Schulterschluss mit Folgen

Aus zwei mach eins: Das ist der neue Trend im deutschen Stückgutmarkt. So haben nicht nur soeben die beiden Stückgutkooperationen ILN und Star die Fusion ihrer Netze bekannt gegeben. Auch die Kooperationen 24 Plus und Online Systemlogistik wollen ihre schon vor drei Jahren angekündigte Fusion nun weiter vorantreiben. Und möglicherweise steht bei der Stückgutkooperation VTL in Kürze ebenfalls die Fusion mit einem anderen Marktteilnehmer an. Warum es gerade jetzt zu einem verstärkten Schulterschluss kommt, ist für Berater Steffen Wagner klar. "Diese anstehenden geplanten Fusionen einiger Stückgutkooperationen sind eine aus Marktsicht notwendige Konsolidierung", urteilt der Leiter Transport & Leisure der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG (siehe Kasten Seite 21). Er geht davon aus, dass sich diese Konsolidierung sogar in den kommenden Jahren weiter verschärfen könnte. Das Wachstum im Stückgutsegment finde über einen Verdrängungswettbewerb statt. Nicht umsonst hätten auch im vergangenen Jahr trotz der guten Marktlage wieder einige regionale Mittelständler Insolvenz anmelden müssen. Auf insgesamt 11,6 Milliarden Euro Umsatz beziffert Martin Schwemmer, stellvertretender Leiter Market Intelligence des Fraunhofer SCS, den Stückgutmarkt in Deutschland. Das entspricht 4,3 Prozent des gesamten Logistikmarktes. Und in Europa liegt der Umsatz des Stückgutmarktes bei 50 Milliarden Euro. "Bis zu zwei Prozent Zuwachs sind in diesem Jahr realistisch", schätzt Schwemmer, wobei dies davon abhänge, wie sich die Industrienachfrage entwickeln werde. Das Problem jedoch ist: Durch den immens zugespitzten und anhaltenden Fahrermangel werden die Kosten für Stückgutleistungen weiter steigen. Eben dies könnte die niedrigen Erlösmargen der Unternehmen unter Druck bringen und den einen oder anderen Netzpartner gefährden. Um dem vorzubeugen, bauen ILN und Star vor. Ihr Ziel ist es, ihre Netze noch in diesem Jahr zu einem gemeinsamen Netzwerk zu fusionieren. Dafür werden beide Verbünde eine neue gemeinsame Gesellschaft gründen, führt ILN-Geschäftsführer Alexander Bauz aus. Wo der juristische Sitz sein werde, stehe noch nicht fest. "Die Systemzentralen von ILN in Sinzig und Star in Homberg sollen aber erhalten bleiben", betont er. Ihre Aufgaben werden im Zuge der Fusion neu aufgeteilt. So wird voraussichtlich der Bereich Finanzen in Sinzig angesiedelt sein und der Bereich Qualitätsmanagement in Homberg. Ziel ist es dann, in der zweiten Jahreshälfte die beiden Produktionssysteme sukzessive zu einem einheitlichen Netz zusammenzuführen. "Und unser Plan ist es, dass die regionalen Partner in der zweiten Jahreshälfte jeweils das andere Netzwerk nutzen können", erklärt Bauz. "Dafür arbeiten wir derzeit auch an einer einheitlichen IT-Schnittstelle. Im Januar 2020 soll dann eine einheitliche IT-Plattform zur Verfügung stehen." Welche Vorteile das alles für die Systempartner bringt? Ganz klar: "Durch die Fusion von ILN und Star entsteht das dichteste Stückgutnetz in Deutschland - mit durchschnittlich 31 Nachlauf-Kilometern", unterstreicht Bauz. Außerdem werde das neue Netz in diesem Jahr insgesamt rund 110 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Zukunftsperspektive dank Fusion Auch die Stückgutverbünde 24Plus und Online Systemlogistik haben schon vor drei Jahren eine Kooperation der beiden Kooperationen beschlossen. Am Ende des gemeinsamen Weges war sogar eine Fusion der beiden Verbünde geplant. Wirklich vorangekommen mit der Umsetzung ihrer Fusion sind Branchenkennern zufolge 24Plus und Online System Logistik indes nicht. "Wir haben die Komplexität des Vorhabens anfangs unterschätzt", räumt Geschäftsführer Peter Baumann ein. "Ein wichtiges Signal - auch an unsere Mitgliedsunternehmen - wird aber unser gemeinsamer Messe-Auftritt auf der Transport Logistic in München sein", gibt er sich zuversichtlich. "Die Partner unserer beiden Netze werden sich da ein gutes Stück besser kennenlernen. Dadurch entstehen neuen Anknüpfungspunkte für die weiteren Gespräche zwischen 24Plus und Online Systemlogistik." Fest steht für Baumann gleichwohl: Spätestens im Jahr 2020 - mit dann 63 Jahren - wird er bei 24Plus als Geschäftsführer aufhören. Wer ihm dann nachfolgen wird, will er noch nicht verraten. Seit über 20 Jahren steht er an der Spitze von 24Plus. Als er 1998 dort als Geschäftsführer anfing, zählte die Kooperation 32 Partner. Heute sind es 65 Partner deutschland- und europaweit sowie 33 Gesellschafter. "Wir konnten unseren Partnern jederzeit ein stabiles Netzwerk bereitstellen." Darauf ist Baumann stolz. Klar sei auch, dass er die Fusion von 24Plus und Online System Logistik gerne vorantreiben will. Allerdings müsse man da den Partnern auch Zeit geben, zusammenzuwachsen, betont er. Immerhin zähle Online Systemlogistik 78 und 24Plus die besagten 65 Partner. Abgesehen davon seien die Produktionssysteme der beiden Kooperationen noch sehr unterschiedlich. So wickle Online Systemlogistik rund 90 Prozent seiner Verkehre über das Zentralhub in Schlitz ab, während bei 24Plus nur 20 Prozent über das Zentralhub in Hauneck laufen und dafür 80 Prozent der Mengen im Direktverkehr bewegt werden. "Das muss alles erst geregelt werden und braucht Zeit. Diese Zeit nehmen wir uns, damit sich jeder unserer Partner in dieser Lösung wiederfindet", betont Baumann. An einer Fusion der beiden Netze führt nach seiner Einschätzung kein Weg vorbei - das wäre strategisch extrem wichtig, damit die Partner im Stückgutmarkt eine realistische Zukunftsperspektive haben. Lieber mache man das jetzt, wo die Partner stark seien, betont er. "Denn die Anforderungen unserer Kunden nehmen weiter zu. Gleichzeitig kämpfen wir immer wieder damit, dass unsere Netze flächendeckend und stabil bleiben, weil Betriebe immer mal ausscheiden." Immerhin bestehen heute schon zehn duale Partnerschaften mit Speditionen, die für 24Plus und für Online Systemlogistik arbeiten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers