Paletten-Rohrpost statt Lkw

Stetig steigendes Paketaufkommen, Verkehrsinfarkt in den Ballungsräumen und neuerdings auch noch drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge - die Herausforderungen für die urbane Logistik werden bekanntlich nicht kleiner. Überlegungen, die innerstädtische Belieferung unter die Straße zu verlegen, werden daher nicht erst seit gestern angestellt. Bereits seit vielen Jahren plant der frühere Bochumer Professor für Bauingenieurwesen Dietrich Stein mit seinem Unternehmen Cargo Cap eine Art unterirdische Rohrpost für Frachtgüter. Eine Realisierung steht aber weiterhin aus. Weiter vorangeschritten ist das Schweizer Projekt Cargo Sous Terrain - den Eidgenossen schwebt gleich ein weitläufiges unterirdisches Tunnelsystem im Schweizer Mittelland vor. Aber auch hier wird es nach jetziger Planung bis zum Jahr 2030 dauern, bis eine erste Teilstrecke den Betrieb aufnimmt.Mit Smart City Loop schickt sich nun eine neue Projektierungsgesellschaft an, den Warentransport unter die Straße zu verlegen. Hinter dem in diesem Jahr gegründeten Unternehmen stecken zwei Branchenprofis, die sich vor allem im Ladungsträgergeschäft verdient gemacht haben: Gesellschafter Ekart Kuhn von der Beratung Ekupac sowie Christian Kühnhold, der nach vielen Jahren als Geschäftsführer beim Poolingdienstleister Paki Logistics zum 1. Oktober 2018 seinen neuen Job als geschäftsführender Gesellschafter von Smart City Loop angetreten hat.Transport durch unterirdische RöhrenDie beiden nehmen sich mit ihrem Logistikkonzept die "vorletzte Meile" vor: In unterirdischen Röhren mit einem Durchmesser von 2,80 Metern sollen Waren von einem Güterversorgungszentrum (GVZ) am Stadtrand mittels vollautomatischer Fördertechnik zu innerstädtischen Micro-Hubs transportiert werden. Diese Hubs können eigenständige Logistikimmobilien sein oder auch in bestehende Immobilien, etwa Einkaufszentren, integriert werden. An den einzelnen Bahnhöfen sollen leistungsstarke Fördereinrichtungen für den Vertikaltransport die Waren an die Oberfläche bringen. Von den Micro-Hubs aus erfolgt dann die Feinverteilung durch die bestehenden City-Logistik-Konzepte wie Lastenräder oder Elektro-Lkw. Als Ladungsträger sollen Paletten und Transportbehälter für beispielsweise Stückgut oder Pakete fungieren. Smart City Loop soll aber nicht nur dazu dienen, Waren auf der vorletzten Meile in die Stadt hineinzubringen. "Alles, was auf Paletten passt, kann auch wieder aus den Städten hinaus transportiert werden", sagt Kuhn. Nicht von ungefähr finde sich im Investorenkreis auch ein Entsorger.Derzeit ist die Gesellschaft auf der Suche nach Kapitalgebern und institutionellen Investoren, um die Entwicklung des Projekts über die nächsten zwei bis drei Jahre voranzutreiben. Sollte es zur Realisierung kommen, soll es in den jeweiligen Städten Betreibergesellschaften geben, die dann an die Smart City Loop für die Nutzung des Konzeptes eine Lizenzgebühr zahlen. "Das hat auch den Vorteil, dass keine Monopolbildung stattfinden kann", sagt Kuhn. Dafür will man mit fast allen großen Städten Gespräche aufnehmen. "Das Projekt kann nur gelingen, wenn wir in den jeweiligen Städten alle Beteiligten an einen Tisch bekommen. In Bergisch-Gladbach und in Stuttgart sind wir als Projektierungsgesellschaft auf einem guten Weg und gerade dabei, dort Machbarkeitsstudien auf den Weg zu bringen", sagt Kühnhold.Hürden niedriger als gedachtNach Ansicht der Smart City Loop-Gesellschafter sind die baulichen und technischen Hürden für ihr Vorhaben denn auch viel niedriger als landläufig bei derartigen Projekten gerne angenommen. Der Durchmesser der Röhren von 2,80 Meter sei nicht nur prädestiniert für den Transport von Standard-Paletten mit einer Beladungshöhe von zwei Metern, sondern sei auch bei anderen Bauprojekten, beispielsweise Fernwärme, bereits eine etablierte Standardgröße. Das Logistikkonzept basiere zudem auf etablierter Fördertechnik, "die Sie heutzutage in x-beliebigen, automatisierten Lagern sehen", wie Kuhn betont. "Wir sitzen mit Logistikern und namhaften Anbietern von Intralogistik-Systemen am Tisch und haben mit dem Fraunhofer IML eine Kooperation über die wissenschaftliche Begleitung und die technische Umsetzung vereinbart", ergänzt Kühnhold. Die Gründer verspüren in Bezug auf Smart City Loop nach eigener Aussage eine sehr positive Resonanz, nicht zuletzt "weil das Thema Citylogistik sowohl für Unternehmen als auch Kommunen eine der dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit ist", wie Kühnhold betont. Smart City Loop sei demnach zwar keine Patentlösung, könne aber ein gewichtiger Baustein sein, um die Lkw von den innerstädtischen Straßen zu bekommen.Ein hohes Ziel, aber auch auf Kostenseite realisierbar? Von Gesellschafter Kuhn kommt ein klares Ja: "Die Kosten für eine Doppelröhre über drei bis vier Kilometer inklusive Fördertechnik und Hubeinrichtung dürften 50 Millionen Euro nicht überschreiten." Die Durchleitungsgebühren für die Hauptzielgruppe, also die Spediteure, würden demnach in etwa auf einem Level mit den üblichen Transportkosten im innerstädtischen Verteilerverkehr liegen. Die Rentabilität aus Nutzersicht setze allerdings auch einen entsprechenden Durchsatz voraus, wie Kuhn einräumt: "Einen 40-Tonner mit einer Palette zu beladen, wäre schließlich auch extrem unwirtschaftlich."Handeln statt diskutierenKühnhold derweil entgegnet Bedenkenträgern, die in Zweifel ziehen, ob die Idee realisierbar ist: "Die überlastete städtische Infrastruktur und die Dieselproblematik können nicht länger nur Gegenstand ewiger Diskussionen sein, es muss auch endlich jemand etwas tun." Daher seien alle aufgefordert, von der öffentlichen Hand über private Investoren bis hin zur Logistikwirtschaft, "den Mut aufzubringen, Citylogistik-Konzepte nicht zu zerreden, sondern auch zu realisieren", so Kühnhold.Zur PersonChristian Kühnholdwar in seiner Karriere bereits in verschiedenen Stationen im Bereich Intralogistik tätig und hatte unter anderem bei führenden First-Tier-Zulieferern der Automobilindustrie jeweils die Verantwortung für den internationalen Aftermarket. In den letzten zwölf Jahren war der Wirtschaftsingenieur als CEO der Paki Logistics tätig, die ersten sechs Jahre davon im Rahmen einer Private-Equity-Investition als Geschäftsführer und Mitgesellschafter."Nach erfolgreicher Integration und guter weiterer Entwicklung der Geschäfte bei Paki und der IPP wurde der Wunsch größer, doch noch einmal selbst unternehmerisch tätig zu werden", sagt Kühnhold. Seit Oktober 2018 ist Kühnhold nun neuer geschäftsführender Gesellschafter der in diesem Jahr gegründeten Smart City Loop GmbH, die sich mit der Entwicklung und dem Betrieb von unterirdischen urbanen Transportsystemen und der dazugehörenden logistischen und digitalen Dienstleistungen für die städtische Warenver- und Entsorgung beschäftigt. mh

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