Neue Linie gefunden

Das Verteilersegment ist für Iveco wichtig. Steigende Gewinne und der Erfolg des Daily lassen Konzernlenker Sergio Marchionne in Spendierlaune kommen: Nachdem er bei Iveco zuletzt nur das absolut Nötigste investierte, legt der Italo-Kanadier jetzt nach: Mit dem aktuellen Facelift macht der Eurocargo optisch einen großen Sprung nach vorn. Aber auch hinter der gelifteten Frontklappe haben die Italiener den Eurocargo verbessert. Nach der ersten Ankündigung (VerkehrsRundschau 29/2015) stand jetzt ein ML180E32/P zur ersten Ausfahrt um Brescia bereit, der mit Spier-Koffer und Bär-Bordwand bereits für den deutschen Markt konfiguriert war. Er gibt das schwere Topmodell der Reihe und fährt damit auch seinem Bruder Stralis in die Parade, vor allem, wenn es um Nutzlast geht. Die liegt bei 9360 Kilogramm - große Kabine und langer Radstand fordern ihren Tribut. Doch der offene Partikelfilter und die SCR-only-Lösung halten den schweren Eurocargo weiter am unteren Ende seines Segments. Der Platz in der Hochdachkabine ist üppiger als bei vergleichbaren MAN TGM oder Mercedes-Benz Atego: Ein einzelner Fahrer kriegt damit schon mal ein paar Nächte rum. Erleichtern sollen ihm den Job die neuen Assistenzsysteme wie Abstandsregeltempomat ACC und Spurhalteassistent. Beide hat Iveco wohltuend zurückhaltend ausgelegt. Sie warnen und regeln dezent. ACC benötigt allerdings wirklich ruhigen, fließenden Verkehr, um sauber zu arbeiten. Mit dem Spurverlassenswarner muss man die Linien bewusst überfahren, um einen Warnton zu bekommen. Vor allem auf engen Landstraßen ist diese Auslegung angenehmer als die übervorsichtige Regelung mancher Nordmänner, die deshalb meist nach kürzester Zeit weggeschaltet wird. Die Wurzeln sind deutlich erkennbar Erfrischend ist das Fahrerinformationssystem auf dem Flatscreen. Stattdessen kann man auch sein Smartphone oder Tablet einsetzen und sich neben Navidaten eine Fahrstilbewertung oder Dispo-Angaben oder diverse andere Programme darauf legen. Die Bedienung erfolgt einfach und intuitiv und lenkt deshalb auch nicht unnötig ab. Auch hier hat Turin seine Hausaufgaben gemacht. Andere Kritikpunkte blieben dagegen weiter unbeachtet: Nach wie vor piept der Blinker unerträglich laut (in den Reisebussen klingt das gleiche Geräusch dezenter) und auch sonst ist der Eurocargo kein Flüsterer, womit er sich wie Atego und TGL klar zu seinen leichten Verteilerwurzeln bekennt: Den Sechzylinderbass hört man deutlich ebenso wie den Luftpresser, der sich akustisch immer ins Fahrerohr presst und seinem Namen damit alle Ehre macht. Schuften ist auch an der Lenkung angesagt, denn der lange Radstand und die große Kabine liegen schwer auf der Vorderachse - entsprechend schwergängig geht hier die Lenkung. Darum fühlt sich der Vorführer etwas unhandlich, aber dafür angenehm straff an. Leider können die schlechten italienischen Straßen ihre tiefen und kurzen Fahrbahnunebenheiten bis in die Lenksäule durchreichen, die dann ebenso ins Zittern kommt wie die Außenspiegel in ihren soliden Gehäusen. Hier ist der Eurocargo mehr leichtes Mädchen als schwerer Kerl. Großes Vertrauen in die Kraft des Motors Obwohl er mit nur 6,7 Liter Hubraum auskommt, verlässt sich die Zwölfgang-AS-Tronic hier voll auf das gebotene Drehmoment: Gern springt sie vom Achten in den Zehnten und stuft dann, falls möglich, schnell über die Elf in die Zwölf hoch. In anspruchsvoller Geografie ist man - umgekehrt wie beispielsweise beim Antos 1827 - manchmal geneigt, einen Gang zurückzuschalten, um mehr Fahrt in die Fuhre zu bringen. Dabei liegt die drehzahlschonende Auslegung übrigens nicht am Eco-Modus der Schaltbox: Ändert man den auf "Normal", bevorzugt das leichte Mädchen trotzdem die großen Gänge. Ecoroll liegt am Tempomaten und wird wie bei DAF oder Scania dezent dosiert. Weniger dezent sind die Bremsen: Die erfordern einen ordentlichen Tritt und können von der Motorbremse nicht allzuviel Hilfe erwarten. Die Federung geht dafür in Ordnung: Die Vorderachse teilt zwar gern etwas hart aus, dafür bügelt die luftgefederte Hinterachse auch grobe Fahrbahnunebenheiten. Positiv: Um die Wartungskosten zu senken, erhöhte Iveco die Ölwechselintervalle: An der Hinterachse sind jetzt 350.000 statt 160.000 Kilometer Intervall drin. Dass trotz Marchionnes Spendierhosen weiter scharf gerechnet werden muss, merkt man an Details wie den Spaltmaßen um die Lautsprecher oder der eher luschig verlegten Dachverkleidung beim Hochdach - TGL und Atego kaschieren die Sparbemühungen besser. Herr Marchionne - hätten Sie dafür nicht noch ein paar Euro? Denn seine Linie hat der Eurocargo jetzt auf jeden Fall gefunden! Alle Tests und Fahrberichte für Premium-Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank