurf. Eine erste verlässliche Bilanz ließe sich erst nach etwa einem Monat ziehen. Entspannt atmet ebenfalls die Lufthansa Cargo durch, wo „keine Verzögerungen“ beobachtet wurden. „Dies wurde dank der umfassenden Vorbereitungen und auch Investitionen ermöglicht, die wir getroffen haben“, so Sprecher Michael Göntgens. Und er ergänzt: „Allein bei uns in Frankfurt kümmern sich mittlerweile 50 Personen um die Sicherheitskontrollen der Fracht.“ Dies ist annähernd eine Verdoppelung des von der Frachtlinie auf Rhein-Main eingesetzten Sicherheitspersonals. Problemlos lief es auch am Münchner Flughafen. „Alle Sendungen wurden wie vorher gebucht bei uns abgeflogen“, verkündet der für Luftfracht zuständige Markus Heinelt. Die aus Düsseldorf, Leipzig/Halle oder Köln/Bonn eingegangenen Entwarnungen runden den Eindruck ab. Etwas anders sieht es dagegen in der Fläche aus. Das belegen die Aussagen der auf acht Standorte innerhalb Deutschlands verteilten Mitglieder der Run-Air-Gruppe. Das ist eine Interessengemeinschaft von Spediteuren und Bodenabfertigern, die ihre Frachtverkehre per LKW zu den großen Flughäfen in Europa befördert. So berichtet Norbert Heitmüller von der am Flughafen Hannover ansässigen Norbert Goslar GmbH und Co. KG, dass die offiziell als unsicher geltenden Sendungen seit dem 29. April stetig angestiegen seien. Dabei habe es in Frankfurt Ärger bei der Anlieferung jener Sendungen gegeben, die dort sicherheitsüberprüft werden mussten. Offenbar haben, sagt Heitmüller, manche Agenten die Hinweise der Fluglinien nicht oder kaum beachtet. Von ersten Staus berichtet das Hamburger Run-Air-Mitglied THS Aircargo Services. Schuld daran sei die Branche selbst, moniert THS-Chef Rüdiger Suhrke. „Wie befürchtet, haben einige Spediteure und Versender die Prozesse nicht geändert“, kritisiert der Manager. So habe sein Unternehmen die Exporte eines Kunden erst am späten Freitagnachmittag abholen können, weil zu spät angekündigt. Das Fahrzeug mit den Sendungen kam dann nicht zeitig genug an, um den gebuchten Flug noch zu erreichen. Heftig war auch der Andrang bei der Kölner Klink Cargo. „Bei uns haben sich die Kontrollaufträge seit dem 29. April verdoppelt“, sagt Inhaber Jörg Zimmermann. Von einem „steilen Aufwärtstrend“ der zu kontrollierenden Sendungen berichtet ebenfalls das Bremer Run-Air-Mitglied P+B Team Aircargo Service. „Dennoch sind wir in der ersten Woche nach dem 29. April noch nicht an unsere Kapazitätsgrenze beim Röntgen gekommen“, sagt P+B-Geschäftsführer Mike Westphal. Keine Probleme in Amsterdam und Paris Keine größeren Probleme gab es im Ausland. Beispiel der Amsterdamer Flughafen Schiphol: Dort sei es nicht zu Störungen oder längeren Abfertigungszeiten gekommen, sagte eine Sprecherin des Luftfrachtverbandes Air Cargo Netherlands (ACN) auf Anfrage. Allerdings hätten nicht alle Mitgliedsunternehmen gewusst, dass seit 29. April neue Regeln gelten würden. Air France-KLM-Martinair Cargo bestätigt den reibungslosen Übergang. Das Unternehmen habe mit der Einrichtung des Remote Explosive Scent Tracing (REST) die Möglichkeit geschaffen, komplette LKW-Ladungen nach gefährlicher Ladung zu durchleuchten. Die Nachfrage nach diesem Screening sei groß, sagte eine Sprecherin. Auch in Paris habe es keine Probleme bei der Umstellung auf die neuen Sicherheitsregeln gegeben, vielleicht auch deshalb, weil REST am Pariser Flughafen und Frachtverkehrs-Hub Charles de Gaulle bereits seit fünf Jahren von Air France-KLM-Martinair Cargo eingesetzt werde. Aus den vorliegenden Ergebnissen mit den neuen Sicherheitsregeln lassen sich vier Schlüsse ziehen: Erstens war die Branche gut vorbereitet. Je mehr Fracht – zweiter Punkt – dezentral gesichert wird, desto weniger Staus wird es an den Großflughäfen geben, da diese Sendungen ohne weitere Kontrollen direkt abgeflogen werden können. Drittens hat der Security-Aufwand zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen, damit Luftfracht aber auch verteuert. Und viertens wird es andererseits eine Preisanpassung aufgrund der Konkurrenz bei den Röntgenkontrollen geben. Die heute noch von manchem Dienstleister verlangten 0,10 Euro pro Kilogramm werden nicht zu halten sein. Die Tendenz geht eher gegen sieben oder sechs Eurocent pro Kilo. ❙❚■ Heiner Siegmund, Kay Wagner Keine Staus bei Aero Cargo… … meldet Antonio Oliveira, Geschäftsführer des Frankfurter Vertriebsagenten für Luftfracht (GSA) Aero Cargo GmbH.Als GSA versendet Aero Cargo täglich Luftfracht, kommt aber physisch damit nicht in Kontakt. Wie haben sich die neuen EU-Sicherheitsregeln auf die Laufketten Ihrer Sendungen bisher ausgewirkt?Antonio Oliveira: Unsere Anlieferstellen erstrecken sich über ganz Deutschland, und darüber hinaus werden die Flughäfen Lüttich, Paris CDG, Paris Orly, Luxemburg, Amsterdam und Brüssel nahezu täglich angefahren. Unser vorläufiges Fazit lautet, dass nirgendwo die neuen Sicherheitsregeln unsere Laufketten behindert haben. Wie hoch ist Ihr Aufkommen pro Woche? Wir verschicken im Schnitt 450 Sendungen pro Woche. Von dieser Gesamtmenge werden 70 Prozent von deutschen Airports abgeflogen und der Rest von den zuvor angeführten Flughäfen. Allerdings möchte ich hervorheben, dass die Woche nach dem 29. April vom Aufkommen her gesehen relativ ruhig war, denn mit dem ersten Mai gab es einen Feiertag, an dem die Exporteure keine Güter produziert haben. Daher ist diese Zeitspanne nicht wirklich repräsentativ für das Gesamtjahr. Trotzdem liefert sie erste Erkenntnisse über die Umsetzung der neuen Sicherheitsbestimmungen. Und die sind meines Erachtens für alle Beteiligten an der Luftfracht durchaus ermutigend. Rechnen Sie noch mit größeren Staus und Verzögerungen wegen der hohen Anzahl der unsicheren Frachtstücke? Das ist schwer zu prognostizieren. Doch zumindest die im Vorfeld des 29. April von einigen Spediteuren oder Bodenabfertigern prognostizierten Katastrophenszenarien haben sich dank guter Vorbereitung der meisten Reglementierten Beauftragten, etwa durch Investitionen in Röntgenanlagen und Sicherheitspersonal, als falsch erwiesen. hsVR-Fachkonferenz Luftfrachtsicherheit ohne BV-StatusAm 12. Juni veranstaltet die VerkehrsRundschau in Hamburg die Fachkonferenz „Luftfrachtsicherheit“. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht das Thema „Luftfracht problemlos versenden, ohne behördliche Zulassung zum Bekannten Versender“. Namhafte Referenten aus Logistikdienstleistung, Beratung und Verladerschaft erläutern die Vor- und Nachteile des Versands von Luftfracht ohne den Sicherheitsstatus des Bekannten Versenders. Dabei wird auch auf haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte eingegangen. Neben der Fachkonferenz erfolgt eine Besichtigung des World Cargo Centers (WCC) am Hamburger Flughafen. Hier erläutern Vertreter der Unternehmen THS Aircargo Services, Pfister Logistic und AKF Siemers in einer Live-Vorführung die Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten beim Verpacken, Röntgen sowie bei einer Sprengstoffuntersuchung von Luftfracht. Programm und Anmeldung finden Sie unter www.verkehrsrundschau.de/events. akDas Fazit für die erste Woche: So gut wie keine Staus an den Großflughäfen Interview

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