Stockholm/München. Beim monatelangen Hickhack um das Zusammengehen der LKW-Hersteller MAN und Scania breitet sich in Stockholm wie München auch unter den Eingeweihten immer mehr Ratlosigkeit aus. „Wir finden es nicht so lustig, dass wir noch nicht mal die Gründe kennen“, kommentierte Scanias Aufsichtsratssprecherin Peggy Bruzelius heute die Mitteilung aus Brüssel, dass die EU-Kommission die Frist für die Prüfung des MAN-Angebotes um zwei Wochen bis zum 20. Dezember verlängert hat. Von der Kommission hieß es lediglich, das oder die Unternehmen hätten nicht näher bezeichnete Konzessionen in Brüssel vorgelegt, die jetzt geprüft würden. Scania und auch sein größter schwedischer Eigner Investor wichen am selben Tag routiniert, aber auch mit der gewohnten Halbherzigkeit neuen Spekulationen über ein angeblich bevorstehendes Gegenangebot zur Übernahme von Scania aus. „Wir haben nie irgendeine Option ausgeschlossen“, lautete hier wie so oft der Standardsatz aus den Presseabteilungen. An den Börsen trieb der Bericht eines englischen Onlinedienstes die MAN-Aktie deutlich nach oben und die von Scania nach unten. Dabei glaubt hinter den Kulissen in Stockholm kaum jemand an einen schwedischen Gegenanlauf zur Übernahme von MAN. Immer wieder wurde in den vergangenen Wochen herausgehoben, wie schwer eine kostensenkende Umstrukturierung beim potenziellen Partner angesichts der mit der IG Metall ausgehandelten Job-Garantien bei MAN und der für schwedische Verhältnisse „durchpolitisierten Struktur“ deutscher Aufsichtsräte sein würde. Hinzu kommt, dass für eine Gegenofferte ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss notwendig wäre. Volkswagen als größter Scania-Aktionär hatte zuletzt noch einmal einen Aufsichtsratsbeschluss bekräftigt, wonach der Autobauer derzeit keine Gegenofferte unterstützen würde. So verkündete der Brummi-Bauer aus dem Norden in dieser Woche auch per ganzseitigen Zeitungsanzeigen einfach das, was feststeht: „Scania sagt Nein zu MANs Angebot.“ Das sollte den eigenen Aktionären eigentlich unmittelbar vor dem zunächst anvisierten Auslaufen der Brüsseler Prüfungsfrist am Nikolaustag das Nein mit Begründungen erleichtern wie: „Nach Überzeugung des Aufsichtsrates liegt der Wert von Scania wesentlich höher als das Angebot von MAN.“ „Wer will sich noch die Lobgesänge von Scania über sich selbst anhören?" fragte der Kommentator von „Svenska Dagbladet“ und verlangte von der schwedischen Seite endlich eine andere Strategie als die bisherige, mit begeistertem Lob eigener Qualitäten und dem gleichzeitigen Nein zu 10,3 Milliarden Euro aus München den Preis doch noch hochzutreiben. Branchenkenner in Deutschland halten dagegen eine Gegenangebot Scanias für MAN mit Rückendeckung durch Volkswagen nicht für abwegig. Als größter Aktionär von Scania und MAN könnte VW eine Offerte für das Münchner Unternehmen unterstützen, sein brasilianisches Lastwagen-Geschäft in einen neuen Konzern einbringen und sukzessive die Mehrheit an dem neuen Konzern übernehmen, sagt Frank Schwope von der NordLB. „Das wäre dann auch ein Mosaikstein in einem möglichen neuen VW-Porsche-Konzern.“ Als treibende Kraft hinter einer solchen Lösung sieht Schwope VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Dass es in diesem Fall zu weiteren - auch politischen - Konflikten kommen könnte, ist ohnehin kaum zu vermeiden, glaubt Schwope: „Böses Blut wird es auf jeden Fall geben.“ Die Chancen des Münchner Konzerns, seine Offerte noch durchzubringen, sinken dagegen, sind Branchenkenner überzeugt. „Das Ganze ist zerfasert, es sieht momentan nicht so aus, als ob die Übernahme unter Regie von MAN noch zustande kommt“, heißt es in Industrie-Kreisen. Für MAN-Chef Håkan Samuelsson steht in dem Übernahmepoker viel auf dem Spiel. Sollten die Scania-Pläne platzen, würde sein Posten wackeln, heißt es. Dabei hat sich der Schwede mit dem konsequenten Konzernumbau und der Ausrichtung auf Profitabilität einen guten Ruf erworben. (dpa)
Scania-Übernahme: Chancen für MAN schwinden
EU-Kommission nimmt sich länger Zeit für Prüfung: Ratlosigkeit im Hickhack zwischen Scania und MAN