SchlafendesLand

Nächtliche Wartungsarbeiten auf dem Flughafen Hamburg SchlafendesLandNachtflugverbote an Flughäfen entwickeln sich zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor im Kampf der Frachtflieger um Kunden und Tonnage.Michael Mühlberger nannte das Kind beim Namen: „Der Standort Frankfurt/Main kann FedEx aufgrund eines möglichen Nachtflugverbots keine langfristige Planungssicherheit bieten“ – so der Zentral- und Osteuropachef des US-Paketgiganten kürzlich während einer Pressekonferenz in Köln. Konsequenz dieser Ansage: FedEx verlagert fast sämtliche Frankfurt-Flüge ab 2009 von Rhein/Main zum Flughafen Köln/Bonn. Betroffen davon sind wöchentlich rund 30 Umläufe, also 60 Starts- und Landungen. Woanders eine neue HeimatMit FedEx verlässt ein erster namhafter Akteur Europas größten Frachtflughafen, um sich woanders eine neue Heimat zu suchen. Weitere könnten folgen. Denn die nächtliche Schließung des Frankfurter Airports zwischen 23 Uhr abends und fünf Uhr früh trifft neben den Charterfliegern vor allem die Expressdienstleister und Luftfrachtbeförderer. Derzeit finden, sagt Sprecher Wolfgang Schwalm von der Betreibergesellschaft Fraport, von den täglich insgesamt 1400 Flugbewegungen im Schnitt 60 Starts und Landungen in der fraglichen Sperrzeit statt. „Das sind Flieger, die wegen akuter Engpässe während der normalen Betriebszeiten auf die Ränder ausgewichen sind.“ Sobald die vierte Landebahn in Frankfurt/Main eröffnet wird, müsste für die meisten dieser Ausweichler wieder Platz im regulären Tagesbetrieb sein, hofft Schwalm. Für die Lufthansa Cargo wohl nicht. Ihre Frachter starten und landen im Schnitt sieben- bis zehnmal pro Nacht auf Rhein/Main. Schon deshalb, weil es jede Menge Transitfracht gibt, die im Bauch von Passagierflugzeugen eingeflogen wird und auf Frachtern die Weiterreise antritt. Dieses fein austarierte Netzwerk zwischen Unterflurfracht und Hauptdeck-fracht würde zerreißen und damit auch die Laufketten von der Quelle bis zum Ziel. Salopper ausgedrückt: Die Sendungen könnten nicht mehr vom Passagier- auf ein Frachtflugzeug umsteigen. Zeitverluste, höhere Kosten und Wettbewerbsnachteile gegenüber jenen Kapazitätsanbietern sind die Folge, deren Drehscheiben rund um die Uhr geöffnet sind – etwa Emirates in Dubai oder Cathay Pacific in Hongkong. Durchgestylte LaufkettenNeben der Umladefracht von Passagier- auf Cargoflugzeuge weist Unternehmenssprecher Nils Haupt zudem auf einen weiteren Aspekt hin: die durchgestylten Laufketten der hiesigen Exportindustrie für deren Luftfrachttransporte. Exemplarisch nennt er den Frachtflug LH 8188, der Frankfurt um 2 Uhr 15 verlässt und um 4 Uhr 25 Ortszeit in Chicago landet. „Solche Flüge sind für uns existenziell notwendig, weil die zeitdefinierten Sendungen am frühen Vormittag beim Empfänger sind und dadurch direkt in dessen Tagesproduktion eingetaktet werden können.“ Kann der Frachter erst um fünf Uhr in Frankfurt abheben, wie laut geplantem Nachtflugverbot frühestens möglich, kämen die Waren erst kurz nach sieben Uhr lokaler Zeit in Chicago an. Zu spät, um am selben Werktag noch in deren laufende Fertigung eingespeist zu werden. Sollte Rhein/Main nachts wirklich schließen, wäre dies „eine existenzielle Bedrohung für uns“, betont Haupt. Für den Fall sieht er Kunden mit zeitkritischen Sendungen nach Amsterdam oder Paris abwandern. Und damit zu Kapazitätsanbietern, deren Heimatflughäfen nachts die Schotten offen lassen. Volker Oesau, Zentral- und Osteuropachef von DHL Global Forwarding, bestätigt dies tendenziell. „Falls Frankfurt die Nachtflugsperre tatsächlich einführt, müssen wir einen Teil unseres Aufkommens über andere Flughäfen ab-wickeln“, kündigt der Manager an. „Eine wirkliche Alternative bleibt uns nicht.“ Auch Heiner Sass prognostiziert für den Fall das Abwandern von Fracht zu anderen Standorten. Damit sinke langfristig, glaubt der Geschäftsführer der in Walldorf-Mörfelden ansässigen Frachtverkaufsagentur Globe Air Cargo, die Bedeutung des Standortes Frankfurt als Umschlagplatz für Cargo. „Die Warenströme werden sich auf Flughäfen im Ausland, aber auch Richtung Leipzig, Köln/Bonn und teilweise München verlagern.“ Schon heute sei erkennbar, dass neue Cargoflieger wie die chinesische Great Wall lieber Amsterdam als Frankfurt ansteuern. „Früher war Rhein/Main der zentrale Frachtflughafen in Europa. Diese Rolle wird er schleichend verlieren“, glaubt Sass. Frankfurt ächzt unter EngpässenKein Wunder, so können in dem unter Kapazitätsengpässen ächzenden Frankfurt derzeit nur maximal 82 Flugbewegungen pro Stunde abgewickelt werden. Nachgefragt werden aber schon heute rund 100 Starts und Landungen. Anders in Paris und Amsterdam, die aufgrund ihrer vier beziehungsweise fünf Landebahnen stündlich bis zu 125 Bewegungen verkraften können. Und an beiden Flughäfen ist jeweils eine zusätzliche Bahn geplant – ein zunehmend wichtigeres Verkaufsargument gegenüber Wettbewerbern wie Lufthansa Cargo oder British Airways Cargo mit deren Engpassflughäfen Rhein/Main und Heathrow. Auch hinsichtlich ihrer internationalen Bedeutung droht Europas größte Frachtdrehscheibe ins Hintertreffen zu geraten: So rüsten Plätze wie Jebel Ali in Dubai, Qatar oder Abu Dhabi kräftig auf, um Verkehre verstärkt über Nahost zu lenken. Nachtflugbeschränkungen – diesen Begriff kennt man nicht in den Golf-Staaten. Derzeit investieren sie umgerechnet rund 21 Milliarden Euro in Luftfahrtprojekte, vor allem die Bodeninfrastruktur. In Deutschland sind es hingegen acht Milliarden Euro, die in den Ausbau von Flughäfen fließen. Ein sich aus Petrodollars speisendes Paket mit langfristigen Folgen: So wird Verkehr zunehmend über die Nahost-Region gezogen, wie das Beispiel Schenker zeigt. Neueste Pläne des Logistikers sehen vor, die aus Fernost stammenden und für Afrika bestimmten Sendungen nicht mehr über europäische Drehkreuze zu schleusen, sondern Dubai als Transitairport für diese Warenströme zu nutzen. Die Frachtkette China-Amerika könnte folgen, da Emirates immer mehr Langstreckenflugzeuge einflottet, die nonstop nach New York oder Sao Paulo fliegen können. Via Dubai, versteht sich. ❙❚■ Heiner Siegmund, freier JournalistSchlechtes Signal für den Standort DDeutsche Großflughäfen sollten rund um die Uhr für den Luftverkehr geöffnet sein. So lautet das Plädoyer von Michael Garvens, Geschäftsführer der Flughafen Köln/Bonn GmbH, gegen Nachtflugverbote.Köln/Bonn hat gerade die Ansiedlung von FedEx bekannt gegeben: Ein Erfolg auch deshalb, weil der Flughafen nachts für leisere Flugzeuge geöffnet ist? Michael Garvens: Für das Expressfracht-Geschäft ist die Möglichkeit, nachts zu fliegen, absolut unverzichtbar. Das wissen wir in Köln/Bonn nicht erst seit Ansiedlung von FedEx. Wer Nachtflug nicht nachhaltig sicherstellen kann, scheidet als Standort für diese wachstumsintensive Branche aus. Das mussten zuletzt der Flughafen Brüssel und jetzt auch Frankfurt schmerzlich erfahren. Erwarten Sie eine Sogwirkung, sobald Frankfurt nachts die Pforten schließt? Zunächst einmal ist ein Nachtflugverbot in Frankfurt ein ganz schlechtes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deshalb haben sich führende Wirtschaftsverbände in jüngster Zeit auch deutlich dagegen ausgesprochen. Wenn es dennoch kommt, wird die Umsetzung nicht einfach sein. Einige Air-lines werden sich zu einem Standortwechsel gezwungen sehen. Kann sich Deutschland als Exportnation die nächtliche Schließung von Großflughäfen leisten? Deutschland ist ein Exportland. Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit nehmen er-heblichen Schaden im Falle eines Nachtflugverbots. Schauen Sie sich Nordrhein-Westfalen an: Hier leben über 18 Millionen Menschen, mehr als beispielsweise in Australien. Wenn NRW ein unabhängiges Land wäre, läge es auf Rang 14 der größten Exportna-tionen weltweit. Allein schon deshalb braucht das Land zwingend einen nachtoffenen Flughafen. Köln/Bonn hat die Verlängerung der jetzigen Betriebsregelung ab 2015 für weitere 15 Jahre beantragt. Wann erwarten Sie eine Entscheidung darüber? Wir wünschen uns natürlich eine möglichst rasche Bearbeitung unseres Antrags vor allem im Sinne unserer Kunden, die auf Nachtflug angewiesen sind und erhebliche Investitionen getätigt haben und tätigen werden. Sie brauchen Planungssicherheit. Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung unseren Antrag ebenso kritisch wie wohlwollend prüfen wird. hsInterviewMichael Garvens

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